31 Juli 2007

Ein alberner Beitrag, der gerade noch die Kurve kriegt

Vor 544 Jahren verschwand der mutmaßliche Mörder, Magister und geniale Dichter François Villon spurlos. Er war 32, und man hörte nie mehr etwas von ihm, sein Leichnam wurde nie entdeckt.

Genau genommen gibt es also keinen Beweis für seinen Tod. Vielleicht ist der Fall Villon gar ein Indiz für die Unrichtigkeit der statistisch sonst gut belegten These von der Sterblichkeit des Menschen. Vielleicht geistert Villon seit 544 Jahren durch die Weltgeschichte, mal hier, mal da.

Wenn ja, dann scheint er sich zurzeit immer noch in Frankreich aufzuhalten, allerdings unter einem lachhaft leicht zu durchschauenden Pseudonym. Der aktuelle französische Premierminister heißt nämlich – François Fillon … Da Mord nicht verjährt, sollte man Monsieur le Premier bald mal mit den forensischen Erkenntnissen von 1455 konfrontieren.

Diese alberne Überlegung hat zumindest einen Vorteil: Sie verschafft mir mal wieder die Gelegenheit, auf die so lebenstrunkene wie wehmütige Vertonung von Villons Gedicht „Cylea“ durch Christian Redl hinzuweisen und dringend den Kauf seines eigentlich vergriffenen, aber gebraucht hie und da noch erhältlichen Albums anzuregen. Es heißt „14 und ein viertel Jahr“, wurde 1991 aufgenommen und ist unbedingt dem jüngeren und viel schwächeren „CR singt François Villon“ vorzuziehen.

Wie komme ich nach dieser Verzettelung bloß wieder zurück auf den Kiez? Vielleicht über ein verdienstvolles Projekt der Künstlerin Gabriele Horndasch. Sie suchte nach deutschen Synonymen für „Hure“ und sammelte verblüffenderweise fast 600, darunter „Zwitscherliese“ und „Amüsierfleisch“.

Die meisten davon fand sie mit Sicherheit hier, auf dem Kiez. Wo Villon übrigens nie war – aber das könnte Fillon ja nachholen.

29 Juli 2007

Wenn es Nacht wird auf St. Pauli

In der Kiezklause nahe dem Hans-Albers-Platz brüllt uns aus der Musikbox Ballermannmucke das Hirn aus dem Schädel.

Als dann auch noch ein als Mensch getarnter Panzerschrank mit Glatze und riesigem „Thor Steinar“-Schriftzug auf dem Rücken an der Theke auftaucht, verlassen wir den Laden – nicht ohne dass GP ein Naserümpfen der Missbilligung und des Ekels Richtung Tresendame schickt. Hoffentlich hat sie verstanden.

Nächste Station: der Club Inside. Er liegt im Keller, ein DJ spielt ausschließlich Musik der 80er, doch meinen Wunsch („Electricity“, OMD) kann er trotzdem nicht erfüllen. Im Inside hängen halbierte Discokugeln an der Decke, und wenn man hochschaut durch die Kellerfenster, kann man den Huren unter die Röcke sehen.

Beim Weiterziehen Richtung Kogge verliert sich unsere Gruppe binnen zehn Metern, so viel Trubel herrscht hier nachts um eins, und wir müssen uns zusammentelefonieren. GP versucht noch schnell in einer Kneipe aufs Klo zu gehen, doch er kommt schon nach wenigen Sekunden wieder zurück. „Geht nicht“, sagt er, „da kotzt gerade einer die Treppe voll.“

Später, gegen zwei, auf dem Weg ins nächste Kneipenirgendwo, begegnen wir einem Typen, der an die ehrwürdigen Mauern der Davidwache pinkelt, doch es ist keine despektierliche Kritik an der Ordnungsmacht, sondern pures Laufenlassenmüssen in Verbindung mit Faulheit.

