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09 Oktober 2008
Ciao, Kapitalismus!
Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie mit bunter Kreide auf den Gehweg vor der Kita Zapperlot in der Seilerstraße kritzelt.
Mutig war gestern auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Dort geschah etwas Ungeheuerliches, etwas so Unvorstellbares, dass ich noch immer nicht sicher bin, ob es wirklich stimmt. Denn Nils Minkmar, Autor der FAZ, schrieb einen langen, traurigpoetischen Abgesang auf den Neoliberalismus – in der FAZ.
Das muss man sich mal vorstellen, kann es aber nicht.
Die FAZ ist berühmt dafür, das Goldene Kalb des Neoliberalismus jahrzehntelang unermüdlich umtanzt zu haben. Und jetzt sagt FAZ-Autor Minkmar in einer epischen Elegie, diese Geschichte sei nun zu Ende. Es müsse eine neue folgen.
Und erst jetzt, wo ausgerechnet die FAZ den Neoliberalismus fallen lässt wie einst die Menschen ihren Glauben an die Scheibenform der Erde, erst jetzt, wo ausgerechnet die FAZ vom verlorenem Glauben spricht und eine Ahnung durchscheinen lässt von der Esoterik, die in der Vorstellung von der Selbstregulierung eines freien Marktes liegt, erst jetzt glaube ich es wirklich, ausgerechnet dank der FAZ:
Dass der globalisierte Kapitalismus am Ende ist.
Sie tun das natürlich gerne und auch ohne Krise. Und auch ohne FAZ.
AntwortenLöschenDaß diese Krise nicht vom Markt gemacht wurde, daß dank Globalisierung diese Krise nicht in dem Maße auf Europa herunterkommt wie in den 20ern... all das ist unwichtig, denn der Markt ist... böse.
Achja: Um bei Ihrer Argumentation zu bleiben: Dank der Frankfurter Rundschau glaube ich jetzt auch nicht mehr, daß der Staat es richten kann:
AntwortenLöschenhttp://blog.fdog.org/2008/10/08/staatsglaubigkeit-entlarvt/
;-)
Die religiös unterfütterte Gut-Böse-Kategorie haben Sie eingeführt. Das denke ich aber sowieso: Dass Ihre Marktgläubigkeit alle Elemente einer Religion hat … Wie der Marxismus übrigens auch.
AntwortenLöschenNee, die Marktgläubigkeit ist das Gegenteil: Weil ich nicht an die Unfehlbarkeit einzelner Menschen und Experten glaube, ist ein Markt die einzige Lösung, die funktionieren kann.
AntwortenLöschenLetztlich ist das so wie bei Darwin: Es funktioniert, klingt aber banal. Konkurrenz heißt, das einzelne Personen und Institute Fehler machen können, die dadurch aufgefangen werden, daß andere diese nicht machen. Und das kann eben nur geschehen, wenn mehrere Konzepte probiert werden.
Bei einer staatlich gelenkten Wirtschaft ist eben das Gegenteil der Fall: Der Staat muß immer die richtigen Entscheidungen treffen, weil es keine Möglichkeit gibt, daß andere Modelle ausprobiert werden.
Solange es also keine „Übermenschen” gibt, die den Markt regeln könnten, glaube ich erstmal weiterhin daran, daß das Prinzip der Risikoverteilung auf viele Teilnehmer ein vernünftiger Weg ist.
Wie bei der Demokratie: Schlechteste aller Möglichkeiten. Bis auf alle anderen. ;-)
So isses. Keiner hat behauptet, der Markt sei "böse" und der Staat sei "gut". Und ich bleibe dabei: Hätte der Markt nicht so gierig auf die Angebote und Verlockungen des Staates reagiert (und "reagieren" ist hier das Zauberwort), wäre nichts passiert. Wie auch? Der amerikanische Staat kann die Banken ja nicht zwingen, Kredite billiger zu vergeben. Ergo: Der Staat hat die Möglichkeit zum Versagen gegeben und der Markt hat sie freudig angenommen.
AntwortenLöschenPS: Das "so isses" bezieht sich natürlich auf Matt.
