Es kommt kein Auto, also will ich schnell über die Simon-von-Utrecht-Straße huschen, trotz der roten Fußgängerampel.
Doch in diesem Moment fährt gegenüber eine junge Mutter vor; ihr etwa dreijähriges Kind sitzt vorn im Fahrradkorb und schaut interessiert hinein in die Welt. Mama flüstert ihm etwas zu, wahrscheinlich vom Unterschied zwischen Rot und grün und Leben und Tod.
Jedenfalls fühle ich mich ausgebremst und bleibe ungeduldig stehen. Wer weiß, ob nicht das künftige Seelen- und Knochenheil dieses hoffnungsfrohen Menschleins von meiner Mitgestaltung dieser einen Minute abhängt; von mir und meinem guten Beispiel.
Jetzt wird die Ampel grün. Stolz schreite ich aus, bereit, die wärmende Dankbarkeit und Verehrung wenn auch nicht des Kindes, so doch seiner Mutter huldvoll entgegenzunehmen, und zwar mitten auf der Simon-von-Utrecht-Straße, genau dort, wo wir uns in diesem Augenblick begegnen.
Und genau das geschieht … nicht. Die stoffelige Tante schiebt ihr Rad samt Blag an mir vorbei, ohne mich auch nur anzusehen. Dabei habe ich ihrem Kind das Leben gerettet.
Gute Taten zählen halt nicht mehr im 21. Jahrhundert, nicht mal an Weihnachten. Na, dann ist ja eh alles egal.
Sie werden lachen, aber ich komme gerade aus der Kirche. Und wie jedes Jahr war es kuschelig, bewegend und sogar unterhaltsam.
AntwortenLöschenIhre Sichtweise, zwischen Gravitation und Got gäbe es nichts, ist übrigens eine, der sich nicht EIN Wissenschaftler von Format anschlösse. Denn Fundamentalismus und das grundsätzliche Erwägen, dass man mit seinen Studien vielleicht doch noch nicht ganz so weit ist, schließen sich eigentlich aus.
In Bill Brysons "Eine kurze GEschichte von fast allem" wird ein Wissenschaftler zitiert (vergessen, welcher), der sinngemäß sagt, je mehr man über das Leben, die molekularen Zusammenhänge etc. wisse, desto zwingender wird eigentlich die letzte aller Schlussfolgerungen: Irgendwas war oder ist da.
Die Auswüchse der Religion wie der Schutz des Kruzifixes oder des Antlitzes des Propheten oder was auch immer halte ich für mindestens so schwachsinnig, wie Sie es tun. Sollen doch alle über Gott fluchen, ihn beleidigen und und und. Sollte es den Gott geben, den alle anbeten, dann ist er a) alt genug und hat b) genug erlebt um über Werbegags mit seinem Sohn nur müde lächeln zu können.
Die Ausübung der REligion zu verbieten, berbietet sich aus naheliegenden Gründen und ist sicherlich auch polemisch gemeint. Jedenfalls hat es noch kein Mensch geschafft mir plausibel zu erklären, warum die Mahnun nach Rücksicht und Nächstenliebe öffentlich deshalb nicht mehr ausgesprochen werden darf, nur weil beides Teil eines religiösen Konzepts ist.
Ich halte es da, wenn ich mich nicht gerade zum Bhuddismus hingezogen fühle, am ehesten mit den Ignostikern: Keine Ahnung, ob Gott existiert. Aber wenn, wäre es vermutlich egal.
Happy X-Mas ;-)
Ich hingegen sehe den Jakobsweg durchaus als geeignete Strecke zur Selbstfindung, obwohl ich ihn aus Zeitmangel im umweltfreundlichen Jeep zurücklegen musste. Sonst stimme ich uneingeschränkt zu. Es geht ja auch nicht darum, Kirchentage zu verbieten - eher Kruzifixe und Kopftücher aus Schulen.
AntwortenLöschenIm U-mag Forum sah ich mich allerdings wieder zu einem meiner dümmlichen Kommentare veranlasst, bitte verzeihen Sie. Mein Verständnis von Jubelpersertum halt.
Für Feiertage wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten bin ich meinen geschätzten Kollegen ausdrücklich dankbar. Es dürften ruhig noch ein paar mehr sein.
Hosianna
Ihr aller
Papst der Herzen
Es gibt weltlicheres: Ich fühle mich immer verarscht, wenn ich wegen eines sechs- oder siebenjährigen Jungen mit Scoutrucksack an einer kaum befahrenen Straße vorbildlich an der roten Ampel ("Lichtzeichenanlage" - LZA) warte, obwohl es regnet, kalt ist oder ich es eilig habe, und dieses Kind dann irgendwann bei rot loslatscht.
AntwortenLöschenOder mir AnderrotenAmpelStehendem eine Frau mit Kind entgegenkommt, Zigarette rauchend im (geschätzten) siebten Monat schwanger.
Da hilft dann auch Glaube nicht wirklich. Allenfalls die Entscheidung zwischen Zynismus/ Sarkasmus oder weiser Hinnahme mit späterem Vergessen. Im Gedenken an Sysiphus, den ich mir dann - natürlich - glücklich vorstellen muß.
Frohes Fest.
@Opa: Ihren U_Mag-Kommentar kann man doch getrost unterschreiben. Vor allem der gute Wolfgang bringt es mal wieder auf den Punkt. Das Freud-Zitat hat man mit einem "selber, selber, lachen alle Kälber" allerdings schnell entschärft.
AntwortenLöschen@Paul: Nicht grämen. Weise Hinnahme ist häufig nicht das Schlechteste. Oder um es weihnachtlich mit einem Zitat zu bringen:
"Herr, gib mir den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Gib mir die Kraft, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann und gib nir die Wiesheit, das eine vom anderen zu unterscheiden."
Ketzt bin ich alles andere als Zitat-sicher, von daher kann das auch von einem Indianerhäuptlich stammen. Also ersetzen Sie das "Herr" ggf. durch "Manitu" oder einen Gott Ihrer Wahl. Wenn es ihn gibt, wird er schon nicht so sein.
Äußerst delikate Situation an der Ampel vor dem Nuttenturm:
AntwortenLöschenIch überhumple die Doppelfahrbahn am Beginn der Königstrasse, natürlich bei GRÜN. Hinter mir springt die Fussgängerampel vermutlich auf ROT, ich habe aber noch immer GRÜN.
Da fährt mich ein aus der Großen Bergstrasse rechtsabbiegender Zeitgenosse mit schwarzafrikanischem Migrationshintergrund in einer noblen Limmusihne fast über den Haufen. Dabei zeigt er mir abwechselnd den Vogel und den Stinkefinger. Gottseidank hat er nicht angehalten, sodass mir eine rassistische Äußerung oder Schlimmeres erspart blieb, nachdem ich mich mit einem beherzten Hüpfer in Sicherheit gebracht hatte.
Also ich entscheide da eher impulsiv (Ampelproblematik). Heißt, wenn ich der Ansicht bin, um die Rotzgöre neben mir oder gegenüber wäre es eh' nicht so wirklich schade, dann passiere ich die Ampelpassage, Rotphase hin oder her. In allen anderen Fällen bleibe ich natürlich artig stehen.
AntwortenLöschen@Ramses: Darwin, Goethe, Freud, Kant, die gesamte französische Revolution etc. pp. - geben Agnostiker das wahre "Abendland" tatsächlich für einen heidnischen Jahrestag auf?
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