„Drüben an der Reeperbahn ist eine öffentliche Toilette!“, belle ich den Neandertaler an und hoffe, dass ihm vor lauter Scham der Strahl erstirbt, während ich gleichzeitig versuche, das über den Gehweg schäumende Rinnsal zu umtänzeln.

Er stammelt etwas Unverständliches, während sein Genital weiter in der kalten Julinacht baumelt und einen unbeeindruckt kräftigen Strahl gegen die Davidwache pladdern lässt. Es ist alles so vergeblich, so hoffnungslos.

Und darüber verliert sich erneut die Gruppe, wir stehen unversehens nur noch zu zweit auf dem Spielbudenplatz, schauen hin und her – doch die anderen sind verschwunden, verschluckt von den Menschenmassen, und es ist zu spät, um sich zum zweitenmal in dieser Nacht zusammenzutelefonieren.

Also verabschieden wir uns, ich kämpfe mich gegen den Strom die Reeperbahn hoch und frage mich eine Sekunde lang ernsthaft, was diese Menschen überhaupt alle hier wollen. Aber ich weiß es ja, und deshalb frage ich keinen einzigen von ihnen.

Zum Trost hing heute ein Regenbogen überm Kiez. Alles war gut.

28 Juli 2007

Nass und baff

Wenn man an einem Samstag genau dreimal das Freie aufsucht, und das Wetter geruht, jeweils genau dann einen brachialen Wolkenbruch zu inszenieren – dann fühlt man sich auf einmal ganz schön wichtig. Und nass. Dreifach.

Wie ich außerdem erstaunt erfahren muss, sind die
Tagesschau-Damen Laura Dünnwald und Caroline Hamann beide gleichzeitig schwanger – und ich wusste nicht mal, dass die beiden überhaupt einen Unterkörper haben.

Merkwürdiger Tag, echt.

27 Juli 2007

Ratten kreuzten seinen Weg

Auf dem Gehweg an der Schmuckstraße, wo die Transen stehen, hocken zwei Tauben, als ich mit dem Fahrrad angeradelt komme. Flöge eine Fee herbei und gewährte mir die Erfüllung eines Dutzend Wünsche, so könnte ich nicht ausschließen, ihr nach Weltfrieden, genereller Genesung und einem 1976er Chateau d’Yquem auch das Bedürfnis nach spurloser Verpuffung aller Hamburger Tauben vorzutragen. 

Trotz dieses düsteren Wunsches, der gewiss einen Schatten auf meinen Charakter wirft, bringe ich es aber nie übers Herz, der noch immer nicht aufgetauchten Fee vorzugreifen und diese Vögel bei passender Gelegenheit plattzufahren. Die beiden vor mir auf dem Gehweg wissen das genau und bleiben gelangweilt sitzen – zumal sie sich im Recht wähnen dürfen: Sie sind zu Fuß, ich radle, und das auf dem Gehweg. 

Als ich mich schon schicksalsergeben auf einen Slalomkurs einzustellen beginne, betritt von links ein weiteres unsympathisches Tier die Szenerie, nämlich eine kapitale Ratte. Düpierend gemächlich hoppelt sie quer über den Weg, ohne mich oder mein Fahrrad auch nur eines Blickes zu würdigen. Interessanterweise reagieren die Tauben ebenfalls mit versnobter Ignoranz auf den immerhin spitzzahnigen Nager. 

Anscheinend hat hier auf St. Pauli niemand mehr vor irgendjemand Respekt oder gar Schiss, und beim Weiterradeln bin ich darüber seltsam verärgert. Ich denke, dieses Gefühl werde ich sublimierend am Franken oder an Kramer auslassen. Jedenfalls nicht an Ms. Columbo, in deren Anwesenheit ich abends auf dem Weg ins Kino dieses Foto vom Heiligengeistfeld schieße.

Sexy auf Sächsisch

Wegen der neuesten Skandale bei der Tour de France, die ich mit fröhlicher Häme verfolge, möchte ich mir mal wieder die Mopo kaufen. Also stoppe ich morgens am mobilen Kiosk des urigen Sachsen von der Kreuzung.

