Kiezbäcker, morgens um 9. Hinter mir die Schlange ist genervt, denn ich bin ein wenig eigen.
Sie möge doch bitte die Brötchen nicht mit den ungeschützten Händen anfassen, mahne ich die Verkäuferin, das fände ich unhygienisch. Habe sie doch gar nicht, protestiert sie. Doch, widerspreche ich, mit eigenen Augen hätte ich es gesehen – und nur deshalb überhaupt die Notwendigkeit zur Intervention verspürt und sodann auch umgesetzt.
Dann solle ich bloß nicht in die Backstube schauen, verteidigt sie sich verschnupft, denn dort wühle man unablässig tagein, tagaus mit bloßen Händen im Teig. Mag sein, kontere ich, doch hätten die fraglichen Hände wohl kaum vor ihrer Teigwühlarbeit unzählige klebrige Biotopenbesiedlungsgebiete namens Euroscheine angefasst und direkt danach dann distanzlos verzehrfertige Brötchen eingetütet.
Es geht hin und her zwischen mir und der Verkäuferin, und plötzlich sagt der Mensch hinter mir in der Schlange, Typ fusselbärtiger Mittzwanzigerhipster aus dem Schanzenviertel: „Ich nehme die Brötchen. Die können Sie ruhig anfassen. Mir macht das nichts.“
So, meine Damen und Herren, kann ich nicht arbeiten.
Statt mir im Dienst des Überlebens der Menschheit hygienetechnisch den Rücken zu stärken, riskiert der Schanzenfusselbart eine Erhöhung der durchschnittlichen deutschen Mortalitätsrate, nur um cooler zu wirken als ich.
Der Typ will mich eindeutig als Spießer dastehen lassen, und das gelingt ihm auch, zumindest in den Augen der genervten Schlange und der innerlich augenrollenden Kiezbäckerverkäuferin.
Doch wie auch immer: Da muss man durch als geistiger Bruder Jerry Seinfelds. Und am Ende kriege ich meine etepetete mit der Zange herausgeklaubten unkontaminierten Brötchen und sehe ihn, den Hipster, vorm geistigen Auge auf dem Sterbebett pickelgesichtig Blut husten.
Zu Hause stärkt mir Ms. Columbo, die eins der Brötchen immerhin inkorporieren muss, argumentativ den Rücken. Und alles andere ist auch völlig unwichtig, dass das mal klar ist.
PS: Das Foto zeigt in Ermangelung einer treffsichereren Illustration nicht die Fassade des Kiezbäckers, sondern irgendeines Standesgenossen aus Eppendorf.
Also, Sie haben natürlich vollkommen recht mit der Kontaminierung, aber mit der Zange unkontaminierte Brötchen ersparen Ihnen nur die Pickel.
AntwortenLöschenDenn da waren noch der nasebohrende Lehrling in der Backstube, der den Teig auf den Boden fallen lässt, wo vor Kurzem noch die grauen Langschwänzer getanzt haben und jetzt saubere Finger hat. Die Brösel in der Brötchenschütte haben in den letzten Monaten auch die Konsistenz von Steinen angenommen.
Da nehm ich dann gerne noch die Ladung Koks von den Euroscheinen mit, dann ist die Welt wenigstens bunter, wenn die Wollmäuse von den frischen Brötchen durch meinen Körper toben. Mahlzeit!
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LöschenMit so ähnlichen Alterserscheinungen habe ich auch zu kämpfen. Allerdings würde ich im gastronomischen Bereich meine Ansicht für mich behalten, denn die andere Seite sitzt eindeutig am längeren Hebel. Und schlägt in einem unbeobachteten Moment zu. Das Brötchen kurz über das Bedienfeld der Kasse reiben, z.B. Koch: In das Essen spucken. Mir fallen immer wieder die Butthole Surfers ein, deren Lieblingsscherz war es offenbar, Penis an Handgriff zu reiben und zu warten, bis jemand diesen anfasst - welch ein Gaudi. Aktenköfferchen von Managern zu kontaminieren war ihnen das Höchste. Gehört das jetzt hierhin?
AntwortenLöschenLeider ja …
LöschenVerärgere nie jemanden, der Dein Essen bringt..... Penny zu Sheldon in der Cheescakefactory...
AntwortenLöschenStädter, pfff
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