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09 Juni 2010
Matjes satt, mit allen Konsequenzen
Erstmals seit unserem Umzug nach Hamburg besuchen wir das Matjesfestival in der Fischauktionshalle am Hafen. Das ist so was wie das Okoberfest, nur auf nordisch. Auf extrem nordisch.
An unzähligen Bierbänken sitzen Tausende feierwilder Dickbäuche und der Ondulation verfallener Damen mittleren Alters, die durch eine obere Körperöffnung Bier und Kümmelschnaps in sich hineinschütten, um den unablässig verspeisten Matjesmassen, die das Büffet ohne jede Mengenbegrenzung bereithält, den Aufenthalt im Innern ihrer wogenden Leiber heimeliger zu gestalten – Fisch muss schließlich schwimmen, nöch.
Während sich die Menge dergestalt verlustigt, treten Klaus & Klaus auf und singen Sufflieder, die über strategisch ebenso klug wie fatal verteilte Lautsprecherboxen mit Brachialgewalt auf die Bierbänke geblasen werden. Auch auf unsere. Wir können uns quasi nur noch mit Gesten verständigen.
Klaus & Klaus singen Sachen wie „Da wird die Sau geschlacht’! Die Sau! Da wird die Wurst gemacht! Die Wurst!“, und als ich nach nur zwei Strophen matjesmampfend mitzugrölen beginne, schaut mich Ms. Columbo an, als sähe sie mich zum ersten Mal in ihrem Leben. „Kennst du das etwa?“, fragt sie irritiert; zumindest glaube ich das von ihren Lippen ablesen zu können. „Jetzt ja!“, brülle ich zurück und suche ein weiteres Mal das Büffet auf.
Inzwischen hat Karl Dall die Bühne betreten. „Diese Scheibe ist ein Hit!“, ächzt Glubschauge seinen Uraltsong, der ein gutes Beispiel für eine selbsterfüllende Prophezeihung war, jedoch hier in der Fischauktionshalle eher reserviert aufgenommen wird. Nicht nordisch genug. Viel geiler kommt da doch der „Hamburger Veermaster“, den Ina Müllers Shantychor, der physiognomisch erstaunlich genau das Bierbänkepublikum imitiert, uns mit soviel Inbrunst um die Ohren haut, dass die Zwiebelringe auf meinem Teller das große Zittern kriegen.
Erstmals gestehe ich mir beim Hören des Songs ein, dass ich mich unbewusst schon immer an der Länderbezeichnung „Californio“ gestört habe. Eine Wortverbiegung um des Reimes willen; das tut man nicht, es sei denn, man heißt Erika Fuchs („Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“), dann darf man alles.
Inzwischen singen immer mehr Matjesfestivalbesucher lauthals mit, und wir sind bei der Roten Grütze gelandet. Natürlich nicht ohne Kümmelschnaps als Bindeglied zwischen Matjes und Dessert. Als wir kurz darauf mühsam den Berg Richtung Reeperbahn erklimmen, sind wir um 12 Fische schwerer (das Verteilungsverhältnis erläutere ich hier lieber nicht).
Unterwegs begegnen wir zwei ägyptischen Geschäftsleuten beim HVV-Planstudium. Sie suchen die Mönckebergstraße. „But why? The shops are all closed“, wundere ich mich mit einer Leutseligkeit, die ohne die Tatsache, vorhin „Da wird die Sau geschlacht’! Die Sau!“ gegrölt zu haben, kaum denkbar gewesen wäre.
„We just want to look where it is“, erklären die Ägypter lächelnd, „to come back tomorrow.“ Da sie nicht wissen, wie sie zur nächsten S-Bahn-Station kommen sollen, um von dort aus in die verwaiste Mö zu fahren, nehmen wir sie unter unsere Fittiche und geleiten sie zur Reeperbahn.
Die beiden freuen sich, dass ich Mohamed Zidan kenne, den Stürmer von Borussia Dortmund. „Great player“, lobe ich höflich, obwohl mir Zidans unerklärliche Formschwäche während der HSV-Zeit noch gut in Erinnerung ist, und erwähne seine vereinsübergreifende Treue zum Trainer, dessen Namen mir allerdings matjes-, bier- kümmelschnaps- und rotegrützebedingt just nicht einfallen will.
„Jurgen Klopp!“, juchzen die Ägypter unisono. Und das krönt diesen Abend, der mindestens so schräg war wie Steve Buscemi in „Fargo“.
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Die Assimilation des Herrn Wagner zum echten Nordlicht schreitet vehement voran. Das mag zwar löblich sein, aber ob das auch immer so gesund ist?
AntwortenLöschenSolang er zwischen den Korn immer noch n Astra zwängt, wirds schon passen.
AntwortenLöschenMatjes, yes, yes, yes!
AntwortenLöschenZett fragt....
AntwortenLöschenWie schmerzbefreit muss man sein. um sich das anzutun?
Klaus und Klaus und Karl Dall, das ist gilt doch als Körperverletzung.
Gibt es für derartige Veranstaltungen einen Gastgeber oder kann man etwa eine Eintrittskarte kaufen ?
Zett, man zahlt fürs Büffet inklusve einem Bier und einem Kümmelschnaps. Dass es lediglich 19,80 Euro pro Person kostet, liegt wohl auch am von vorneherein einberechneten Schmerzensgeld fürs Begleitprogramm. War trotzdem lustig.
AntwortenLöschenGP, Ihrer vertiefenden Analyse kann ich nur zustimmen.
Zaphod, ob das gesund ist, habe ich mich zwischendurch (und auch noch am nächsten Tag) ebenfalls gefragt, aber inzwischen geht es wieder.
Ich gehe immer noch davon aus, dass es die besten Matjes in den Niederlanden zu verspeisen gibt, wie ich erfahren durfte. Klaus&Klaus lade ich natürlich gerne in die Pfalz ein; dort hole ich im Herbst gerne Wurstsuppe, Wellfleisch und Kraut und sonstiges ein und fahre wieder weg. Klaus&Klaus können das nicht. That´s Luxury.
AntwortenLöschenbtw: Elitär?
Ach, die kommen viel rum, wahrscheinlich auch in der Pfalz. Allein schon, weil eine bestimmte Klientel noch immer ihren Megahit „Hier kommt der Eiermann“ hören will, in Nord wie Süd.
AntwortenLöschenNah, die Pfälzer Wein- und Wurstbauern haben diese Jungs nicht nötig. Hier erklingen nach der fünften Weinschorle eher Coverbands von Deep Purple, AC/DV und schlimmstenfalls den Scorpions.
AntwortenLöschenUh, dann lieber „Annä Nordseeküstää“ …
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