Gestern stieß ich in einem vergessenen Winkel zwischen Hängeschrank und hinterster Zimmerecke, neben ausgemustertem Subwoofer und Altkleidersammelsack, auf eine alte Laptopumhängetasche.
Alte Taschen wollen inspiziert werden, das ist ihr Lebenssinn. Ergebnis: Sie war weitgehend leer. Bis auf einen mit Reißverschluss ausgestatteten Gefrierbeutel, in dem sich eine angebrochene Tafel Schokolade befand. Natürlich eine Ritter Sport Dunkle Voll-Nuss.
Es fehlte eine Rippe, verzehrt wahrscheinlich als Notration auf einer längeren Zugfahrt unter den Konditionen eines ausgefallenen (oder als zu teuer eingeschätzten) Bordrestaurants.
Wann ich die Tasche zuletzt in Gebrauch hatte, ist mir jedenfalls völlig unklar. Ein Indiz könnte das Mindesthaltbarkeitsdatum der Schokolade liefern. Es war der 23. August 2015. Auf der Seite von Ritter Sport heißt es zu diesem Sachverhalt:
„Für unsere Schokolade haben wir ein MHD von ca. einem Jahr festgelegt.“
Längstens hätte meine prähistorische Tafel also seit August 2014 satt und zufrieden, wenngleich ein wenig einsam in der Laptopumhängetasche geruht. Weiter heißt es bei Ritter:
„Natürlich schmeckt sie auch danach noch, aber eben nicht mehr ganz so gut.“
Na, das wollen wir doch mal überprüfen. Zunächst zur Optik. Die Schokolade wirkt leicht angeranzt, ein Hauch von grauer Patina überzieht die restlichen drei Rippen, vor allem dort, wo die eingegossenen ganzen Nüsse sich keck übers Plateau der Tafel wölben. Aber kein Schimmel, nichts auffällig Unappetitliches.
Nun zur Olfaktorik. Ein starker, den Rande des Strengen nicht nur streifender Kakaoduft steigt intensiv in die Nase. Und rieche da: Er ist gar nicht unangenehm. Ja, er macht sogar Lust auf einen Bissen. Und ich wäre der Letzte, der dieser Lust nicht nachgäbe, die Welt ist meine Zeugin.
Mit einem kräftigen Knack breche ich ein Segment aus Rippe Nr. 2, stecke es mir in den Mund – und erkenne sofort, dass Ritter Sport auf seiner Webseite auf dreisteste Weise LÜGT. Denn diese Schokolade, gefertig irgendwann um den Dreh herum, als Götze Schürrles Flanke zum Entsetzen ganz Argentiniens im Netz versenkte, schmeckt nicht „nicht mehr ganz so gut“.
Sondern sie schmeckt fast wie neu. Beinah so, als hätte sie nicht Jahre in einer Laptopumhängetasche in einem vergessenen Winkel zwischen Hängeschrank und hinterster Zimmerecke verbracht, neben ausgemustertem Subwoofer und Altkleidersammelsack.
Damit ist quasi der Nachweis erbracht, dass nicht nur Kakerlaken (und Lemmy Kilmister leider schon gar nicht!), sondern auch und vielleicht als einzige biologische Substanz eine Tafel Ritter Sport Dunkle Voll-Nuss sowohl einen Atomkrieg als auch die Smartphonezombieapokalypse unbeschadet überstehen würde.
Seit die Tafel im Sommer 2014 fabriziert wurde, ist der Preis dieser Sorte übrigens um ungefähr 33 Prozent gestiegen. Mein schrecklicher Verdacht: Mit meinen zahlreichen Elogen auf diese Schokolade bin vor allem ich schuld daran. Denn ungenießbare Sorten wie Brombeer Joghurt, Vanille-Mousse oder Knusperkeks sind davon komplett unbetroffen. Warum also nur meine Lieblingssorte?
Offiziell ist von Nussmissernten in der Türkei die Rede. Aber das wollen SIE Ihnen natürlich nur einreden, um MICH, ihren besten Kunden, vor dem Mob zu schützen.
Egal: Auf zum nächsten Bissen.
Dann mal guten Appetit. ;)
AntwortenLöschenHab ich schon, danke!
LöschenDas ist nicht die Folge von Missernten sondern die neue "Nuss-Klasse" mit einem jetzt höheren Anteil von Nüssen. Die Sorte Voll-Nuss 100 g enthält seitdem statt 23% jetzt 25% Nussanteil. Ob dies die Preiserhöhung rechtfertig, mag dahin gestellt bleiben ...
AntwortenLöschen33 % teurer für 2 % mehr …? Hmpf.
LöschenDie 2 Prozentpunkte mehr Nussanteil sind immerhin 8,7 % mehr Nuss im Vergleich zur alten Variante. Dann tut es vielleicht ein wenig weniger weh.
LöschenDie verbleibenden 25 % Preisteigerung dürfte man aber wohl kaum auf die Inflation schieben dürfen. Zumal es bei den "doofen" Sorten (Sommer-Mango-Banane-Nougat-Joghurt-Capuccino-Currywurst-Crisp-Schaum) anscheinend nicht zum Tragen kommt.
Ich wittere eine Nussverschwörung. Vielleicht sind gierige mutierte Killereichhörnchen schuld, die eine Ernte nur noch unter Lebensgefahr für die Arbeiter zulassen. Heinz Sielmann übernehmen sie.
Der Beginn der Zombieeichhörnchenapokalypse!
LöschenDieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenGenau solche Einträge sind es, Herr Wagner, die Ihren Blog so einzigartig machen. Vielen Dank dafür!
AntwortenLöschen*errötet verlegen*
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