Ach ja, hier der alljährliche, mit einem tiefen fatalistischen Seufzen vorgebrachte Rat:
Bitte sprengen Sie sich in den kommenden Stunden nichts weg, verzichten Sie auf Selbstentbeinung, lassen Sie nirgendwo Amputate herumliegen.
Desweiteren verweise ich auf
die Einträge aus sämtlichen Jahren seit 2006, die ebenfalls alle nichts
genützt haben.
Foto: anschlaege.de
„3000 Plattenkritiken“ | „Die Frankensaga – Vollfettstufe“ | RSS-Feed | In memoriam | mattwagner {at} web.de |
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31 Dezember 2013
30 Dezember 2013
28 Dezember 2013
Pareidolie (74)
Traurig, aber wahr: Das ist der Bauch von Boris Becker, und zwar vor der Weihnachtsvöllerei.
Gute Nacht.
PS: Eine ganze Pareidoliegalerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
Gute Nacht.
PS: Eine ganze Pareidoliegalerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
23 Dezember 2013
Dann müssen alle dürfen
Bitte stellen Sie sich mal vor, jede politische Gruppierung, die es nicht geschafft hat, eine Mehrheit für ihre Position zu organisieren, würde sich so verhalten wie der schwarze Block am vergangenen Wochenende auf dem Kiez (s. hier).
Dann hätten wir plötzlich überall im Land steinewerfende, zündelnde, krakeelende Grüppchen – Autonome, Nazis, Veganer, Pädophile, Kurden, Windkraftgegner, Flughafenausbaukritisierer, Jungliberale.
Alle zögen sie marodierend durch die Städte, nur weil ihre Position in der Gesellschaft, in der sie leben, aus irgendwelchen Gründen keine Mehrheit gefunden hat.
Wer jedenfalls – wie der schwarze Block am vergangenen Wochenende auf dem Kiez – denkt, dieses Verhalten sei auch in einer parlamentarischen Demokratie eine legitime Methode, seine Position zu vertreten, der muss sie logischerweise auch anderen Minderheiten ohne Mehrheit zugestehen.
Zum Beispiel Nazis.
Oder fällt irgendwem ein nachvollziehbares Argument ein, mit dem der schwarze Block dem braunen Mob die Legitimation zum Abfackeln von Asylbewerberheimen absprechen könnte?
Entweder man akzeptiert ein durch die demokratische Mehrheitsgesellschaft legitimiertes Gewaltmonopol der Exekutive oder nicht. Wenn nicht, dann muss man auch so tolerant sein zu sagen: Ja, jeder darf schlagen und morden, der das für richtig hält.
Manche Leute glauben ja, die Randalierer vom Wochenende seien größtenteils Leute, die einem verqueren Spieltrieb folgen. Das ist eine wohlwollende Interpretation. Ich glaube allerdings, es ist schlimmer. Natürlich gibt es auch die Fraktion derjenigen, die Party machen wollen, und sei es mit Pflastersteinen. Aber dabei sind wahrscheinlich auch solche, die ernsthaft davon überzeugt sind, es sei ein legitimes Mittel der Politik, Postfilialen, Polizeiwachen, Autos oder Wohnhäuser zu zerstören.
Diese Leute müssen ernstlich glauben, dass all dies – sofern sie damit Erfolg hätten – zu einem Staat führen würde, in dem es sich mehr zu leben lohnt als in dem, den wir zurzeit haben.
Klar, es ist unschön, sich einem Mehrheitsentscheid beugen zu müssen, der einige Jahre lang Leute wie Pofalla oder Nahles an die Macht spült. Aber wollte man sie wirklich austauschen gegen jene, die nachts durch die Straßen streunen und kiloschwere Wackersteine auf Gebäude und Menschen werfen?
Was wäre dann zu erwarten, wenn sie das Sagen, wenn sie das Gewaltmonopol inne hätten? Wie würden sie das Land regieren? Was wäre das für ein Staat? Und wie würde er mit jenen Minderheiten umgehen, die es nicht geschafft haben, eine Mehrheit für ihre Position zu organisieren, und deshalb marodierend durch die Städte zögen?
Und eins noch, bevor hier wieder das große Wehklagen von den Wasserwerfern etc. losbricht: Wenn die Polizei Gesetze bricht, dann gehört sie angezeigt. Wenn ein Gericht diese Rechtsbrüche nicht ahndet, dann geht man in Berufung. Und da wir nicht im Iran, in Nordkorea oder Russland leben, gibt es die Chance, dass Verbrecher in Uniform verknackt werden. Ja, das ist schon passiert.
