09 Oktober 2007

Ein Abend mit Busch-Frauen

Nach einem dänischen Stummfilm, den ich mit A. im 3001-Kino besuche, wird überraschend noch ein Bonusstreifen gezeigt. Er heißt „Die schwarze Messe“, dauert acht Minuten – und ist ein mit Beethovens 9. Sinfonie unterlegter deutscher Hardcoreporno von 1928.

Schon damals ging es heftig und geübt zur Sache, o ja, aber das überrascht nur Leute (wie mich), die sich nicht von Zeit zu Zeit mal wieder klar machen: Sobald man kurbeln konnte, flogen auch die Klamotten in die Ecke. Pornos waren immer vorne, ob im Kino oder im Web.

„Was man sich ebenfalls viel zu selten klar macht“, sage ich danach versonnen in einer Bar namens „Bar“ zu A., „ist die Tatsache, dass nackte Menschen zu allen Zeiten weitgehend gleich aussehen. Sobald die Kleider weg sind, gibt es außer der Frisur keine Anhaltspunkte mehr – ohne Mode keine Chance.“

A. widerspricht bzw. präzisiert. „Man erkennt schon, in welcher Zeit ein Film spielt“, sagt er, „und zwar am Busch. So viele Haare wie 1928 trägt heute keine mehr.“ Als Pornodarsteller verfügt A. natürlich über eine viel breitere empirische Basis als ich, deshalb kann und darf ich die Grundsätzlichkeit seiner Aussage nicht anzweifeln.

Lieber mäandere ich hinüber zu einem weiteren Gedanken, der mich in der Bar befällt. Nur fünf Jahre, nachdem der anonyme Regisseur die Orgie abfilmte, übernahm Hitler Deutschland und damit wahrscheinlich auch die meisten der zahlreichen Akteure aus „Die schwarze Messe“. Deren unmaskiertes Treiben haben die Nazis möglicherweise heimlich goutiert, doch öffentlich bestimmt bösartigst missbilligt.

Was mag aus diesen ganzen Busch-Frauen geworden sein – Opfer oder Täterinnen, Mauerblümchen oder Mutterkreuzträgerinnen? Vielleicht lebt noch eine von ihnen, sie wäre heute um die 100.

Wenn ja: bitte melden. Ich hätte da einige Fragen.

5 Kommentare:

  1. Ihre film- und zeitgeschichtlichen Forschungen verfolge ich mit Sympathie. Mit dem Stummfilm begann der Porno - Freud lacht gerade.

    btw: Schon zu Zeiten von Walther von der Vogelweide (13 Jhdt.) gab es Grafiken und Texte zum Thema.

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  2. Und die Frisuren waren sicher anders. Es kommt zwar irgendwann alles wieder, aber die Frisuren von damals haben es bisher nicht nachdrücklich geschafft.

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  3. Und wenn man sich das hier anschaut, die mikrochirurgische Bearbeitung der Scham, dann wird man es bald nicht mehr nur an den Haarschnitten erkennen...

    Und wie viele Wortspiele in "Haarschnitten" hängen, überlasse ich den geneigten Lesern und Leserinnen.

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  4. In meiner Eigenschaft als Nachfolger des Polen verkünde ich hiermit dogmatisch:

    Eva hat Adam keinen Apfel gereicht sondern ganz was anderes. Und dass sie nackt waren, haben die beiden auch schon vorher gemerkt.

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  5. Den Verdacht hatte ich schon länger. Über Ihre glaubwürdige Zeugenaussage freue ich mich deshalb ganz besonders.

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