„„Döss iss heude owwer de falsche Zeidung“, strahlt er mich augenzwinkernd an.“ Was denn die richtige sei heute, merke ich interessiert auf. „Ei, de BILD!““, juchzt er hochvergnügt. „Weil, die had heude ’’n sexy Bild!““

In meinen Ohren klingt das nach der üblichen Busentussi von Seite eins. Doch der Sachse, das weiß ich aus Erfahrung, hat es fingerdick hinter den Ohren und sicher noch einen Überraschungspfeil im Köcher.

Also begehre ich unverzüglich den Beweis für seine Behauptung präsentiert zu bekommen. Das hat der Fuchs vorausgesehen. Vorfreudig in sich hineinkichernd zückt der fidele Weißbart eine bereits beweiskräftig zurechtgefaltete BILD-Ausgabe und hält sie mir erwartungfroh hin.

Ich sehe Angela Merkel, sie trägt ein von oben bis unten fliederfarbenes Kostüm.

„Jö, döss is dor Frihling!“, gluckst der Sachse und genießt mein verunsichertes schiefes Grinsen. „Fliederforbm!“, klopft er sich im übertragenen Sinne auf die Schenkel, dass es kracht, „döss is owwer werglich wos fir Männerohchen, nich wohr?“

Ich komme nicht umhin, vorbehaltlos zuzustimmen. Danach muss ich ihm dennoch eröffnen, die bei mir eh schlecht beleumundete BILD nun erst recht nicht mehr kaufen zu wollen, da ich ja das sexy Bild schon gesehen habe, und welche größere Attraktion könnte mir die BILD darüberhinaus
schon noch bieten?

„Döss konn ich verschdähn!““, ruft der Sachse lachend aus. Dann packt er frohgemut die BILD wieder ein und eine Mopo aus.

Über die letzten Skandale bei der Tour de France steht dann aber gar nichts drin, nur über die vorletzten.


26 Juli 2007

Doping, überall

„Ich fahre nicht mehr Rad. Die sind ja eh alle gedopt“, hat Jan Ullrich der Zeitschrift L’Equipe gesagt. Er meinte das witzig. Doch der Wahlschweizer ist einfach kein Harald Schmidt – und sagt unfreiwillig nur was über sich selbst.

Apropos Chemie auf zwei Rädern: Ich plante heute bei der Leitung der Tour de France anzuregen, die beiden Führenden Rasmussen und Contador einfach allein fahren zu lassen, weil offenbar nur sie unter den absolut gleichen Voraussetzungen antreten.

Dummerweise wurde aber kurz vorm Klick auf den Sendeknopf Rasmussen rausgeschmissen, so dass mein hübscher Vorschlag verpufft. Natürlich könnte man auch Contador ganz alleine fahren lassen, was ebenfalls seine Reize hätte.

Nachteil: Die Zuschauer müssten sich um die dramatisch reduzierte Anzahl weggeworfener Trinkflaschen – die begehrtesten Toursouvenirs – geradezu prügeln. Und das kann keiner wollen; es gibt eh zu viel Gewalt auf der Welt.

Apropos Gewalt: „Ich mach das tot!“, droht der Franke lauthals dem Insekt, das gerade in einer Ritze der Fensterbank verschwunden ist. Kramer versucht die Kreatur zu retten, doch beeinflusst von jüngsten mittäglichen Diskussionen um Sein oder Nichtsein faselt der Franke sarkastische Sachen wie: „Es stirbt ja nicht, es wird nur eins mit dem Weltganzen!“

In diesem Moment wird mir klar, warum Esoteriker nicht einfach nur nette Spinner sind. Obwohl der Franke natürlich gar keiner ist, das muss hier klargestellt werden. Doch manchmal verhelfen einem auch Leute zu Erkenntnissen, die das Gegenteil derer sind, die einem eigentlich zu diesen Erkenntnissen verhelfen müssten.

Mann, was für ein mäanderndes Gefasel heute … Gerät dieses Blog etwa allmählich an seine Grenzen? Vielleicht sollte ich einfach nicht mich, sondern den Staffelstab übergeben, und zwar an Anna oder Olaf.

