Es begann alles mit einem spontanen Scherz in der Küche. Ms. Columbo hatte eine Packung Alufolie aus der Einkaufstasche geholt, und ich fragte sie: „Hast du auch aufs Mindesthaltbarkeitsdatum geachtet?“ Ihr baffer Blick, ehe sie mich pantomimisch mit der Rolle verprügelte: einfach unbezahlbar.
Daraus entwickelte ich die ebenso bescheuerte wie vermeintlich interessante Idee, das Mindesthaltbarkeitsproblem von Alufolie doch einmal vor Ort zu thematisieren, nämlich bei den Einzelhandelsketten.
Also schrieb ich an PENNY, REWE, EDEKA, toom und Lidl folgende Mail (wobei ich die Verortung der jeweiligen Filiale natürlich an die Realität anpasste):
Sehr geehrte Damen und Herren,
unlängst kaufte ich in Ihrer Filiale an der Reeperbahn in Hamburg eine Packung Alufolie. Als ich sie nach einigen Tagen benutzen wollte, musste ich zu meiner Bestürzung feststellen, dass das Haltbarkeitsdatum schon seit Monaten abgelaufen war.
Jetzt wüsste ich gerne, wie wir die Sache regeln können. Ich bin an einer gütlichen Einigung interessiert. Den Kassenzettel habe ich allerdings inzwischen nicht mehr.
Für konstruktive Vorschläge bin ich dankbar.
Mit besten Grüßen
Matt
Als erstes rührte sich REWE, und zwar noch am selben Tag:
Sehr geehrter Herr Wagner,
in Beantwortung Ihrer E-Mail teilen wir Ihnen mit, dass es bei "Alufolie" kein Mindesthaltbarkeitsdatum gibt - es ist doch kein Lebensmittel.
Die auf der Verpackung aufgedruckte Nummer ist eine Seriennummer.
Mit freundlichen Grüßen
Barbara B.
REWE Kundenservice
Barbara B. legt zwar sehr bürokratenmäßig los („in Beantwortung Ihrer Mail“), doch dann wird sie gestochen präzise. Vor allem zweierlei erfreute mich an dieser Mail: zum einen die Tüdelchen, mit denen sich REWE von seiner Alufolie distanziert, zum anderen die gegenüber einem Rumpeldenker wie mir angemessene Schnippischkeit im Ton: „es ist doch kein Lebensmittel“ … Ein angefügtes Ausrufezeichen hätte indes die pädagogische Attitüde noch deutlicher unterstrichen. Da könnte Barbara B. noch an sich arbeiten.
Nur wenige Stunden später schlug EDEKA im Posteingang auf:
Sehr geehrter Herr Wagner,
danke schön für Ihre Mitteilung zu der Alufolie.
Alufolie hat kein Mindesthaltbarkeitsdatum. Bei dem auf der Verpackung aufgedruckten Datum handelt es sich um das Produktionsdatum. Sie können die Alufolie also ohne Bedenken verwenden.
Bitte wenden Sie sich mit Fragen und Anregungen gerne wieder an uns. Sie erreichen uns von Montag bis Samstag zwischen 8 und 20 Uhr unter 01803 333 520.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr EDEKA Kundenservice
Da ging mir natürlich das Herz auf. Schon das einleitende „danke schön“ ist ein emotionaler Volltreffer, und in der Folge vermeidet es das sensible EDEKA sorgsam, mir und meiner offenkundigen geistigen Armut zu nahe zu treten. Sachlich werden die Fakten genannt, man tätschelt mir beruhigend die Schultern und freut sich auf weiteren Kontakt. Kurz: EDEKAs Schreiben ist – trotz einer gewissen Unpersönlichkeit dank der fehlenden Unterschrift – eine mailgewordene Kuschelecke.
Fünf Tage zogen ins Land, ehe sich an der Alufolienfront wieder etwas tat. Lidl war dran:
Sehr geehrter Herr Wagner,
der Artikel Alufolie besitzt grundsätzlich kein Mindesthaltbarkeitsdatum.
