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27 März 2011
Was sind das bloß für Menschen?
Es ist für mich außerordentlich schwer vorstellbar, dass es wirklich und wahrhaftig Menschen gibt, die für die Möglichkeit, einen Kühlschrank (1) zu betreiben, die jahrtausendelange Unbewohnbarkeit ganzer Landstriche in Kauf nehmen. Und genau das wäre nun mal unweigerlich die Konsequenz, wenn es in einem Atomkraftwerk zu einem Super-GAU käme.
Ginge zum Beispiel Brunsbüttel in die Luft, müsste man Hamburg aufgeben, für alle Zeiten. Und geht Fukushima noch in die Luft, könnte es durchaus sein, dass man Tokio aufgeben muss, einen Ballungsraum von 35 Millionen Enwohnern. Die wirtschaftlich nutzbare Fläche Japans sänke um zehn Prozent, das Weltwirtschaftswachstum ginge in der Folge um ein Prozent zurück.
Und das alles wegen eines einzigen popeligen AKWs am Meer.
Es gibt dummerweise weltweit Hunderte solcher Kraftwerke, jedes einzelne davon in der Lage, einen Ballungsraum von der Größe Tokios zu gefährden. Das alles ist bekannt und belegt; der Super-GAU von Tschernobyl hat solche Szenarien nur bestätigt.
Trotzdem gibt es erstaunlicherweise Menschen, die eine derart apokalyptische Technologie allen Ernstes für tolerabel halten. Und nicht nur das: Sie stellen sogar die überragende Mehrheit in unserem Land. Sonst hätten in den vergangenen Jahrzehnten wohl kaum immer wieder genau solche Parteien die Macht übertragen bekommen, die ebenfalls von Herzen gern das Risiko jahrtausendelanger Unbewohnbarkeit ganzer Landstriche in Kauf nehmen.
Aber was sind das für Menschen? Wissen sie nicht, oder wollen sie nicht wissen? Belügen sie sich selbst, oder lassen sie sich nur zu gern belügen?
Wie auch immer: Heute war eine Viertelmillion anderer Menschen auf der Straße. Jene nämlich, die es verantwortungslos und wahnsinnig finden, für das Betreiben eines Kühlschrankes dieses Risiko zu tragen.
Ms. Columbo und ich liefen auch mit, wir sahen Plakate, auf denen „Merkel in die Asse“ oder „Fuckushima“ stand, und wir sahen gelbe Fahnen, die – symbolträchtig – in der Sonne glänzten. Aber wir und die anderen sind nur eine verschwindend kleine Minderheit. Eine Viertelmillion zwar, aber viel zu wenige.
In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz werden heute wieder mehrheitlich jene gewählt werden, die seit Jahrzehnten die Unbewohnbarkeit ganzer Landstriche in Kauf nehmen.
Für einen Kühlschrank.
(1) Achtung: Metapher!
Die allerwenigsten sind bewusst _für_ Atomkraft, die meisten sind da eher gleichgültig. Das wiederum halte ich für weitgehend verständlich: selbst wenn im dichtbesiedelten Europa hier alle AKW abgeschaltet werden, dann bleibt das Risiko dennoch kaum vermindert bestehen, denn zwischen Frankreich und uns liegen nicht 9000km.
AntwortenLöschenInsofern sei ihnen gedankt, dass Sie mitliefen, aber diese leicht elitär miefende Ansicht halte ich für falsch.
Und bitte kommen Sie mir nicht mit irgendwelchen Allensbach-Umfragen. Dass die grundsätzlich aussagen, was immer der Auftraggeber lesen und hören möchte, ist sicher auch Ihnen bekannt.
Und natürlich lässt sich nicht aus den Demozahlen ablesen, wie "das Volk" fühlt und denkt. Ich z.B. bin gegen Atomkraft, aber hatte heute nicht frei.
Danke das sie da waren. :)
AntwortenLöschenIch selbst musste leider arbeiten :(
Da sie gegen die Atomkraft sind, darf man dann fragen bei welchem der drei echten Naturstromanbieter (Greenpeace Energy oder Naturstrom oder MANN-Naturenergie) sie sind?
Sofern sie bei irgendeinem der anderen Anbieter sind finanzieren sie IMMER auch Atomstrom oder zumindest andere konventionelle Stromerzeugungsarten.