Obwohl auch die beiden manchmal wirken wie gedopt.

PS: Wie so oft seht das heutige Davidstraßenfoto in einem allenfalls krampfhaft herbeigebogenen Zusammenhang mit diesem Beitrag. Komischerweise ist mir das aber völlig egal.

25 Juli 2007

Botanischer Dialog

Matt: Mensch, schau mal: Die Sonnenblume macht schlapp!
Ms. Columbo: Vielleicht gießt du sie zu wenig.
Matt: Jeden Tag!
Ms. Columbo: Vielleicht gießt du sie zu viel.
Matt: Aber sie säuft alles weg.
Ms. Columbo: Etwas Ähnliches passiert, wenn man Kindern Snickers hinlegt – und ist auch nicht gut.
Matt: Ich mag Snickers.
Ms. Columbo: Ich auch.

23 Juli 2007

Fundstücke (34)

1. Neulich schlenderte ich durch die Kastanienallee, wo auch das bezaubernde Bordell Leierkasten seinen triebgenerierten Betrieb betreibt. Im Schaufenster meines Whiskyhändlers bemerkte ich im Vorübergehen ein hübsch dekoriertes Flaschenarrangement. Allerdings war mir die Marke des Alkoholikums völlig unbekannt: Es hieß „Ficken“.

Das Stöffche dürfte unabhängig von seiner objektiven Qualität vor allem in die Mallorquiner Schinkenstraße passen wie die Faust aufs Maul – Sangria war gestern. Auf der Webseite des Hersteller wird übrigens gerade ein „Rückenetikettenspruchwettbewerb“ durchgeführt, was ich vorbehaltlos unterstütze, weil der Fickenlikörhöker es mit dieser Schreibweise überraschend schafft, in keine der aufgebauten Deppenbindestrichfallen zu tappen. Kompliment.

2. Arne Beekmann vom Hannoveraner Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung sucht für eine wissenschaftliche Studie Leute, die schon einmal private oder kommerzielle Blogs genutzt haben. Betroffen sind also quasi alle, die hier mitlesen. Wer mag, kann den Fragebogen ausfüllen; habe ich auch getan. Und warum? Weil’s der Wahrheitsfindung dient.

3. Neulich lieferte GP mit dem Satz des Tages auch zugleich eine neue Diagnosemethode: „Ich vergesse immer, wo ich parke – Parkinson!“ Genial.

Dazu passt ein hübscher Patzer der Sportstudiomoderatorin Katrin Müller-Hohenstein vom letzten Samstag. Im Interview mit dem Formel-1-Küken Sebastian Vettel informierte sie ihn so gekonnt wie nebenbei über ihre Sachkenntnis in Sachen Motorsport: „Immer nur testfahren ist auch nicht gut – irgendwann braucht man auch mal Fahrpraxis.“

Sie weiß offensichtlich nicht, dass wahrscheinlich niemand auf der Welt mehr Kilometer runterreißt als ein Formel-1-Testfahrer. Zu Vettel fällt mir übrigens sofort der passende Song ein: Paul Simons „Baby Driver“, hier auch zum Reinhören.

4. Als ausgewiesener Kalauerfan muss ich diesem Schlusssatz einer Promotermail von heute höchsten Respekt zollen: „Yehudi desto Menuhin!“ Doch genug des Lobes – demnächst gibt es zum Ausgleich wieder mal eine Reihe von Fehlleistungen jener Berufsgruppe. Freut euch drauf.

22 Juli 2007

Letzte Geheimnisse: Das Herrenklo (6)



Fitnessstudio, Toilette. In der Nachbarkabine schnauft es schwer, und mir fallen dafür gerade nur zwei denkbare Gründe ein.

Apropos: Die beliebte Herrenkloserie geriet etwas in Vergessenheit, doch heute soll sie fortgesetzt werden. Diesmal dran: das Örtchen im Windjammer in der Davidstraße.