Je nach Lieferant kann die Ware mit einem Produktionsdatum versehen sein, damit im Falle von möglichen Mängeln eine Nachvollziehbarkeit der Produktionslinie gewährleistet ist.
Die derzeit in unserem Markt befindliche Ware ist aber mit keinem Datum versehen. Sollten Ihrerseits noch Fragen bestehen, wenden Sie sich sonst gerne direkt mit der Verpackung an die Filiale.
Wir hoffen Ihnen hiermit geholfen zu haben und Sie weiterhin als Kunden bei uns begrüßen zu dürfen.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Julia K.
Sekretariat Vertrieb
Ein tadelloser Brief, wenngleich mit schlingernder Interpunktion. Meine Sorge wird aufgegriffen, aber zerstreut. Lidls Sorge hingegen, mich trotz meiner Selbstenttarnung als Denkschnecke durch diese leidige Affäre vielleicht als Kunden zu verlieren, wird geschickt verpackt in die ausgangs formulierte Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen. Gut gelöst, Lidl, aber langsam wie eine Wanderdüne. Zum Ausgleich erhielt ich diese Mail zweimal innerhalb von 17 Minuten, und zwar von verschiedenen Absendern.
Auf Rang 4 landete – sechs Tage nach Eingang meiner Mail – der toom-Markt. Er schrieb Folgendes:
Guten Tag Herr Wagner,
vielen Dank für Ihre Mitteilung an unser Haus. Dem Thema Haltbarkeitsdatum von Alufolie haben wir uns gerne angenommen und können Sie beruhigen und Ihnen versichern, dass es kein Mindesthaltbarkeitsdatum bei Alufolien gibt. Die verschiedenen Hersteller drucken zum Teil interne kodierte Produktionsnummern auf ihre Produkte und einige Hersteller versehen ihre Ware mit einem Produktionsdatum. Dieses wird wahrscheinlich bei der von Ihnen gekauften Alufolie der Fall sein. Also, es besteht kein Grund zur Sorge. Sollten Sie noch Fragen haben rufen Sie mich gerne an.
Mit freundlichen Grüßen
Lars R.
Marktmanager
toom Verbrauchermarkt
Bei toom fühle ich mich blendend aufgehoben. Gut, auch hier könnte man an der Kommasetzung noch schrauben, doch inhaltlich gibt es nichts zu mäkeln. toom signalisiert Recherchetiefe, zerstreut behutsam meine Ängste und hält mir, obwohl ich ganz offensichtlich plemplem bin, die Tür offen für Rückfragen; die Telefonnummer des Marktmanagers himself stand wirklich drunter.
PENNY gehört zwar zur REWE-Gruppe, was aber nicht heißt, dass sie sich um ihre Kunden nicht selbst kümmern können. Wenn auch mit Verzögerung, denn ich musste eine knappe Woche auf diese Antwort warten:
Sehr geehrter Herr Wagner,
es tut uns leid, dass Sie Grund zur Beanstandung hatten, umso mehr, da die Zufriedenheit der Kunden im Mittelpunkt unserer unternehmerischen Aktivität steht.
Wie Sie sicher verstehen, liegt es sehr in unserem Interesse, Ihrem Beschwerdegrund nachzugehen.
Da Alufolie kein Mindesthaltbarkeitsdatum haben dürfte, bitten wir Sie, uns die Umverpackung zur näheren Überprüfung zur Verfügung zu stellen und an folgende Adresse zu schicken:
PENNY Markt, Qualitätssicherung (…)
Die Portokosten werden wir Ihnen in Form eines Warengutscheins erstatten.
Sollten Sie die Verpackung bereits verworfen haben, geben Sie uns bitte eine kurze Rückinformation.
Für Ihre Unterstützung im Voraus vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Kundenservice - PENNY Markt
Nadine B.
