Als ich in Planten un Blomen gerade Bärlauch in der Blüte seines Lebens pflücke, stoppt neben mir ein Fahrzeug der Parkverwaltung. Zwei Frauen in Arbeitsklamotten sitzen darin, und ich befürchte das Schlimmste: dass sie mir die Ernte untersagen. Für uns ist die Bärlauchsaison nämlich quasi die fünfte Jahreszeit, eine paradiesische Phase zwischen Frühling und Sommer, in der wir uns mehrfach die Woche dem Genuss des – wie der Österreicher sagt – Latschenknofels widmen, meist in Form eines Salats. Soll das nun alles vorbei sein? Weil mich die Gärtnerinnen erwischt haben? Die Fahrerin beugt sich aus dem Fenster. „Sie wissen schon, dass Bärlauch giftig ist, wenn er blüht?“
Ich glaube mich verhört zu haben. Seit vielen Jahren ernten wir das köstliche Wildgemüse und sehen seiner Blühphase stets besonders vorfreudig entgegen. Zwar bedeutet sie einerseits das baldige Ende der fünften Jahreszeit, andererseits sind gerade die Bärlauchblüten von besonderer Schmackhaftigkeit. Noch intensiver als die inzwischen gar zu großen Blätter konzentriert sich in ihnen das knoblauchähnliche Aroma, und zudem trägt ihre weiße Pracht beträchtlich zur ästhetischen Veredelung von Ms. Columbos Salatkompositionen bei. Kurz: Wir lieben Bärlauchblütentage!
Das Wort Gift nun in einem nahtlos vorgetragenen Satz gemeinsam mit dem Wort Bärlauch zu vernehmen: Das irritiert mich. Und ich kann auch eine gewisse Verunsicherung nicht leugnen, denn wen habe ich hier vor mir? Eine hauptberufliche Gärtnerin! Gleichwohl lebe ich noch, was mich zur Gegenrede ermuntert. „Wie bitte?“, leite ich nach dem ersten Schreck (und der Erleichterung, dass sie mir anscheinend die Ernte nicht grundsätzlich untersagen möchte) meinen Einwand ein: „Wir verzehren Bärlauch seit Jahren, auch die Blüten, und vertragen alles bestens.“
„Ich sag’s ja nur“, rechtfertigt sich die Frau und lächelt bedauernd. Wenn ich also nachher tot umfalle, das soll mir wohl ihr gelächeltes „Ich sag’s ja nur“ mitteilen, dann ist keinesfalls sie schuld. Denn sie hat’s ja nur gesagt. Und sie ist die Expertin. Wobei ich an dieser Stelle betonen muss, ein glühender Anhänger des Expertentums zu sein. Während der Pandemie habe ich auf Virologen vertraut und nicht auf die YouTube-Universität, und bei Stromproblemen rufe ich den Elektriker, nicht den Klempner. Ja, ich mag Fachkräfte, und diese Frau hier betreut einen öffentlichen Park, sie wird doch wohl wissen, wovon sie spricht, nicht wahr.
Andererseits: Ich lebe noch.
Nach ihrem „Ich sag’s ja nur“ ist die Sache für die Gärtnerin erledigt. Sie und ihre Kollegin, die stumm geblieben ist, fahren weiter und überlassen mich meinem Schicksal – also Tod und Verderben. Zu Hause wird natürlich sofort gegoogelt. Eine fachlich kompetent wirkende Infoseite bestätigt mich vollumfänglich und blamiert die Gärtnerin: Viele Menschen glaubten, heißt es dort, dass Bärlauch zur Giftpflanze mutiere, sobald er blüht. „Doch das stimmt nicht.“
Das und die hervorragende Verträglichkeit des Bärlauchgiftes beweisen gerichtsfest: Was die Gärtnerin mir erzählt hat, ist Quatsch. Florales Querdenkertum. Mein unerschütterlicher Lobpreis des Expertentums, von dem mein Freundeskreis augenrollend Zeugnis ablegen kann, wirkt plötzlich schal. Ich meine: Diese Frau verdient ihr täglich Brot mit der Botanik, gleichwohl trötet sie Humbug über ein unschuldiges Wildgemüse in die Welt hinaus? Das ist ja ungefähr so, als glaubte ein Astronom an Astrologie. Oder ein Chemiker an Homöopathie.
