1. Wir werden Zeugen eines bereits laufenden Streits in der Balduinstraße. Beteiligt sind zwei Männer, der eine am Gehwegzaun, der andere auf einem Balkon im zweiten Stock. Wenn ich mir das richtig zusammenreime, hat der Mann auf dem Balkon den anderen mit kritischem Unterton bezichtigt, eine Stange Wasser in die Ecke gestellt zu haben. Das regt den Pinkler mächtig auf.
Es gebe keinerlei Grund, ihn zu kritisieren, „nur weil ich pisse“, und überhaupt, fährt er argumentativ diskutabel fort, „ficke ich deine Mutter, du Hundesohn“. Ein kühnes Versprechen, denn wahrscheinlich hat er nicht mal die Kontaktdaten der guten Frau.
Seine Willensbekundung gibt allerdings auf gleich mehreren Ebenen Anlass zum Nachdenken. Mir hat sich zum Beispiel noch nie so recht erschlossen, warum manche Männer – vor allem auf dem Kiez – sich derart oft der Fantasie hingeben, mit der Erzeugerin eines zufälligen Kontrahenten sexuell zu interagieren, obwohl doch die Gefahr besteht, dass die Auserwählte in einem inkompatiblen Alter sein könnte.
Na gut, manche stehen auf Milfs. Aber in der Regel wissen sie in Fällen wie dem vorliegenden doch null Komma nichts über deren vielleicht sogar gänzlich fehlende äußere Anziehungskraft. Dabei entzünden sich erotische Fantasien doch gewöhnlich an der Optik. Hier aber, in der Balduinstraße, gibt es nicht den kleinsten Anhaltspunkt, wie diese denn beschaffen sein könnte. Der Mann am Zaun gibt also quasi einem Blind Date eine Beischlafgarantie!
Doch nicht nur das lässt unsereins vorwurfsvoll die Stirn runzeln. Auch die Rhetorik dieses Wildpinklers erscheint mir durchaus grenzwertig. Es wird jedenfalls ein schwieriges Jahr, wenn dein Karmakonto schon am 1. Januar hüfthoch im Dispo steht.
2. Am Tag vor Silvester fährt in der Neuen Großen Bergstraße ein mit bunten Tüchern und Blinklichtern verziertes Fahrrad an uns vorbei. Im Gepäckkorb befindet sich ein Ghettoblaster (sagt man das noch?). Das Gerät spielt aber keine Musik ab, sondern Feuerwerksgeräusche. Ein, wie ich finde, lobenswert kreativer Umgang mit den Einschränkungen, die in diesem Jahr den Jahreswechsel prägen.
3. In der Detlev-Bremer-Straße (Foto) schiebt sich ein Mann die Maske unters Kinn. Dann holt er eine zweite Maske aus der Jackentasche und schnäuzt ergiebig hinein.
2021 kann wirklich nur besser werden.
Ein wunderbarer Text, wann darf man Ihr erstes Buch erwarten?
AntwortenLöschenIst schon da.
AntwortenLöschenGerade habe ich das vermeintlich letzte Exemplar bei einem bekannten Onlinehändler erworben... 😊
AntwortenLöschenDanke dafür! (Wahrscheinlich die Frankensaga, oder?)
LöschenNatürlich... ich freue mich schon auf niveauvollen Lesegenuss.
AntwortenLöschenEin Lichtblick in dieser dunklen Coronazeit.
Der Kontrahent will es ja offensichtlich der Mutter des Hundes besorgen ("du Hundesohn"). Ob er sich dessen bewußt ist?
AntwortenLöschenIn der Tat wäre er mit einem Hurensohn wahrscheinlich besser dran. Andererseits kennen wir seine Vorlieben nicht.
Löschen