Die Verantwortlichen dort begegnen innerhäusiger Graffiti offensichtlich mit sehr großem Wohlwollen. An eine Entfernung der Höhlenmalereien denken sie jedenfalls im Traume nicht.

Und warum auch? Zum einen werden sie erfahrungsgemäß in 30 000 Jahren mal wichtig, zum anderen geben die typografisch eigenwilligen Nachrichten aus einer verborgenen Männerwelt dem Windjammerklo genau jene eigentümliche Spezifik, die blanke Kacheln nun mal nicht liefern können.

Ich habe mich dort jedenfalls recht wohl gefühlt. Irgendwie.


Der lausigste Verkäufer der Welt

Der „Nachtflohmarkt“ auf dem Spielbudenplatz beginnt für uns schon um 16 Uhr.

Dass Andreas und ich zunächst ratlos vor der simplen Mechanik unseres Tapeziertischs stehen, mag bei ihm an gestern Nacht liegen, bei mir aber einer grundsätzlichen Begriffsstutzigkeit angesichts simpler Mechanik.

Schließlich schaffen wir es doch, und ein traumhafter Sommertag beginnt. Fast acht Stunden lang, bis kurz vor Mitternacht, genießen wir das Defilee des Kiezvolks, gönnen uns zwischendurch Bratfisch vom Stand gegenüber und später – trotz Windjammer – einen Sixpack von der Tankstelle schräg hinter uns.

Ein sehr erholsamer Stillstand, der dennoch die Zeit wundersam beschleunigt: Acht Stunden sind plötzlich rum wie nix. Am Ende habe ich nicht mal die Tageszeitung geschafft, bin aber mindestens eine Kiste Zeugs losgeworden.

Irgendwann ist St.Pauli-Präsident Corny Littmann kubabraun vorbeigelaufen, hat aber unseren Stand ignoriert, obwohl wir beide Vereinsmitglieder sind. Hmpf.

Andreas entpuppt sich übrigens als der lausigste Flohmarktverkäufer aller Zeiten. Seine fatale Taktik besteht darin, derart niedrige Preise anzusetzen, dass selbst der zarteste Kundenwunsch nach Verhandlung präventiv im Keim erstickt wird.

Ich meine: Für die DVD „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ will der Scherzbold nur zwei Euro! „Vier Euro, mindestens!“, zische ich ihm zu, nachdem der vor Glück fassungslose Kunde die DVD kopfschüttelnd an seine Brust gepresst hat und davongeeilt ist.

Beim nächsten Kunden wagt er sich in seiner Preisgestaltung trotzdem nur vor bis drei Euro. Ich verziehe vernehmlich das Gesicht. Es kommt, wie es kommen muss: Der Kunde hält zwei Euro dagegen, Andreas sagt unter völliger Verkennung des Lernziels: „Nein, drei Euro“, und der Kunde geht muffelnd ab, natürlich ohne DVD.

Ich versuche meinem Standkumpel das Prinzip der Verhandlungsmasse begreiflich zu machen. Hätte er nämlich vier Euro gewollt, wäre er die DVD für drei losgeworden, weil der Kunde sich über den Verhandlungserfolg gefreut hätte.


Aber nein: Bis zum Schluss bleibt Andreas entweder zu defensiv oder zu störrisch. Ein hoffnungsloser Fall.

Immerhin stärkt das letztlich sein Karma, um mal im Duktus des zurzeit hier weilenden Dalai Lama zu sprechen. Der kam übrigens ebensowenig an unseren Stand wie Corny Littmann. Ignoranten.

21 Juli 2007

Erst Wind-, dann Katzenjammer

Zwar befindet man sich im Windjammer in der Davidstraße im tiefsten, dunkelsten und zugleich fröhlichsten Herzen St. Paulis, doch ein Besuch wirft auch Probleme auf, die mithilfe einer einfachen Rechnung ganz und gar nicht abbildbar sind.