PENNY geizt nun wirklich nicht mit Entgegenkommen; sie sollten sich in EURO umbenennen, haha … Bereits die defensive Formulierung, Alufolie „dürfte kein Mindesthaltbarkeitsdatum“ haben, kommt einem Volldeppen wie mir allerdings viel zu weit entgegen. Da lobe ich mir die taffe Barbara B.
Doch PENNY scheint wirklich ein wenig verunsichert zu sein. Der übliche Verweis auf das Produktionsdatum, welches ich wohl missgedeutet hätte, fehlt komplett; stattdessen will man dieser
Damit aber konnte ich leider nicht dienen. Denn ich hatte natürlich in keinem dieser Läden auch nur das kleinste Fitzelchen Alufolie gekauft. Eine geradezu mikroskopische Basis also für den längsten hiesigen Blogtext aller Zeiten – was leider auch für die Länge Ihrer beim Lesen verschwendeten Lebenszeit gilt, in der Sie viel sinnvollere Dinge hätten tun können.
Zum Beispiel die Welt retten.
Also, Herr Wagner, es ist keine Verschwendung von Lebenszeit. Was kann es sinnvolleres geben, als Ihre Blogeinträge zu lesen, sogleich sie auch noch so lange und lehrreich sind.
AntwortenLöschenDenn offensichtlich haben Sie in ein Wespennest gestochen und hier soll etwas vertuscht werden.
Siehe hierzu bei Google "1-39-208805 alufolie 2940g" und dann beim ersten Treffer unter "Mindesthaltbarkeit".
Ein neuer Lebensmittelskandal? Wickeln wir alle unsere Mittagsbrote in mutierte Lasagneplatten? Sind unsere Kaugummis in recycelten Raumanzügen verpackt?
Bitte machen Sie weiter mit Ihrem investigativen Journalismus und retten Sie auch zukünftig die Welt.
Intelligentia honoris causa aluminium est.
Lieber Herr Matt, dazu kann ich nur eines sagen: You made my day! :D
AntwortenLöschenTatsächlich ging ich heute lustlos zu meinem zweiten Arbeitstag dieses Jahres und dann DAS!
Jetzt habe ich wirklich Lust auf den Rest des Tages bekommen und werde es sicher nicht vermeiden können, jeden Gegenstand, den ich in meine Finger bekomme, nach seinem Haltbarkeitsdatum zu untersuchen.
„Sollten Sie noch Fragen haben rufen Sie mich gerne an.” – ich hasse diese bescheuerte Formulierung. Wieso sollten Sie den Herrn denn mit Freude anrufen? Er wollte doch sicher ausdrücken, daß es ihm nichts ausmache, wenn Sie ihn – in welcher Stimmung auch immer – anriefen, oder?
AntwortenLöschenIch bekomme täglich E-Mails mit dieser bescheuerten Formulierung, die mir befiehlt, wie ich mich zu fühlen habe, wenn ich mit jemandem Kontakt aufnehme. Und ich ärgere mich jedes einzelne Mal.
In der Zeit, in der ich Ihrer (hoffentlich nur gespielten) geistigen Umnachtung folgen durfte, war die Welt vor der gewaltigen Bedrohung durch mich sicher. Insofern war es für die Bevölkerung dieses Planeten ganz sicher nicht unnütz, das Sie sich so aufopfernd dem Bespaßen zukünftiger Diktatoren hingegeben haben.
AntwortenLöschenMuhahahahahaha.....
In dem Sinne..
Tom (Codename für was auch immer)
Danke für den 7.350-Zeichen-Schmunzler*!
AntwortenLöschen:^D)
*wieauchimmermandasschreibenmag
blogspargel, Ihr Hinweis auf eine in der Tat vorhandene Mindesthaltbarkeit von Alufolie ist im Sinne der Wahrheitsfindung immens wichtig. Dr. Oetker sollte meine Mail auch noch bekommen; mal schauen, was die mir antworten.
AntwortenLöschenLucky Jack, auch bei Gold und Silber lohnt die Recherche. Oder Plastiktüten.