Sie haben nur alle 4 Jahre die möglichkeit eine Partei oder einen Abgeordneten zu wählen der sich für sie für Naturstrom einsetzt. Sie haben aber jeden Tag die Möglichkeit mit dem Wechsel zu einem echten Naturstromanbieter Ihre Haltung kundzutun.
Andii
Krümmel und Brokdorf nicht zu vergessen, die sind alle nah genug um so ziemlich alle von uns Fischköppen in die Emigration zu zwingen, sollten die Reaktoren mal auf die Idee kommen die konkrete Bedeutung des Wortes "Restrisiko" zu veranschaulichen.
AntwortenLöschenGruß Paddy
Samstags arbeiten wird scheinbar immer beliebter, ich hätte auch gerne teilgenommen. Dafür waren ein paar von den Jungs dabei, mit denen ich schon Ende der 70er gegen Brokdorf demonstriert habe, und die waren schon lange nicht mehr auf der Straße. Der Fukushima Effekt.
AntwortenLöschenAber wichtiger ist tatsächlich die Wahl des Energieversorgers.
Ich muss auch noch meinen Stempel druntersetzen....habe auch meine eigene Agit-Prop-Abteilung bei Kollegen und Freunden aufgemacht zum Thema "zum (echten) Ökostromanbieter wechseln geht ganz einfach und ganz schnell". Hier können wir alle unabhängig von Wahlen oder Demos etwas mitbestimmen. Und selbst, wenn es auf einen Schlag zu viele Interessenten gäbe (man sich also seitens der Ökostromanbieter gezwungen sähe, temporär einen Anteil Non-Öko "draufpacken" zu müssen), würde es mittelfristig für den AKW-Ausstieg absolut richtungsweisend sein.
AntwortenLöschenIch bin vor 3 Jahren zu Lichtblick gewechselt. In deren Schreiben steht:" Sie haben mit ihrem Wechsel zu Lichtblick zusammen mit einer halben Million weiterer Stromkunden ihren persönlichen Atomausstieg vollzogen."
AntwortenLöschenHerr Andii: alles Lüge oder was?
@Anonym, 11:14:
AntwortenLöschenMöglicherweise war das hier gemeint:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,559076,00.html
@Anonym 11:21:
AntwortenLöschenVielen Dank für die Info! Sehr aufschlussreich...
Diese Gutmenschen-Aufläufe sind mir sehr suspekt. Ein Großteil der Demonstranten gehörte bestimmt auch zu den ersten, die bei der Liberalisierung des Strommarktes den Anbieter gewechselt haben, um ein paar Euro zu sparen. Und welche Stromart ist schön günstig? Kleiner Tipp: Die, die mit teils maroden, längst abgeschriebenen Anlagen erzeugt wird und bei der die Erzeuger keine Rückstellungen für die Endlagerung des Abfalls bilden müssen.
AntwortenLöschenhttp://www.atomausstieg.at/
AntwortenLöschenAnonym 00:25: Gleichgültigkeit ist bei einer solchen potenziellen Bedrohungslage eigentlich keine Option. Daher bleibt meine Frage, was das für Menschen sind, weiterhin unbeantwortet. Und meinen Sie das wirklich ernst, dass man hierzulande nicht gegen Atomkraft zu sein braucht, weil im Ausland die Meiler weiterlaufen? Dann brauche ich mich also in Deutschland auch nicht gegen eine Diktatur zu engagieren, wenn in China weiterhin die KP herrscht, oder wie?
AntwortenLöschenAndii, Zaphod, Nihilistin: Ich bin bei einem städtischen Anbieter aus Norddeutschland, der mir seinen Strom als zu 100 % aus Wasserkraft erzeugt angepriesen hat. Möglicherweise war ich bisher zu naiv und werde das Angebot genauer unter die Lupe nehmen.
Paddy, in der Tat: Wir sind umzingelt. Umso schlimmer.
Anonym 14:19: Was ist daran „Gutmenschentum“, wenn man das Risiko landesweiter Verstrahlung abschaffen möchte? Ihre weitere Unterstellung, ein Großteil der Demonstranten würde beim Strom nur auf den Preis schauen statt auf die Herkunft, muss zwangsläufig eine unbeweisbare Unterstellung bleiben; sie zeigt aber zumindest eines sehr deutlich: wie wenig Fantasie Sie haben. Und dass Sie ein Misanthrop sind.
blogg-hittn-wirtin: Danke für den Link. Schon ausgefüllt.