Diesem Schweinesystem traue ich im Bedarfsfall nämlich sogar Gerechtigkeit zu. Den Steinewerfern vom vergangenen Wochenende eher weniger.
PS: Eine recht fruchtbare Diskussion zum Thema gibt es auch bei Don Alphonso.
PPS vom 31. Dezember 2013: Ein Spiegel-online-Artikel, der die Konfliktlinien sachlich beschreibt und einstuft: http://bit.ly/1kYsgxt
22 Dezember 2013
Gelungene Werbung in eigener Sache
Gestern Abend, als die ersten schwarzvermummten Stoßtrupps unter unserem Balkon durchmarodierten, mitten auf der Straße irgendwelche Haufen aufschichteten und sie anzündeten, da war noch nirgendwo Polizei zu sehen.
Auch nicht, als die liebenswerten Freunde der Roten Flora wahllos Mülltonnen auf die Straße zogen und sie dort umwarfen. Nicht, als sie die Scheiben der Postfiliale zerdepperten. Und auch nicht, als sie unser Nachbarhaus, welches das bittere Schicksal der späten Geburt schultern muss (Gentrifzierung! Hohe Miete!), mit Gegenständen bewarfen.
Währenddessen: nirgends Polizei.
Keinerlei Staatsmacht.
Niemand, der die Marodeure provoziert hätte.
Nur St. Paulianer, die sich selbst auf ihren Balkonen nicht mehr sicher fühlen konnten.
PS: Und hier noch ein paar Argumente, wieso man auch Nazis und anderen Minderheiten Gewaltausübung zugestehen müsste.
PPS vom 31. Dezember 2013: Ein Spiegel-online-Artikel, der die Konfliktlinien sachlich beschreibt und einstuft: http://bit.ly/1kYsgxt
20 Dezember 2013
Cezary und Brutus
Eigentlich wollte ich bei den Hamburger Wasserwerken am Ballindamm nur eine Probenflasche zum Testen unserer Bleiwerte abholen, aber um die Ecke liegt nun mal eine Saturn-Filiale.
Nach Hause kam ich demzufolge nicht nur mit der Probenflasche von Hamburg Wasser, sondern auch mit einem 47PFL7008K/12. Das ist ein 3D-Fernseher.
Was hier beim Darniederschreiben so unverhofft und plötzlich klingt, war allerdings das spontane grande Finale eines über Monate gereiften Entscheidungsprozesses. Der alte Plasmatrumm zu Hause tat’s schon länger nicht mehr richtig; außerdem verantwortete er gefühlte acht Prozent des jährlichen deutschen Energieverbrauchs. Anders gesagt: Eine Heizung brauchten wir im Wohnzimmer eigentlich nicht mehr, wenn der Plasma rötelte.
Jetzt stand ich jedenfalls unversehens mit einem 47PFL7008K/12 vorm Lager von Saturn und wartete auf das Taxi, das ihn und mich nach St. Pauli karren sollte. Ihm entstieg – nach 20 statt der telefonisch angekündigten sieben Minuten – ein grauhaariger Pole mit Schnauzer und dem kaiserlichen Namen Cezary, der mich nach dem Hineinwuchten des 47PFL7008K/12 umstandslos über die Dummheit der Leute im Advent aufklärte.
„Läutä sind dumm“, kommentierte er mit großer Ernsthaftigkeit das Wuseln und Treiben da draußen, „jäddes Jahr Gleiche! Jäddes Jahr!“ Stumm nickte ich, während ich verstohlen das Taxameter im Auge behielt. „Helfen Sie mir für einen Fünfer extra den Fernseher in den zweiten Stock tragen?“, fragte ich ihn vorm Haus.
Ich hatte mit einem dank zusätzlicher Verdienstaussichten freudigen Aufblitzen in Cezarys Augen gerechnet, doch sie wurden skeptisch und schmal. „Nur mit Pausän“, grummelte er. „Klar“, versicherte ich. „Aber Sie müssen auch nicht.“ „Doch, ist ägal“, winkte er unwirsch ab und schälte sich aus dem Wagen.