GP, ich weiß gar nicht, was Sie haben. Gefiele Ihnen denn „Sollten Sie noch Fragen haben, so rufen Sie mich missmutig an?“ etwa besser? Sehen Sie.
Tom, danke für Ihre Analyse. In diesem Sinne (und ganz altruistisch) hoffe ich, Kim Yong Il und Kollegen lesen dieses Blog auch.
Das Haltbarkeitsdatum für diesen Blog scheint auch abgelaufen zu sein... ;-)))
AntwortenLöschenVerdammt, haben Sie mich schon wieder abgehalten die Welt zu retten. Naja, dann halt morgen...
AntwortenLöschenBeraternase, das bedeutet natürlich auch: Morgen gibt es keine Ausrede mehr. Na ja, wir alle werden es ja merken.
AntwortenLöschenAnonym 17:00: Dieses Blog hatte noch nie eins; das wäre der zuständigen Vergabestelle von Anfang an viel zu spekulativ erschienen.
Ich wollte mir die Zähne putzen gehen, stattdessen habe ich Ihren Blog aufgerufen. Aber schön, dass Sie sich für die vertane Lesezeit entschuldigen.
AntwortenLöschenIm Ernst - mich würde interessieren, ob Sie diese Mail mit ihrem Klarnamen an die einzelnen Filialen verfasst haben. Falls ja, Respekt vor Ihrem Mut.
Die besten Grüße zum neuen Jahr :-)
Warum nicht – meinen Sie, die schicken mir Ihre Hausdetektive mit Wachhunden auf den Hals?
AntwortenLöschenÜbrigens sollte man das Zähneputzen immer vorziehen.
Alufolien-Wallraff-Methoden-Meister:-)
AntwortenLöschenUnd als nächstes investigiere ich die geheime Endlagerung von Atommüll in der Herbertstraße – bleiben Sie dran!
AntwortenLöschenVerzeihen Sie, Herr Wagner. Ich erinnere jetzt, das es Ihnen noch nie wichtig war, ob die Grammatik Sinn macht.
AntwortenLöschenSie könne mich mal gern haben, Verehrtester!
AntwortenLöschenHab ich auch.
AntwortenLöschenAch, Sie mögen doch nur meine Milz …
AntwortenLöschenUnd Ihre Wohnung. Auf die spekuliere ich schon lange.
AntwortenLöschenUnd das von jemand, der an der Elbe wohnt – ich fühle mich bedroht … äh … geschmeichelt!
AntwortenLöschenIch brauch einfach einen Ort, die ganzen Leichen zu stapeln.
AntwortenLöschenDa lagern aber schon meine Plattensammlungen.
AntwortenLöschenDann nicht mehr.
AntwortenLöschenAber vielleicht finden wir ja einen Kompromiss. Man könnte zum Beispiel die Schuhsammlung von Ms. Columbo … nein, vergessen Sie’s.
AntwortenLöschenNa toll, Herr Matt.
AntwortenLöschenUnd nun haben die PennyReweLidlEdekas dieser Welt wieder einen Grund mehr, meinen Lieblingspudding um einen Cent teurer zu machen, da die Zahl der Mitarbeiter erhöht werden muss, die im Bereich Kundenbetreuung/Support/ CustomerSatisfaction arbeiten.
Danke.
Ich schicke Ihnen die Puddingrechnungen der nächsten Monate zu.
Gerne. Sie gestatten mir sicher, die entsprechende Differenz mit 1-Cent-Münzen zu begleichen. Die sammel ich nämlich.
AntwortenLöschenErinnert mich an Bornemanns "Briefmacken". Mein Lehrbuch zur Korrespondenz mit Firmen...
AntwortenLöschenhttp://www.amazon.de/Winfried-Bornemanns-Briefmacken-einmalige-Korrespondenz/dp/3771614309/ref=sr_1_3?ie=UTF8&qid=1318952825&sr=8-3