Oh Mann, immer diese Gutmenschen-Keule. Sobald man eine andere Meinung hat, sind alle anderen "Gutmenschen". Abgesehen davon, dass das genau so billig wie Nazivokabular klingt, assoziiere ich damit immer sofort FDP-Wähler.
AntwortenLöschenNa ja, wahrscheinlich, weil ich ein "Gutmensch" bin (der trotzdem die Demo verpeilt hat).
Matt: Nein, ich wollte nicht sagen, dass man nicht gegen AKW sein braucht, weil ja nebenan noch eines steht, ich finde es nur nachvollziehbar, dass manchen Leuten das Thema nur bedingt am Herzen liegt, weil eben überall noch welche stehen.
AntwortenLöschenDie Broken-Window-Theorie mit einem AKW als zerbrochenes Fenster oder aufgeschlitzer Müllsack.
Also, meine Hochachtung für den Artikel und Ihr Engagement zu dem Thema.
AntwortenLöschenDie Politik ist dem Bürger schon soweit entrückt, dass es solcher Demonstrationen bedarf, um des Volkes Wille wirklich wieder ins Zentrum des Regierens zu rücken.
Wer immer noch Stromkosten oder die CO2-Diskussion in den Vordergrund rückt, hat von dem, was in Japan derzeit passiert, leider immer noch nichts verstanden.
> [...]
AntwortenLöschen> dass es solcher Demonstrationen bedarf, um des
> Volkes Wille wirklich wieder ins Zentrum des
> Regierens zu rücken.
> [...]
Der bleibt da immer nur maximal bis zur nächsten Wahl (bzw. es wird so getan als ob), danach wird wieder weiter den Geldgebern zugearbeitet. Die, die immer so gut zahlen, wenn man da z.B. 'n Vortrag hält. Und die, die immer so schöne Parteispenden verteilen. Und die, die einem so schöne Aufsichtsrat- und sonstige Posten geben werden, wenn man nicht mehr regiert.
Da BaWü und RP nun gewählt haben, wird das Geschwafel von der alternativlosen Brückentechnologie wieder Oberhand gewinnen.
Und in ein paar Wochen ist Lena schwanger oder Kalle Guttenberg hat 'n Buch schreiben lassen, wie schwer doch die Zeit während der Schmutzkampagne gegen ihn war, aber daß er und seine Kinderpornotusse zusammengehalten haben. Und das beschäftigt dann "Volkes Wille".
Fukushima und Kernenergie wird in ein paar Wochen allenfalls noch wenige Zeilen in Randspalten füllen.
Gruß Paddy
Nun, das liegt doch ganz an uns. Je mehr Terz, desto mehr Spalten.
AntwortenLöschen1 A Verschlagwortung: Politik Verbrechen
AntwortenLöschenSchön, dass die Wähler dann doch nicht ganz so dumm waren, wie hier befürchtet.
M
Ja der Guttenberg! Irgendwie hat mich das Fukushima Informationskonvulut an den Freiherrn erinnert!
AntwortenLöschenDarüber hinaus habe ich am Samstag den 26.03.11 gegen 15:30 Uhr heftigst mit mir selbst gehadert.
Denn eigentlich hatte ich fest vor hinzugehen, zur Moorweide, hier in HH .
Nur wenn es mir dann erst viel zu spät und ohne vernünftigen Grund fürs vergessen, dann doch viel zu spät einfällt! GRRR!
Herr Wagner, ein wichtiger Artikel!
Erhellende Informationen zum Thema Ökostrom und erquickliche Produzenten desselben finden sich auch bei den Damen und Herren von Atomausstieg selber machen!
AntwortenLöschenM, wie befürchtet: Die Mehrheit hat sich erneut für eine Atompartei entschieden. Betrüblich.
AntwortenLöschenFlow, es werden weiter Demonstrationsgelegenheiten kommmen; sie sind sogar schon terminiert. Und Sie werden herzlich willkommen sein. Denn es ist noch nicht vorbei.
Danke, Ben, für den Link. Allerdings wird dort erneut Lichtblick aufgeführt, ein Anbieter, der inzwischen durchaus angezweifelt werden darf, wenn man dem Link von 11:21 Uhr glauben darf.
