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28 August 2010
Die Unaussteigbaren
Unfall im Elbtunnel (35 km Stau!), Kabelbrand in der U-Bahn, die unterbrochene Linie U3, Bauarbeiten auf der Ost-West-Straße, Dauerregen: All das machte es heute nicht gerade zu einem Vergnügen, in der Stadt unterwegs zu sein – vor allem nicht per Bus.
„Momentan“, informierte uns irgendwann eine gebrochene Stimme aus der Leitstelle, „haben manche Linien 70 Minuten Verspätung.“ Dabei wollte ich doch nur vom Zahnarzt in der Neustadt nach Hause, nichts wie nach Hause; stattdessen stand ich nun klitschnass in der Mitte eines 37er-Schnellbusses, der alles daran setzte, seinen Beinamen zu widerlegen, und zwar mit überwältigendem Erfolg.
Ich war eingequetscht zwischen denen, die von der Vordertür aus herandrängten, und jenen, die ebendies über die mittlere Tür versuchten. Eine bebrillte Resolute in Fahrernähe rief in kompletter Unkenntnis der Gesamtsituation über Köpfe und Schultern hinweg nach hinten: „Gehen Sie doch ein Stückchen weiter! Wenn jeder noch zwei Zentimeter schafft, ist schon viel gewonnen!“
Doch Theorie und Praxis sind tödlich verfeindete Geschwister, sie meiden sich tunlichst, vor allem in einer Sardinenbüchse der Linie 37. Und deshalb ließen wir die gute Frau, die der irrigen Auffassung war, mitten in der Krise an sich Führungseigenschaften festgestellt zu haben, einfach plappern.
An der Michaeliskirche wollte die ebenfalls sehr redselige Rollstuhlfahrerin hinter mir hinausrollen, was hier, in der Busmitte, mit allgemeiner, indes stillschweigender Erleichterung zur Kenntnis genommen wurde. Damit sie sich in Bewegung setzten konnte, musste allerdings die Rampe ausgeklappt werden, und das ist in einem vollen Bus problematisch, denn viele Leute stehen auf dieser Rampe und bewegen sich nur höchst ungern dort weg.
Es ist ein merkwürdiges, doch gerichtsfest nachweisbares Massenphänomen in Hamburg, dass sich der moderne Nutzer des ÖPNV, der an der aktuellen Haltestelle noch nicht aussteigen möchte, störrisch weigert, den Bus kurz zu verlassen, um das geordnete Aussteigen anderer zu ermöglichen.
Stattdessen balanciert er lieber waghalsig auf der Treppenkante, quetscht sich ungeachtet ästhetischer Erwägungen an den ebenso störrischen Drinbleiber neben ihm, presst sich verzweifelt an die Rückseiten der Sitzlehnen, zieht ängstlich Bauch und Knie ein – all das, um ja nicht für fünf Sekunden den Bus verlassen zu müssen.
Die Rollstuhlfahrerin hat es trotzdem irgendwann geschafft, und wir, die Zurückgebliebenen und neu Hinzugequetschten, schlichen weiter durch den Regen gen St. Pauli – in einem rund 70 Minuten verspäteten Bus, der allerdings, wie ich mich behaglich erinnerte, am Rathausmarkt in ebenjener Sekunde vorgefahren war, als ich die Haltestelle erreichte.
Alles eben eine Frage des Timings, auch an Regenchaostagen wie diesem.
Warum sind sie vom Michel zur Seilerstraße nicht einfach zu Fuß gegangen?
AntwortenLöschenVielleicht mag er anonymes Kuscheln.. *grins*
AntwortenLöschenTja, im Nachhinein ist man immer schlauer, Sie Besserwisser!
AntwortenLöschenwer hätte das gedacht, dass sie nach dem gestrigen erlebnis mit der arzthelferin heute gleich selbst jemand bei der stuhlentnahme (rolli) behilflich sein konnten...
AntwortenLöschenDer war gut. Ehrlich.
AntwortenLöschenSchwachsinn. Nachdenken. Dann schreiben.
AntwortenLöschenHHmyPearl, bitte keine Selbstgespräche in meinem Blog. Danke.
AntwortenLöschenIst es eigentlich in Hamburg auch an der Tagesordnung, dass (Achtung-jetzt kommt was ganz altmodisches!) Kinder und Jugendliche keine Notwendigkeit darin sehen, ihr Telefon beiseite zu legen und ältere, vornehmlich leicht fortbeweglich-eingeschränkte Mitmenschen ihren Platz anzubieten?
AntwortenLöschenJa, das wird überwiegend der Zwischengeneration überlassen. Also unsereinem.
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