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15 November 2011
Sprechdurchfall ist wohl nicht strafbar
Es war schon eine ganze Ecke nach Mitternacht, die Straßenlampen tünchten die Seilerstraße ins allnächtliche matschiggelbe Licht, als von draußen wieder einmal Lärm jenes Zuschnitts erscholl, der mich bewog, seufzend ans Fenster zu treten.
Verantwortlich für die sonische Belästigung war eine Männerstimme, und zwar ganz allein. Der Mann stand gegenüber am Straßenrand, er laberte und salbaderte, gestikulierte und barmte, schimpfte, schrie und zeterte.
Man kann ohne Übertreibung sagen: Der Mann regte sich kapital auf, ab und wieder auf – und hatte dabei wahrscheinlich das dankbarste Publikum seiner bisherigen Karriere als Straßenrethoriker: ein halbes Dutzend Kiezpolizisten.
Das Auditorium stand im Halbkreis um ihn herum und lauschte aufmerksam. Fünf Minuten, zehn Minuten, eine Viertelstunde. Doch was das alles sollte, worum es ging, was des Mannes erstaunlich dauerhaften Adrenalinerguss ausgelöst hatte und somit einen Solovortrag von geradezu kinskiesker Wucht und Epik am Laufen hielt: Das erschloss sich mir auch nach 25 Minuten noch nicht.
Gerade die aus meiner Laiensicht drei opportunsten Optionen – a) verhaften, b) verschwinden oder c) auch mal was sagen, irgendwas – schien die Schmier nicht im geringsten zu erwägen.
Nach ungefähr einer halben Stunde Zeugenschaft ungebremsten Gestikulier- und Sprechdurchfalls wurde mir das Balkonkino allmählich langweilig; schließlich bin ich aus der Vergangenheit erheblich mehr Action gewohnt, und auch „mein Fass hat Grenzen“ (Stromberg).
Heute morgen, als ich noch halb schlaftrunken wieder ans Wohnzimmerfenster trat und den trüben Blick über die Seilerstraße schweifen ließ, waren alle Protagonisten spurlos verschwunden.
Ich war fast ein bisschen überrascht.
War doch zwischendurch Schichtwechsel.
AntwortenLöschenDas ist es, genau!
AntwortenLöschenSeufzend? *g* Insgeheim sind Sie doch dankbar, auf der Rückseite der Reeperbahn ist wenigstens immer was los. Außer den Laubgebläseterroristen stört mich hier normalerweise nix, und nicht mal auf die ist Verlass.
AntwortenLöschenBei mir am bzw. auf dem S-Bahnhof gibt es auch so einen Mann: vmtl. 40 bis 50 Jahre, vmtl. Alkoholiker, möglicherweise obdachlos. Der schreit in einer Lautstärke herum, daß alle ringsherum zusammenfahren, und erzählt (wem??) irgendwelches Zeug, das keiner versteht und niemanden ernstlich interessiert. Ich vermute da irgendeine Krankheit.
AntwortenLöschenDenn reden mit sich selbst tun ja etliche Leute, das finde ich auch nicht sonderlich schlimm. Aber wer das mit einer militärischen Lautstärke tut, wird dann doch langsam zu einem Störfaktor (ob er das nun will oder nicht).
Ich finde diese Polizisten doch sehr sympatisch. Vermutlich hört diesem Herrn sonst niemand zu. Da ist es nur recht und anständig (und sehr menschlich), dass es die Polizisten taten. Und der um seinen Schlaf gebrachte Mitbürger? Pfff.
AntwortenLöschenWer wird denn so ueberheblich sein zu glauben dass, nur weil Herr Matt den Vortrag nicht verstanden hat, alle anderen ihn auch nicht verstanden haben. Vielleicht war das eine - Einsatzbesprechung! Jawohl, der Herr in der Mitte, aus Observationsgruenden noch in ziviler Tarnung, instruierte die atemlos lauschenden Schutzpolizisten bezueglich eines bevorstehenden Zugriffs. So wirds gewesen sein. Eindeutiges Indiz: der zweite Polizist von rechts macht sich EINDEUTIG Notizen. Zu Gunsten des Herrn Matt kann man ja gnaedig davon ausgehen dass sich der Einsatzleiter einer sich fuer uns Laien nicht erschliessenden Fachsprache bedient hat. Gerade um nicht legitimierte Zuhoerer nicht einzuweihen.
AntwortenLöschenKeine schlechte Theorie. Einmal allerdings trat der weite Uniformierte von rechts kurz bedrohlich auf den Zeterer zu. Das hätte er sich im Fall, dass Sie Recht haben, kaum geleistet; schließlich will er noch Hauptoberkommissar werden.
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