Denn Windjammerwirt Fred (66) und seine polnische Komplizin Isabella (ca. 33) neigen dazu, dich nebenbei den ganzen Abend samt Nacht lang mit illuster gefärbten kryptischen Schnäpsen zu versorgen (die am Ende – das ist der Trick – natürlich trotzdem auf der Rechnung auftauchen …).

Einmal frage ich ratend Richtung Isabella „Eierlikör?“ und ernte nur ein präempörtes Stirnrunzeln. Denn die korrekte Kombination dieses gelblichen Teufelsbräus lautet: Kokos vs. Ananas. Plus Promille natürlich.

Dies alles – in Kombination mit Andreas' buchstäblicher Schnapsidee, Jägermeisterlokalrunden zu schmeißen – führt generell nicht dazu, Freds Begründungen für seine robuste Gesundheit („Gene plus Sport“) viel Aufmerksamkeit zu schenken. Zumal er sie unverdrossen rauchend, trinkend und mit blaue Flecken erzeugender Gestik untermauert. Dass man zwischendurch Freds immensen Bizeps betasten muss, belegt seine Philosophie dennoch eindrucksvoll.

Beim Heimwärtstaumeln fällt mir ein Gesprächsfetzen ein, den ich zuvor am Hamburger Berg aufschnappte: „Hör auf zu betteln, geh ackern!“

Ein weiser Rat, auch wenn ich nicht zur Zielgruppe gehöre.


19 Juli 2007

Das blaue Wunder

Re:Re: Ihre Anfrage vom 16.07.2007: Produktverbesserungsvorschläge

Sehr geehrter Herr Bxxxx, sehr geehrter Herr Pxxxxxxx,

dass ich mich heute erneut bei Ihnen melde, liegt an keinem Geringeren als dem Bundesgerichtshof. Nicht schlecht, was?

Denn unser kleiner Disput über Ihre SMSse, die Sie mir trotz meines ausdrücklichen Widerwillens störrischerweise immer weiter zusenden wollen, fand heute lustigerweise seine Entsprechung in den Hauptnachrichten.

Wie Sie gewiss vernommen haben, billigt der BGH Handynutzern nun das Recht zu, die Versender unverlangter SMS-Nachrichten zu ermitteln. Der jeweilige Netzanbieter muss also den Namen des Spammers rausrücken, damit der gequälte Adressat den Unhold dingfest machen und nach Gutdünken vermöbeln kann (im übertragenen Sinne, haha).

Das ist sehr, sehr gut so, dafür liebe ich den Bundesgerichtshof sogar ein bisschen, denn unverlangte SMS-Nachrichten sind nicht nur die Pest, sondern auch illegal. In unserem Fall ist es sogar noch simpler: Denn Sie, blau.de, mein eigener Telefonanbieter also, sind höchstselbst der Unhold, der mir unverlangte SMSse schickt. Unglaublich, aber wahr!

Auf mein daher doch eigentlich sehr gut nachvollziehbares Begehr, dies sofort zu unterlassen, teilten Sie mir mehrfach bedauernd mit, das Versenden dieser SMS-Spams sei leider nicht zu stoppen, da „systemgeneriert“.

Interessante Begründung, blau.de. Nein: gewagte Begründung. Denn wenn ich Sie richtig verstehe, ist die Sachlage höchst brisant: Sie haben eine Technik erfunden, die systematisch illegale Handlungen Ihrerseits planbar, durchführbar und vor allem unstoppbar macht – und Sie geben das sogar zu. Wow!

Aber mal ehrlich: Nehmen Sie wirklich ernsthaft an, damit über alle Instanzen hinweg siegreich zu bleiben ...?

Tut mir Leid, blau.de: Ich bezweifle das. Daher bin ich ganz gelassen und trotz der Allmacht Ihres „Systems“ sehr optimistisch, wenn ich Sie hiermit ultimativ auffordere: Behelligen Sie mich nie, nie, niemals mehr mit unverlangten SMS-Nachrichten. Verständlich?