So richtig gut beeinander wirkte er in der Tat nicht mehr. Der sitzende Beruf und generell zu wenig Bewegung, deren fatalen Effekt auf seinen Energiehaushalt er augenscheinlich mit zu vielen Pirogi zu potenzieren versucht hatte – all das führte dazu, dass Cezary über Gebühr ächzte beim Weg nach oben.
Und als auf der vorletzten Stufe der 47PFL7008K/12 auch noch durch den Karton brach, weil das verfluchte Saturn ihn auf der Unterseite nur liederlichst verklebt hatte, und wir das Gerät im letzten Moment mit vereinten Kräften vorm Absturz durchs Treppenhaus bewahren mussten, da spürte ich, wie Cezary nicht nur mich, sondern auch den Fünfer verfluchte, den er so leichtfertig angenommen hatte.
Mein Dank, der ihm treppab folgte, war deshalb weniger überschwänglich als schamgeschwängert, zumal ich sein Keuchen und Röcheln noch eine ganze Weile verebbend mitanhören musste. Nicht, dass ich ungewollt noch zu Cezarys Brutus werde.
Der 47PFL7008K/12 jedenfalls hat alles unbeschadet überstanden. Ich sollte einen Teil der Anschaffungskosten auf Hamburg Wasser abwälzen. Mal schauen, wie wohlwollend sie dieser Idee gegenüberstehen, wenn ich morgen die Probe abgebe. Scherz!
Nach Hause kam ich demzufolge nicht nur mit der Probenflasche von Hamburg Wasser, sondern auch mit einem 47PFL7008K/12. Das ist ein 3D-Fernseher.
Was hier beim Darniederschreiben so unverhofft und plötzlich klingt, war allerdings das spontane grande Finale eines über Monate gereiften Entscheidungsprozesses. Der alte Plasmatrumm zu Hause tat’s schon länger nicht mehr richtig; außerdem verantwortete er gefühlte acht Prozent des jährlichen deutschen Energieverbrauchs. Anders gesagt: Eine Heizung brauchten wir im Wohnzimmer eigentlich nicht mehr, wenn der Plasma rötelte.
Jetzt stand ich jedenfalls unversehens mit einem 47PFL7008K/12 vorm Lager von Saturn und wartete auf das Taxi, das ihn und mich nach St. Pauli karren sollte. Ihm entstieg – nach 20 statt der telefonisch angekündigten sieben Minuten – ein grauhaariger Pole mit Schnauzer und dem kaiserlichen Namen Cezary, der mich nach dem Hineinwuchten des 47PFL7008K/12 umstandslos über die Dummheit der Leute im Advent aufklärte.
„Läutä sind dumm“, kommentierte er mit großer Ernsthaftigkeit das Wuseln und Treiben da draußen, „jäddes Jahr Gleiche! Jäddes Jahr!“ Stumm nickte ich, während ich verstohlen das Taxameter im Auge behielt. „Helfen Sie mir für einen Fünfer extra den Fernseher in den zweiten Stock tragen?“, fragte ich ihn vorm Haus.
Ich hatte mit einem dank zusätzlicher Verdienstaussichten freudigen Aufblitzen in Cezarys Augen gerechnet, doch sie wurden skeptisch und schmal. „Nur mit Pausän“, grummelte er. „Klar“, versicherte ich. „Aber Sie müssen auch nicht.“ „Doch, ist ägal“, winkte er unwirsch ab und schälte sich aus dem Wagen.
So richtig gut beeinander wirkte er in der Tat nicht mehr. Der sitzende Beruf und generell zu wenig Bewegung, deren fatalen Effekt auf seinen Energiehaushalt er augenscheinlich mit zu vielen Pirogi zu potenzieren versucht hatte – all das führte dazu, dass Cezary über Gebühr ächzte beim Weg nach oben.
Und als auf der vorletzten Stufe der 47PFL7008K/12 auch noch durch den Karton brach, weil das verfluchte Saturn ihn auf der Unterseite nur liederlichst verklebt hatte, und wir das Gerät im letzten Moment mit vereinten Kräften vorm Absturz durchs Treppenhaus bewahren mussten, da spürte ich, wie Cezary nicht nur mich, sondern auch den Fünfer verfluchte, den er so leichtfertig angenommen hatte.
Mein Dank, der ihm treppab folgte, war deshalb weniger überschwänglich als schamgeschwängert, zumal ich sein Keuchen und Röcheln noch eine ganze Weile verebbend mitanhören musste. Nicht, dass ich ungewollt noch zu Cezarys Brutus werde.