AntwortenLöschenRamses: Den letzten Satz hätten Sie sich übrigens auch sparen können, denn der Rest Ihres Beitrages ist durchaus konsensfähig. ;-)
AntwortenLöschenbald haben wir alles beieinander: totale Überwachung, Bevormundung und nun auch noch das Ende des Kapitalismus. Mal sehen, wann die ersten 5-Jahrespläne veröffentlicht werden. Schnell, schnell - holen Sie die Karl-Marx-Büste vom Dachboden. Das macht schon mal einen guten Eindruck.
AntwortenLöschenNur weil die Marktwirtschaft sich etwas neues einfallen lassen muss, heißt das ja noch lange nicht, dass sie die Planwirtschaft für sich entdeckt. Auch an dieser Stelle nochmal das Zitat von Joseph Ackermann: "I no longer believe in the market's self-healing power."
AntwortenLöschenWobei ich mir übrigens ziemlich sicher bin, dass Unternehmen auf lange Sicht besser fahren, wenn sie sich 5-Jahrespläne erstellen, anstatt sich von einem Quartal ins nächste zu retten.
Wenn es doch nur "das Ende" des Kapitalismus wäre. Der ist wohl zur Zeit "am" Ende, aber es wird mit ihm weitergehen. Wie auch sonst ? Wo wäre der präsente Ersatz ?
AntwortenLöschenUnd dieser FAZ-Artikel hat m. E. keinen besonderen Erkenntniswert.
Was das Foto angeht: Mit einer Abreibung kann man jemanden durchaus antreiben.
Den letzten Satz Ihres Artikels lese ich ja jetzt erst, Matt: Danken Sie doch mal Gott oder wem auch immer dafür, daß wir eine Globalisierung in dieser Form haben!
AntwortenLöschenDas war am "Schwarzen Freitag" noch ganz anders. Da gab es keinen globalen Markt. Da gab es kein Asien, das den Aufprall für unsere Exportwirtschaft milderte.
Oder wollen Sie zurück zu den Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts? Dann kämpfen wir eben wieder, anstatt Rezessionen zu erleiden.
Und damit könnte ich ja glatt wieder den Marx zitiert haben. ;-)
Die fortschreitende Globalisierung ist neben Managementfehlern der Wirtschaft mitverantwortlich für die Krise des Kapitalismus und federt keine Risiken ab. Wir sollten lieber die Märkte wieder stärker regionalisieren.
AntwortenLöschenAsien mildert den Aufprall für unsere Exportwirtschaft? Seltsame Logik.
In meiner Londoner Zeit Anfang der 80er habe ich die erste große englische Bankenpleite hautnah miterlebt. Ein gerade knapp über dreißigjähriger Yuppie hatte sich in Hongkong und Singapore hemmungslos verspekuliert. Das war damals vielen eine Lehre, heute ist ein solches Handeln leider internationaler Standard geworden.
Das ewige Wachstumsdenken ist ein Tanz ums goldene Kalb, zu einer freien sozialen Marktwirtschaft gibt es allerdings keine Alternative.
Und wer mag es mir verdenken, dass ich froh bin, meine Rente nicht von
einer privaten Bank oder Versicherungsanstalt zu erhalten?
Sie erhalten ja auch noch eine Rente ;-)
AntwortenLöschenMan sollte einfach den Unterschied zwischen der heutigen Globalisierung (jetzige Krise) und 1929 sehen. Daran ändert auch die (bewältigte) Krise in Asien, die uns eben auch nicht voll erwischt hat, nichts.
Regionale Wirtschaften, das bedeutete einen Rückschritt zu nationalstaatlichem Denken. Und damit zu einem Denken des Protektionismus und des Binnenhandels. Deutschland wäre einer der großen Verlierer einer solchen Bewegung.
Das möchte ich schon wegen meiner Rente nicht.
Das eine schließt das andere doch nicht aus? Eine schwache Binnenkonjunktur sagt auch viel über die Möglichkeiten der Menschen in der Region aus. Ist ja nicht so, dass die alle keinen Bock hätten, einzukaufen ...
AntwortenLöschenWelch ein Irrtum, regionales Wirtschaften bedeutet viel mehr. (Tiertransporte, Monsanto usw.)
AntwortenLöschenWir sind (auch) notgedrungen (noch)
Exportweltmeister und werden wohl 2009 von China überholt werden. Außenhandelsüberschüsse bedeuten auch Kapitalabfluss und im Zusammenhang damit sinkende Binnennachfrage. Deshalb müssen neben freiem Handel auch soziale Standards globalisiert werden.