Ich muss der Aussage zustmmen, das es recht fruchtlos erscheint hier in Deutschland gegen Atomstrom zu sein, wenn im Rest Europas fleissig neue ans Netz gehen. Logischer (und eventuell auch umsetzbarer) wären doch Demonstrationen für Neubauten von AKW, welche dann dem heutigen Sicherheitsstandart entsprechen würden. Die derzeitigen AKWs laufen allesamt mit 70er Jahre Technologie. Was im Umkehrschluss bedeutet das heutzutage jedes Handy mehr Rechenleistung zur Verfügung hat, als die Computer welche die Atomprozesse bearbeiten.
AntwortenLöschenUnsinn, Unsinn. Ich überlasse gern Frank Schirrmacher (FAZ-Herausgeber) das Wort:
AntwortenLöschen„Das ist vielleicht das erbärmlichste aller Argumente, denn es bezeichnet die Selbstaufgabe von Politik. Man kann die Argumentation versuchsweise auf die Atomwaffenproliferation oder den Atomwaffensperrvertrag übertragen. Selbst wenn wir keine Atomwaffen haben, werden die anderen welche haben. Das war in der Vergangenheit kein Grund, sich selbst welche zuzulegen, sondern andere davon abzuhalten, sie zu bauen.“
Matt: Das Thema treibt mich des Längeren um und ich wage zu behaupten, dass den Öko-Connaisseur an jedem der Anbieter etwas anficht. LichtBlick wäre nicht meine erste Wahl, ist aber für Häuslebauer interessant. Die Idee eines eigenen Blockheizkraftwerkes im Keller hat zumindest etwas von "Fuck you, Stromkonzerne!" (wenngleich man diesbezüglich auch von technischen Hürden liest):
AntwortenLöschenLichtBlick Zuhausekraftwerke
Tom: Deutschland hatte 2010 einen Stromexport von rund elf Milliarden kWh, das entspricht sieben Atomkraftwerken. Wofür willst du neue bauen?
> Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V.
Kohlenstaub auf mein Haupt! Elf Milliarden kWh – leichtgläubig der einschlägigen Baumkuschlerpresse entnommen – waren lediglich die Exportmenge des ersten Halbjahres 2010. Am Ende kam Deutschland auf 17 Milliarden. Davon müssen wir noch die Stromimporte aus Frankreich und Tschechien abziehen. Puh! Ich fange mal besser an zu arbeiten ...
AntwortenLöschenDer Jahresbericht der AG Energiebilanzen ist aber treffliche Lektüre für kalte Winterabende!
@ Ben Um die alten abzuschalten. Sprich für jedes zeitgemäße ein veraltetes abschalten. Geld genug dürften die BIG4 haben.
AntwortenLöschenTom, warum sollte man eine im Kern genozidale Technik weiterführen? Eine Technik, die das Land, das sie betreibt, komplett entvölkern könnte? Das hat mir noch niemand plausibel erklären können. Sie auch nicht.
AntwortenLöschenNun, ich halte viel davon genozide Techniken nicht von uralten Rechnern kontrolliert zu sehen. Und warum weiterführen? Weil wir uns schlichtweg wohl keine ökologischere Technologie leisten können. Und weil es keinen Sinn macht, bei sich selbst die Messer wegzuschmeissen wenn der Nachbar Bomben bastelt. Sprich, solang unsere europäischen nächsten Nachbarn nicht genauso ökologisch sein wollen wie wir es gern wären, hat eine einseitige Abschaltung keinen Sinn. Ausser Geld zu verbrennen.
AntwortenLöschenHier noch etwas Tiefschürfendes aus dem Süden:
AntwortenLöschenDa hat der Mappus blöd geschaut,
die AKW wern rückgebaut
Das Volk, das weiss es ganz genau:
Die AKW braucht keine Sau.
Sprüche zu Abschalten:
http://muenchenausgestrahlt.blogspot.com/
Tom, bin ich so schwer zu verstehen? Genozidale Techniken darf man überhaupt nicht betreiben, ob mit alter oder neuer Technik. Und das Pseudoargument, wenn die anderen nicht aufhören, hören wir auch nicht auf, führt wohin? Genau.
AntwortenLöschenKroesus2s Lyrik ist mir da viel sympathischer als Ihr Fatalismus.
Tom: AKW oder Mittelalter ?
AntwortenLöschengeht auch was dazwischen ?