Der 47PFL7008K/12 jedenfalls hat alles unbeschadet überstanden. Ich sollte einen Teil der Anschaffungskosten auf Hamburg Wasser abwälzen. Mal schauen, wie wohlwollend sie dieser Idee gegenüberstehen, wenn ich morgen die Probe abgebe. Scherz!
15 Dezember 2013
Das Blaue vom Himmel
Des Franken neue Freundin zieht es unverständlicherweise zu ihm in den Norden. Also brauchte er Leute, die beim Umzug helfen.
Kramer und ich waren leider nicht schnell genug auf den Bäumen, also wurden wir vom Fleck weg dienstverpflichtet. Um die trübe Lage zu beschönigen, versprach uns der Franke das Blaue vom Himmel herunter, nämlich:
1. selbstgemachte Frikadellen à la Schömel, die in Form und Größe in die Hand passen wie die Brüste einer Frau
2. trockenes Wetter
3. eine pipisimple Einlagerung des Krimskrams per Aufzug
Statt aufs Blaue vom Himmel lief es am Ende aber – wie natürlich a priori abzusehen – volle Lotte aufs Graue vom Toten Meer hinaus:
1. Chili con Carne
2. Nieselnässe
3. vielfaches Besteigen eines vierstöckigen Treppenhauses
4. Muskelkater am Tag danach
Immerhin mundete das Chili con Carne vorzüglich, und an sedierendem Abschlussbier ließ es der Franke ethnisch bedingt ebenfalls nicht mangeln. Auch der Zwischengang vorm Umzug (Weißwürste mit Brezen und Händlmaiers süßem Senf) schien zunächst zu seinen Gunsten zu sprechen, doch zu diesem Zeitpunkt wussten wir auch noch nichts von den vier Stockwerken.
Beim nächsten Mal hab ich a priori Rücken, aber so was von.
PS: Das abgebildete Sofa dient nur der beispielhaften Illustration. Jenes, das wir transportieren mussten, war in erheblich desolaterem Zustand – ein Anblick, den ich Ihnen allen nicht zumuten wollte.
Kramer und ich waren leider nicht schnell genug auf den Bäumen, also wurden wir vom Fleck weg dienstverpflichtet. Um die trübe Lage zu beschönigen, versprach uns der Franke das Blaue vom Himmel herunter, nämlich:
1. selbstgemachte Frikadellen à la Schömel, die in Form und Größe in die Hand passen wie die Brüste einer Frau
2. trockenes Wetter
3. eine pipisimple Einlagerung des Krimskrams per Aufzug
Statt aufs Blaue vom Himmel lief es am Ende aber – wie natürlich a priori abzusehen – volle Lotte aufs Graue vom Toten Meer hinaus:
1. Chili con Carne
2. Nieselnässe
3. vielfaches Besteigen eines vierstöckigen Treppenhauses
4. Muskelkater am Tag danach
Immerhin mundete das Chili con Carne vorzüglich, und an sedierendem Abschlussbier ließ es der Franke ethnisch bedingt ebenfalls nicht mangeln. Auch der Zwischengang vorm Umzug (Weißwürste mit Brezen und Händlmaiers süßem Senf) schien zunächst zu seinen Gunsten zu sprechen, doch zu diesem Zeitpunkt wussten wir auch noch nichts von den vier Stockwerken.
Beim nächsten Mal hab ich a priori Rücken, aber so was von.
PS: Das abgebildete Sofa dient nur der beispielhaften Illustration. Jenes, das wir transportieren mussten, war in erheblich desolaterem Zustand – ein Anblick, den ich Ihnen allen nicht zumuten wollte.
11 Dezember 2013
Pareidolie (69–73)
Costa Pacifica, Deck 3
Sankt Pauli, Schlachthofflohmarkt
PS: Eine ganze Pareidoliegalerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
07 Dezember 2013
Ein Jahr an Krückenstöcken
Käpt’n Angelo Basilikos sitzt bei null Grad Außentemperatur Beim Grünen Jäger und versucht seine Finger an den eisigen Stahlsaiten seiner Bouzouki warmzuspielen. Das klappt natürlich nicht, und deshalb will er auch gleich den Betrieb einstellen.