Die wirkliche Krise in Asien steht uns noch bevor und wird vermutlich wegen der noch viel stärker auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich in China ausbrechen. Ich fürchte, ich werde es noch erleben.
Oder warten Sie mal ab, was passiert, wenn Mac Cain oder Obama Zölle auf die chinesischen Einfuhren erheben und womöglich Europa folgt ...
Wir können übrigens auch durchaus heute noch von den Amis lernen.
Das Geld hat sich ja nicht verflüchtigt, es stehen ja durchaus Sachwerte wie z.B. Fernseher oder Kühlschränke dagegen. Nur wurden diese eben auf Pump angeschafft. Nun ist es ja auch nicht so, das in den USA kein einziger Kredit mehr getilgt wird. Hätten die Medien diese Horrorszenarien nicht so dankbar aufgegriffen - niemand hätte etwas bemerkt. Euch Schreiberlingen ist doch die schlimmste Nachricht noch nicht gruselig genug. Ich habe 8 Jahre in den Staaten gelebt, nie ist mir solch eine Lust auf Selbstzerfleischung wiederfahren wie sie hier (besonders in Deutschland)praktiziert wird.
AntwortenLöschenIhr braucht keine wirtschaftliche Depression - die sitzt schon bei Euch allen gaaaanz tief drin!!!
Wie haben wir doch alle beim Latinum die Weisheiten des Seneca verflucht - und doch hatte er so recht:
AntwortenLöschenMagnae divitiae sunt lege naturae composita paupertas.
Auch nur teilweise.
AntwortenLöschen... es ist nicht nötig, sich aufs Meer zu wagen oder den Fahnen zu folgen ...
SEEFAHRT IST NOT
Regionalisieren ist ein schönes Stichwort. Das kann man mit Personalisieren erweitern. Jeder ist für das verantwortlich, was er tut. Nicht der Arbeitgeber, nicht die Gewerkschaft, nicht der Staat, nicht die Gesellschaft, nicht die Bank, nicht der Politiker.
AntwortenLöschenErwachsene Menschen müssen selbst für sich entscheiden und hinterher dafür einstehen. Arbeiten sie bei einer Scheißfirma, die anderen Leuten Dreck verkauft, müssen sie kündigen. Selber kündigen, nicht auf die Abfindung warten.
Die, die Mist produzieren, die faule Finanzprodukte verkaufen, die Leute abends telefonisch belästigen, die vergiftete Lebensmittel produzieren, die Preise für Öl und Gas erhöhen, die Sachen in die Wurst rühren, daß es keiner mehr essen kann. Die heute in der Zeitung schreiben, daß alle Konten sicher sind.
Das sind immer die andern?
Die ganzen Leute in den Firmen (groß oder klein) sind immer nur "Anbieter"? Nie selber Kunden, die sich fragen, wieso man so scheiße bedient wird?
Wenn die Leute eine Sekunde nachdenken, gibt es keine "Lebensmittelindustrie" und keine Zertifikate und keine Swaps mehr.
Wenn sie eine Spur Selbstachtung hätten würden sie sagen: kauf ich nicht.
Und sie würden sagen: produzier ich nicht. Verwalte ich nicht, buchhalte ich nicht, marketisier ich nicht.
Zu spät kam die immer noch viel zu "esoterisch" vorgetragene Kritik der FAZ ... der satte Warnschuss vor einigen Jahren hat wohl niemanden beeindruckt.
AntwortenLöschenFrüh genug aber, um den Börsengang der Deutschen Bahn zu stoppen. Denen geht es schlecht genug; chinesische Beteiligungen würden die verschlossenen Zugtoiletten imvho auch nicht öffnen.
Zu früh starb John Lennon, der heute vor 68 Jahren geboren wurde. Ich wollte aber nicht abschweifen ;-)
Warum sind gerade die nicht exportierbaren Jobs die billigsten? Haare schneiden, Fenster putzen, Reagle einräumen? Keiner fährt sein Fenster nach China, um es putzen zu lassen. Trotzdem verdient der Fensterputzer ein Viertel von dem, der in der Autofabrik Reifen an ein Auto schraubt. Was jeder Trottel in weniger als fünf Minuten lernen kann.
AntwortenLöschenBinnenkonjunktur? Solange der eine dem anderen das Schwarze unter den Fingernägeln neidet?
Natürlich.
