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03 Oktober 2010
Das Gute im Menschen
„Ein Euro vierzig“, sagt die Verkäuferin mit dem kurzen Zopf am Kopf. „Kann das stimmen?“, frage ich, „ich habe drei Quarkkornstangen.“ Und die sind nun mal viel teurer, weil glorios lecker.
Die Verkäuferin schaut irritiert aufs Display, hackt auf ihrer Kassentastatur herum, erfolglos, ruft dann nach einer Kollegin: „Ich brauch ’n Storno!“ Die Kollegin kommt, steckt den Stornoschlüssel rein, alles geht auf null, und am Ende steht da: 2,79 Euro. Damit kommen wir der Wahrheit über drei Quarkkornstangen schon erheblich näher.
Ich zahle, die Verkäuferin drückt mir wortlos die Quittung in die Hand, und ich denke: hmpf. Denn in mir war längst das seltsame Bedürfns gekeimt, für meine spontane Ehrlichkeit hochachtungsvoll gelobt zu werden. Auch ein kleiner Dank hätte mir geschmeichelt.
Aber in Wahrheit ist das Quatsch. Die Verkäuferin hat sich völlig richtig verhalten. Schließlich darf sie von mir als Akteur in einem funktionierenden Soziotop mit größter Selbstverständlichkeit erwarten, einen Fehler, der mir auffällt, anzusprechen – vor allem und gerade dann, wenn ich von ihm profitiere.
Schließlich hätte ich ja sicherlich auch dann nachgefragt (und zwar mit exakt den gleichen Worten), wenn sie mir versehentlich zu viel abgerechnet hätte. Gerade ihre stillschweigende Art, wie sie mit der Panne umging, war im Grunde ein Kompliment für mich. Weil sie damit nämlich en passant ein fundiert positives Menschenbild vermittelte – und mich liebenswerterweise darin einschloss.
Wäre die Verkäuferin stattdessen unter haltlosem Stammeln von Dankesbekundungen vor mir auf die Knie gefallen, um meine Schnürsenkel mit ihren Tränen zu benetzen, so müsste man sich viel eher Sorgen machen um unser aller Zusammenleben.
Obwohl die Vorstellung schon ihren Reiz hat, zugegeben.
Das wäre ein Rückfall in der Menschheitsgeschichte.
AntwortenLöschenEin Bonobo Weibchen gesteht Fehler ein, indem es
eine prädestinierte Körperhaltung ein nimmt und sein
Hinterteil handhabbar in die Höhe streckt.
In Ermangelung von Schnürsenkeln lediglich um
180° gedreht.
Also ein "Dankeschön" seitens der Verkäuferin hätte ich schon für richtig gehalten. Man bedankt sich ja (hoffentlich) auch dafür, wenn einem die Tür aufgehalten wird, was ebenfalls eine Selbstverständlichkeit des Zusammenlebens sein sollte. So etwas nennt sich positive Rückkopplung.
AntwortenLöschenDiese Art von Ehrlichkeit wird im allgemeinen mit dem Wort "bekloppt" zusammengafsst.
AntwortenLöschenDie Frage ob das stimmen kann ist doch einfach durch die Berechnung der Quersumme zu beantworten. Drei Irgendwas können niemals einen Preis haben dessen Quersumme nicht durch Drei teilbar ist.
1) ist es nicht ihr geld, du hast ihr keinen gefallen getan sondern extra-arbeit aufgebrummt
AntwortenLöschen2) zweitens sage ich auch bitte/danke wenn es sich nicht um aufsehenerregend super-soziales-boah-ey-verhalten handelt.
ergo: die frau ist eine frustrierte kassensklavin und du hast keine eier in der hose. sonst hättest du das fehlende danke angesprochen. ich hätte es getan, statt meine feigheit nachträglich mit pop-psych rational zu rechtfertigen
Vor ein paar Wochen habe ich auf dem Markt Knöpfe gekauft, sehr schöne aus Perlmutt, und sehr teure.
AntwortenLöschenDie Verkäuferin hat mir 10 Euro zuviel herausgegeben und ich habe sie ihr wieder in die Hand gedrückt.
Und was sagt die Frau in ihrem Schreck: Das hätte ich nie gemacht.Ich behalte das Geld immer.
Da ist mir Ihre schweigende Bäckereifachverkäuferin doch lieber.
@spiegelei:
AntwortenLöschenEs kann durchaus sein, dass es das Geld der Kassiererin ist. Ich hatte mal eine Freundin, die an der Kasse arbeitete. Die bekam kleine Differenzen in der Kasse vom Gehalt abgezogen. Als Ausgleich für kleine Fehler, die mal passieren können, gab es 40 Euro Mankogeld im Monat. War die Differenz kleiner, Glück gehabt, war sie größer Pech gehabt.
@ Hamburger Jung
AntwortenLöschenWenn Allerdings, die Kassiererin etwas anderes in die Kasse eintippte - sonst wäre sie ja nicht auf die 1,40 gekommen - ist es schwer ihr eine Differenz nachzuweisen.