Vorher aber gestattet der altehrwürdige Grieche mir noch mitzufilmen (s. unten), wie er den Pavarottis gibt. „Meine Stimme hat neun Oktaven!“, behauptet er kühn und nicht ohne Stolz. Nun, das wären ungefähr dreimal so viele wie Mariah Carey, aber Käpt’n Angelo hat ja auch ein paar Jährchen länger geübt.
Seit 40 Jahren lebt er auf dem Kiez, „habe Kinder gemacht auch“; ein alter Seebär, den es in seiner Jugend nach San Francisco verschlagen hatte, weshalb er nach seiner Rückkehr nach Athen, wo er mit einer Sängerin und Orchester in Musikclubs auftrat, als „der Amerikaner“ galt.
Zuletzt aber lief es echt schlecht. „Ich habe ein Jahr an Krückenstöcke gelebt“, erzählt Käpt’n Angelo zwischen zwei Songs in seinem wunderbar griechisch gefärbten Baritondeutsch, das ihm jederzeit einen Radiojob verschaffen dürfte, wenn es ihm doch mal zu kalt wird für Straßenmusik.
Schuld an des Käpt’ns Krückenstöckenjahr war ein Unfall, der ihn alles kostete: seine Frau und die beiden Kneipen, die er auf dem Kiez mal führte, wie er erzählt. Eigentlich ein super Grund, um sich willenlos der Altersdepression hinzugeben, doch an so was hat ein Käpt’n Angelo keinerlei Interesse.
Stattdessen blitzen seine 71-jährigen Kapitänsäuglein vor Freude, wenn er über sein bewegtes Leben erzählt, bei null Grad Außentemperatur die Finger an den eisigen Stahlsaiten seiner Bouzouki warmzuspielen versucht und vergnügt den Pavarottis gibt.
Wegen solcher Typen liebe ich St. Pauli. Sie wiegen tausend Eckenpinkler auf.
Na gut: 500.
04 Dezember 2013
Es war echt subber
Nach fast 3.500 Seemeilen – das ist ein Sechstel des Erdumfangs – sind wir zurück von der Schiffsreise, und Hamburg feiert dieses Ereignis standesgemäß: mit Orkan und Sturmflut. Wir fühlen uns geschmeichelt – aber auch ein wenig fröstelig.
Vergangene Woche noch schwitzten wir bei 29 Grad am Rand der Negevwüste, jetzt glaubt der Kiez uns mit Nieselregen nahe null bezirzen zu können. Aber das funktioniert nicht, Kiez! Immerhin bleiben uns schöne Erinnerungen, die uns niemand mehr nehmen kann. Zum Beispiel unser Vierertisch beim Abendessen.
Unsere kleine Runde nämlich wurde von einem wunderbaren älteren Ehepaar komplettiert, das ausgerechnet woher kam? Aus FRANKEN! Die beiden aus einem Dörfchen nahe Schweinfurt unterhielten uns knapp zwei Wochen lang mit Anekdoten und Tragödien, mit Wärme, Witz und Bratenrezepten; es war das reinste Vergnügen. Und beim Abschied fanden die beiden uns ebenfalls „Subber! Gans subber!“
In Izmir erstaunte uns die geringe Kopftuchquote, die uns niedriger schien als in Hamburg; für Erdogan gibt es also noch viel zu tun. Ein Händler in der Altstadt rief uns zu: „Wir habbe eine Lade mit Originalkopie! Lederjacke, alles!“ So wird das schon rein urheberrechtlich schwer mit dem EU-Beitritt, liebe Izmirer, Ankararer etc.
In Athen hatte es am Tag vor unserem Besuch geschüttet wie verrückt, Land und Luft waren blitzeblankgespült, und somit erblickten wir von der Akropolis aus etwas, was man sonst von dort aus niemals sieht: Athen!
In Rom war es so unglaublich kalt (16 Grad!), dass die Gladiatorendarsteller vorm Kolosseum Socken trugen. „Wenigstens schwarze“, versuchte Ms. Columbo das empörend Unhistorische dieser Situation zu beschönigen. In einer Kaffeebar dort tranken wir den teuersten Espresso unseres Lebens (3,30 Euro für eine extrakleine Pfütze) und versuchten uns zu rächen, indem wir keinen Cent Trinkgeld gaben, aber es wollte sich keinerlei Genugtuung einstellen.
