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22 Januar 2012
Am nördlichen Weißwurstäquator
Zweimal im Jahr lädt der Franke in seine Butze nach Eimsbüttel, um eine ausgewählte magenstarke Klientel mit einer Fußballübertragung in HD und fränkischen Weißwürsten zu beglücken. Wir kommen vor allem wegen der Weißwürste, lassen den Franken aber im Glauben, es läge am HD.
Diesmal ist auch der Syrer dabei, der nicht nur FC-Bayern-Fan und davon überzeugt ist, dank transzendentaler Meditation irgendwann fliegen zu können („Ich bin halt noch nicht so weit!“), sondern auch Weißwürste für ein Werk des Teufels hält.
Übrigens denkt er das erstaunlicherweise nicht über harte Alkoholika, die einem – in ausreichender Quantität inkorporiert – das Hirn wegpusten, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls bekaut der Syrer statt Weißwürsten munter wurstförmigen Seitan, lehnt aber gleichwohl unser Mitleid schroff ab.
Die Weißwürste, an denen wir anderen vier Esser uns wohlig laben, sind übrigens erstaunlicherweise original hamburgischer Herkunft – eine Tatsache, welche die drunten auf der heimischen Krume verbliebene Schwester des Franken telefonisch scharf missbilligt.
Er aber kann mit dem deutschen Meistertitel der liefernden Metzgerei Rose kontern. Bei diesem Wettbewerb schlug die Metzgerei Rose alle anderen angereisten Weißwürste souverän aus dem Rennen, auch und zuvörderst fränkische.
Die Schwester soll diese Botschaft stark getroffen und sich daraufhin, so rekapituliert es der Franke, auf die als Beilage gereichten Brezeln eingeschossen haben, die in Hamburg mit Sicherheit nur „labberich und schmierich“ geraten könnten. Und diese Mutmaßung konnten wir offen gesagt voll und ganz verifizieren.
Zurück zu den Weißwürsten, genauer gesagt: zur Technik der Verzehrvorbereitung. Ich dachte immer, ich zutzelte sie ordnungsgemäß, doch sowohl der Franke als auch der süddeutschlanderfahrene A. verlachten mein eifriges Tun als simples Pellen.
Dass ich offenkundig das liebreizende Verb „zutzeln“ (welches meine automatische Rechtschreibkorrektur verzweifelt in „hutzeln“ umzuschreiben versucht) semantisch seit Jahren missgedeutet habe, schlug mir eine tiefe Wunde, die zum Glück durch die ganzen Gladbacher Tore gegen den FC Bayern wieder vollends geheilt werden konnte.
Dem Franken und dem Syrer ging es übrigens genau umgekehrt.
Esst ihr traditionell auch süßen Senf zu den Weißwürsten?
AntwortenLöschenUnd das Bier auch schön aus einem Humpen?
Und wo kommen denn nun die Brezen her, wenn die hamburgerischen zu lapprig sind?
Roses Weißwurst mit Händlmaiers Hausmachersenf selbstverständlich, da erblassen die Bayern vor Neid. Zuzeln (ohne t) ist übrigens selbst in Bayern nicht die beliebteste Art des Weißwurstverzehrs, wenn man nicht grad in einer Dorfkneipe sitzt, dann sieht man auch da unten die meisten mit dem Besteck ihre Weißwurst pellen.
AntwortenLöschenO Mann, jetzt habe ich das Wort nicht nur die ganze Zeit missverstanden, sondern auch falsch geschrieben … Dieses Wochenende ist nicht mehr zu retten.
AntwortenLöschenSüßen Senf gab es selbstverständlich dazu; die Marke ist mir aber nicht mehr präsent. Beim nächsten Mal stecken wir die Brezen vorher noch mal in den Backofen.
Nach mehreren Testläufen schlagen die Weisswürste von Metzgerei Peter Raabe aus Pinneberg die Rose'schen.
AntwortenLöschenWobei auch in unserem Hause aus logistischen Gründen öfters Letztere zum Zuge kommen.
Beim Senf sei eindringlichst der Händlmeier zu empfehlen.
Für Tipps in Sachen Brezn für den Hamburger Raum wäre ich ebenfalls sehr dankbar. Hier konnte ich noch keinen Bäcker mein volles Vertrauen schenken.
Etwas verwundert bin ich allerdings über die Vorliebe des Franken für diese bayrische Speise - da doch Franken geographisch nördlich des Weisswurstäquators liegt... und die Franken im Allgemeinen auf einer Differenzierung zu den Bayern bestehen (wie z.B. hier http://www.franken-sind-keine-baiern.de/ zu erkennen ist).
Auch ein kürzlicher Rechtstreit zwischen Vertretern dieser Volksgruppen bzgl. der "ältesten Bratwurst" macht deutlich, dass hier in Sachen Wurst nicht alles Wurst ist ;-)
Ich liebe deine Texte. Musste jetzt mal raus, wirklich.
AntwortenLöschenBezüglich des Themas kann ich leider wenig beisteuern. :-) Das ist vielleicht aber auch damit entschuldigt, dass ich sogar noch weiter nördlich wohne (Flensburg halt) und daher höchstens Geschichten über die Dänischen Rothautwürstchen ("Polser") zum Besten geben könnte.
Hey, ist es nicht merkwürdig, dass Wurst, ob nun weiß oder rot, im Allgemeinen unglaublich viel Schreib-Stoff bietet? Das war mir vor dem Lesen deines Artikels nie so bewusst. ;-)
Liebe Grüße!
Die "drunten auf der heimischen Krume verbliebene Schwester" ... ich schließe mich an. Ich mag, wie du schreibst! Sehr. Und ganz unter uns: Weißwürste sind so gar nicht fränkisch. Aber den Franken muss das ja nicht stören!
AntwortenLöschenWahrscheinlich imaginiert der Franke immer noch das fränkische Reich in den Grenzen von 806, und das schloss eindeutig Bayern mit ein. Jetzt muss es damals nur bereits Weißwürste gegeben haben – und bingo.
AntwortenLöschenKaum schreiben Sie was über Bayern, schon geht das Geduze wieder los. Ich bin sicher, da gibt es einen Zusammenhang!
AntwortenLöschen(Was ich eigentlich sagen wollte: Wie froh bin ich, daß ich soeben von der Existenz Herrn Roses erfuhr. Bisher kaufte ich Weißwürste in der Metro ein, weil ich keine Alternativen kannte. Was freu ich mich auf das erste Weißwurstfrühstück mit so richtig frischem Zeuchs!)
Was mich vor allem verwundert: Ist es nicht ein Sakrileg, Weißwürste zu essen, pellen oder zuzeln, nachdem die Uhr Mittag geschlagen hat? Oder habe ich da auch wieder etwas falsch verstanden?
AntwortenLöschenKeine Ahnung. Und wenn, dann verletzt es höchstens Tabus à la „No brown when in town“ oder „Kein Bier vor Sonnenuntergang“. Will sagen: Wirklich freie Menschen essen Weißwürste zu jeder Tages- und Nachtzeit.
AntwortenLöschensoso und wozu musste dann in den 800 (und 'n paar zerzutzelte)Jahren noch eine Rostbratwurt erfunden werden?
AntwortenLöschenMusste ja gar nicht. Wurde aber. Ähnlich wie das Tamagotchi.
AntwortenLöschensehr guter Beitrag
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