Wenn ja, dann können Sie mir das bestimmt auch umgehend bestätigen. Oder wollen wir das doch lieber in andere Hände geben, zum Beispiel in die eines Verbraucherschutzverbandes?

Von mir aus gerne, doch es liegt ganz an Ihnen.

Ich bin gespannt auf Ihre Entscheidung. Nein: sehr gespannt.

Mit freundlichen Grüßen

Matt Wagner

PS: Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass ich diesen Fall wegen seines besonderen öffentlichen Interesses auch in meinem Blog offen zur Diskussion stelle. Ihre Namen werde ich natürlich nicht nennen, das ist Ehrensache.

18 Juli 2007

Der Ring blieb heil

Vorm Showcase des – glaubt mir einfach – kommenden Popstars Peter Cincotti drückt mir der Deutschlandchef von Warner Music die Hand, und zwar brutalstmöglich.

Augenblicklich wird sie physisch spürbar, die geballte Kraft des Global Players, der verbissen gegen die Zeitläufte ankämpft.

Sofort danach überprüfe ich verstohlen den Zustand des goldenen Rings, den ich einst gemeinsam mit Ms. Columbo als Symbol unserer Liebe bei Wempe an der Reeperbahn auserkor und seither praktisch ununterbrochen trage.

Ergebnis: Er ist nicht verbogen. Den Auftritt Peter Cincottis verfolge ich daher deutlich wohlgesonnener.


Später werde ich dem Künstler vorgestellt. Lächelnd, doch mit grimmiger Entschlossenheit drückt er mir die Hand, so fest es einem Menschen möglich ist, der davon lebt, seine Finger über eine Ansammlung toter Elefantenzähne tanzen zu lassen.

Dabei bleibt Cincotti natürlich deutlich hinter der Barzahl seines Chefs zurück. Offensichtlich ist er jemand, der Risiko und Chance sorgsam abzuwägen vermag.


Wie gesagt: ein kommender Popstar. Glaubt mir einfach.

PS: Das Foto erweckt zwar nicht den Eindruck, doch Cincotti verfügt wirklich über zwei Hände.

Arme Touristen

A. und ich sitzen hoch überm Hafen auf einem warmen Grashügel unter einer Blechpalme. Wir trinken Bier und schauen in der Dämmerung den Kränen in den Docks zu.

Und plötzlich geht mir auf, wie ungemein großartig es doch ist, dies einfach so tun zu können, auf die simpelste, schlichteste Weise: indem man aus dem Haus tritt mit einer Tasche voll Bier, dort hingeht zum warmen Grashügel und in der Dämmerung unter einer Blechpalme den Kränen in den Docks zuschaut, während der Rest der Welt sich schon eine ganze Reise zumuten muss, um das tun zu können – und es dann doch nicht tut, sondern in irgendein Musical stolpert.

Und darauf stoßen wir an.


PS: Das Foto zeigt zwar die Blechpalmen, wurde aber nicht heute Abend aufgenommen, weil ich die Hände nicht frei bekam – da war einfach kein gerader Platz auf dem warmen Grashügel, wo ich die Bierflasche hätte abstellen können.

16 Juli 2007

Sehr geehrter Jan Ullrich!

Datum: 11. Juli 2007 22:44:51 MESZ
An: jan@janullrich.de


Sehr geehrter Herr Ullrich,

ich habe auf Ihrer Homepage gelesen, Sie seien für ein großes Enthüllungsinterview auf der Suche nach dem richtigen Medium, eins, dem Sie vertrauen können und das Ihre Wahrheit unverfälscht druckt.

Nun, Sie haben es gerade gefunden: mein Weblog „Die Rückseite der Reeperbahn“!

Warum ein Weblog?, werden Sie sich fragen. Nun, dafür gibt es Gründe.
Ein Weblog ist supermodern, unmittelbar und interaktiv, und die alten, verkrusteten Medien – also jene, die sich die Wahrheit solange zurechtbiegen, bis sie zu den Werbekunden passt –, schauen zurzeit schockstarr auf Weblogs, weil dort genau die aufregenden Dinge passieren, die sie, die alten Medien, sich wegen ihrer Verstrickungen in die Verwertungszusammenhänge des Raubtierkapitalismus längst nicht mehr trauen (dürfen).