In Jerusalem focht ich einen zähen Kampf mit einem Busfahrer aus. Er fuhr die Klimaanlage trotz meiner Interventionen immer wieder auf eisige 18 Grad runter, was eine deutlich zu große Differenz zu den tropischen Außentemperaturen darstellte, als dass ich mir keine Klimaanlagenerkältung hätte zuziehen können. Und so kam es, wie es kommen musste: Erst musste ich mich dem Busfahrer beugen und bereits am nächsten Tag dem Schnupfen.
Tja, und in Tel Aviv schwebte ein Baum in der Luft.
01 Dezember 2013
Todsünde Toast Hawaii
Oh Mann, wer hätte gedacht, dass ich mitten im Garten Gethsemane, wo Judas Jesus einst den römischen Häschern auslieferte, an die Reeperbahn erinnert werde …?!
In Gethsemane jedenfalls ist noch mehr verboten als auf dem Kiez, sogar Essen, Rauchen, Gassigehen, Sommerkleidung und Fahrradfahren. Dafür stuft man – im Gegensatz zu St. Pauli – Messer, Baseballschläger und Pfefferspray offensichtlich als unbedenklich ein.
Israel ist sowieso reich an Kuriosiäten, vor allem kulinarisch. An Meeresgetier zum Beispiel wird nur das verzehrt, was Schuppen hat. Ein Riesenglücksfall für Krabben, Hummer, Tintenfische oder Aale. An Landtieren hingegen kommt dem Israeli nur das auf den Tisch, was wiederkäut. Alle anderen haben Schwein gehabt.
Niemals dürfen zudem Milch- und Fleischprodukte zusammen gegessen werden. Ein Käse-Schinken-Sandwich? Der Horror! In israelischen McDonald’s-Filialen gibt es selbstverständlich keine Cheeseburger. Somit darf auch die vielköpfige Zielgruppe der Orthodoxen dort essen – weil sie sicher sein kann, kein Besteck vorgesetzt zu bekommen, das irgendwann mal mit Milch UND Fleisch in Berührung gekommen ist. Das wäre dann nämlich nicht mehr koscher, und eine Nutzung würde ihr ewiges Seelenheil gefährden.
Diese Verzehrvorschriften sind durchaus nicht nur unter gläubigen Juden verbreitet, sondern gleichsam zur allgemeinen Esskultur geworden.
Wenn sich also am Ende aller Tage herausstellen sollte, dass dummerweise doch der Gott der Juden der einzig wahre war, dann sind alle am Arsch, die mal einen Toast Hawaii gegessen haben. Willkommen im Club, meine Lieben.
Und damit zurück ins gute, alte Europa.
In Gethsemane jedenfalls ist noch mehr verboten als auf dem Kiez, sogar Essen, Rauchen, Gassigehen, Sommerkleidung und Fahrradfahren. Dafür stuft man – im Gegensatz zu St. Pauli – Messer, Baseballschläger und Pfefferspray offensichtlich als unbedenklich ein.
Israel ist sowieso reich an Kuriosiäten, vor allem kulinarisch. An Meeresgetier zum Beispiel wird nur das verzehrt, was Schuppen hat. Ein Riesenglücksfall für Krabben, Hummer, Tintenfische oder Aale. An Landtieren hingegen kommt dem Israeli nur das auf den Tisch, was wiederkäut. Alle anderen haben Schwein gehabt.
Niemals dürfen zudem Milch- und Fleischprodukte zusammen gegessen werden. Ein Käse-Schinken-Sandwich? Der Horror! In israelischen McDonald’s-Filialen gibt es selbstverständlich keine Cheeseburger. Somit darf auch die vielköpfige Zielgruppe der Orthodoxen dort essen – weil sie sicher sein kann, kein Besteck vorgesetzt zu bekommen, das irgendwann mal mit Milch UND Fleisch in Berührung gekommen ist. Das wäre dann nämlich nicht mehr koscher, und eine Nutzung würde ihr ewiges Seelenheil gefährden.
Diese Verzehrvorschriften sind durchaus nicht nur unter gläubigen Juden verbreitet, sondern gleichsam zur allgemeinen Esskultur geworden.
Wenn sich also am Ende aller Tage herausstellen sollte, dass dummerweise doch der Gott der Juden der einzig wahre war, dann sind alle am Arsch, die mal einen Toast Hawaii gegessen haben. Willkommen im Club, meine Lieben.
Und damit zurück ins gute, alte Europa.