AntwortenLöschenGenau deshalb ist hierbei der Ruf nach dem Staat richtig. Wir brauchen Mindestlöhne für diese Bereiche anstelle von 1€ Jobs und die strikte Einhaltung des Arbeitnehmer Entsendegesetzes.
Eins muss man dem honorigen German Psycho ja zu Gute halten: Während sein Großer Vorsitzender Westerwelle schockstarr in irgendeiner Ecke sitzt und in sein Bier weint (jedenfalls macht er schon seit Tagen keinen Pieps mehr), stellt GP sich wenigstens breitbrüstig in den Sturm. Auch wenn er ihm natürlich nicht standhalten wird, aber das ist eine andere Sache.
AntwortenLöschenGP und Guido sind zwei völlig verschiedene Fälle.
AntwortenLöschenGP ist ein liberaler Demokrat, dagegen ist nichts einzuwenden, auch wenn man nicht in allem seine Meinung teilt.
Der Kanzlerkandidat 2002 und Leichtmatrose Guido (Originalton Schröder) dagegen erinnert mich eher an seinen Kollegen Mümmelmann (Originalton FJ Strauss), wenn auch ohne Fallschirm und Springerstiefel.
Ich glaub' nich, dass sich der Bundesguido davon die chronisch gute Laune vermiesen läßt - vermutlich findet er das alles zwar "bedauerlich", aber ansonsten "nicht soo interessant" - der Markt wird's bestimmt schon richten, irgendwie ...
AntwortenLöschenUnd das in allen Lebenslagen geäußerte Standardrezept der FDP: "Steuersenkungen !!", funktioniert ja hier auch gerade nicht so recht... :-)
Aber egal, was jetzt finanzkriselig passiert und entschieden wird: Von der sicheren Oppositionsbank aus kann man ja denen, die die Verantwortung haben und ausüben, in jedem Fall wunderschön in die Wade zu beißen bzw. ihnen zumindest an's Bein zu pinkeln versuchen...
Wahrscheinlich ist die ehemalige Leitfigur des seinerzeitigen "Projekt 18 (Prozent)" aber sowieso derzeit gerade gemeinsam mit den nachrückenden Leitfiguren des Projekts "50 + X" mehr damit beschäftigt, eine "Koalition der Herzen" (oder der Schmerzen - we will see) für Bayern zu schmieden - da kann man schließlich mal was gestalten, während man bei Systemabstürzen und Weltuntergängen doch immer etwas hilflos nebenbei steht ...
Es wäre wirklich an der Zeit, mal eine liberale Partei zu gründen, die diesen Namen wieder zu Recht trägt ...
Matthias
Wer an den Kapitalismus glaubt, glaubt auch an das Funktionieren von Kettenbriefen. Es gibt nun mal keinen ewigen Wachstum.
AntwortenLöschenTrotzdem wird der Kapitalismus nie aufhören zu existieren. Dafür ist die Gier und der Schwachsinn einfach zu weit verbreitet.
kettenbriefe sind doch ein gutes beispiel. kettenbriefe "funktionieren" in der praxis. man muss nur früh genug aussteigen, bevor die blase platzt. und dann wieder einsteigen und wieder rechtzeitig aussteigen. oder erst gar nicht mitmachen. niemand wird dazu gewungen.
AntwortenLöschenund es gibt durchaus auch ein kontinuierliches wachstum. denn die menschen schaffen werte, wenn sie arbeiten, erfinden, produzieren.
wenn man sich die entwicklung der menschheit über 5000 jahre betrachtet, haben die marktwirtschaft und ihre vorläufer ein beachtlich positives ergebnis erreicht.
trotz aller dellen und unsicherheiten und krisen hat die markwirtschaft im saldo (und das ist nicht nur wirtschaftlich sondern insbesondere auch gesellschaftlich gemeint) den direkten vergleich mit der sozialistisch-kommunistischen herangehensweise klar für sich entschieden. das zeigen die beispiele brd-ddr oder auch südkorea-nordkorea.
versuche, die marktwirtschaftlichen (seneca: natur-) gesetze austricksen, sind zum scheitern verurteilt und zeugen von mangelndem verständnis für die gesetze der märkte.
… womit Sie in der Schlussbemerkung so elegant wie perfide alle Kapitalismuskritiker für Dummköpfe erklärt und somit die Diskussion im Keim erstickt haben.
AntwortenLöschenHerzlichen Glückwunsch zu diesem rhetorischen Trick.