Natürlich haben wir trotz alledem und gerade deshalb auch diese Portion Bärlauchblätter und -blüten zu einem köstlichen Salat verarbeitet – und ihn mühelos überlebt. Morgen geh ich wieder hin, vielleicht zum letzten Mal in dieser Saison. Denn die fünfte Jahreszeit ist schon fast wieder vorbei, es ist ein Jammer.
Sie vertrauen einer Infoseite, welche vor Rechtschreibfehlern strotzt? Sterben sie wohl!
AntwortenLöschenWenn Sie DAS als „strotzend vor Rechtschreibfehlern“ bezeichnen, haben Sie seit Jahren keine Texte mehr im Internet gelesen …
LöschenMöglichen sind giftig. Die Blätter sind denen des Bärlauch sehr ähnlich. Allerdings ist der Duft entschieden anders.
AntwortenLöschenIch meine natürlich Maiglöckchen!
AntwortenLöschenSie tragen Eulen nach Athen.
LöschenIch habe Bärlauchblüten schon in Öl eingelegt um ein wunderbares Bärlauchöl zu bekommen. Ich lebe auch noch und gehe immerhin schon auf die 60 zu....
AntwortenLöschenSie sollten Gärtnerin in Planten un Blomen werden! ;)
LöschenIch freue mich, dass Sie Bärlauch als Gemüse schätzen und verzehren. Aber ich finde es sehr schade, dass Sie die Mitarbeiterinnen des Parkes in Ihrem Text verunglimpfen.
AntwortenLöschenDa sich die Dinge in stetiger Veränderung befinden waren Sie bezüglich der Verzehrfähigkeit von Bärlauchblüten besser informiert als die Damen. Es gab auch mal Zeiten, in denen man Pilze und Spinat nicht erneut erwärmen sollte oder das der Tomatenstrunk giftig ist. Leider ist nicht jeder so sehr an Bärlauch interessiert wie Sie. In der Parkunterhaltung spielen Beikräuter wie der Bärlauch eine untergeordnete Rolle.
Leider sind Sie es, der nicht richtig gehandelt hat. In der Parkordnung ist unter Punkt 6 zu lesen: "Es ist untersagt: Anlagen zu verändern, Pflanzen zu beschädigen, Pflanzen oder Pflanzenteile zu entnehmen, Tiere zu fangen oder zu stören,"
Vielleicht sollten Sie Ihren Text noch einmal überdenken, im Hinblick auf die nächste Bärlauchsaison, denn die Damen können Ihnen einen Platzverweis erteilen.
Wenn Sie wirklich irgendwo in meinem Text eine Verunglimpfung entdeckt haben, bitte ich um einen entsprechenden Hinweis. Denn mir ist bisher keine aufgefallen – oder meinen Sie, die Benennung einer Wissenslücke sei schon eine Verunglimpfung …?
LöschenBis zu Ihrem angedrohten Platzverweis werde ich mich selbstverständlich weiter als Bärlauchpflücker zum Eigengebrauch betätigen. Denn in meiner Welt wäre es schade, wenn dieses Gemüse seine wunderbaren Eigenschaften nicht mehr zum Vergnügen eines Connaisseurs entfalten dürfte, sondern – wie offenbar in Ihrer – sinnlos verrotten müsste.
Was für ein unangenehmer Kommentar. Die Jugend würde jetzt wohl den Begriff Alman bemühen. Und dann auch noch die Parkordnung googeln, peinlicher wird es diese Woche nicht mehr.
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