Also sollte das Medium Ihrer Wahl unbedingt ein Weblog sein, zumal Sie damit eine überraschende Affinität zum Zeitgeist signalisierten, die Ihnen – seien wir ehrlich – viele nicht mehr zutrauen.

Unbedingt ein Weblog also! Kein Beckmann, kein Aust, kein DiLorenzo. Und ich hoffe, Sie erwählen mich als Blogpartner für die große Jan-Ullrich-Geschichte.

Sie wären damit, wie ich nicht ohne Stolz behaupten kann, in den besten Händen. Seit vielen Jahren habe ich Erfahrung mit Interviewpartnern (darunter Sharon Stone, Lemmy von Motörhead oder der Hochstapler Gert Postel). In meinem täglichen Blog erzähle ich dagegen meist vom drogengeprägten Leben auf St. Pauli (natürlich nur Astra und Schnaps, haha ...).

Und ebendort, auf St. Pauli, sind wir uns auch schon einmal begegnet: Bei den HEW-Classics nämlich stand ich irgendwann Anfang des 21. Jahrhunderts mal am Rande der Reeperbahn, als Sie Teufelskerl in nullkommanix an mir vorbeirasten. Wahrscheinlich haben Sie mich gar nicht gesehen, ich Sie aber.

Als Interviewer, das kann ich Ihnen jedenfalls versichern, bin ich ein einfühlsamer und kompetenter Gesprächspartner, dem nichts ferner liegt als die Verdrehung von Fakten. Hart in der Sache, sanft im Ton: mein Motto.

Mit zurzeit täglich rund tausend Besuchern kann ich Ihnen zudem eine zunächst mittelgute Verbreitung im Internet zusichern, die sich durch unser großes Enthüllungsinterview aber sofort ins Unermessliche steigern würde. Kurz: Wir würden beide enorm davon profitieren, es wäre eine perfekte Win-Win-Situation – und Sie als Spitzensportler wissen ganz genau, was das bedeutet.

Wann sollen wir uns zum Vorgespräch treffen, um die Rahmenbedingungen abzuklären? Für einen Terminvorschlag bin ich jederzeit offen, auch noch während der Tour de France. Denn die gucke ich sowieso nicht mehr, seit Sie nicht mehr dabei sind.

Mit herzlichsten Grüßen und in der Hoffnung auf eine baldige Antwort empfiehlt sich

Ihr Matthias Wagner

Erläuterung: Bereits vor fünf Tagen mailte ich Jan Ullrich dieses Angebot. Seine Reaktion? Null. Deshalb jetzt dieser öffentliche Aufbau einer Druckkulisse. Ich will doch nur sein Bestes.


15 Juli 2007

Die gefühlte Zechprellerei

Die Rechnung im Restaurant beläuft sich auf 71,90 Euro. Das ist überraschend niedrig. Nach meiner Empfindung müsste sie ungefähr zehn Euro höher liegen.

Ich studiere den Beleg. Aha: Das 4-Gänge-Menü taucht versehentlich mit nur drei Gängen auf. Was nun?

„Selber schuld“, flüstert Ms. Columbo.
„Na gut, dann sage ich 78 Euro“, flüstere ich zurück.
„76“, zischt Ms. Columbo.
„Waaas?“, brülle ich lautlos, „sie haben sich zu unseren Gunsten verrechnet, und ich soll ein Popeltrinkgeld geben?“

Ms. Columbo schaut stählern. „Genau“, sagt sie.

Der Ober kommt. „78 bitte“, sage ich mit unmerklichem Zittern in der Stimme.


Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein.

Wir gehen und klingeln zwei Straßen weiter bei GP. Der Messerblock in seiner Küche scheint irgendwie den Abend zu kommentieren. Doch ich will lieber nicht darüber nachdenken, wie sich das alles dereinst auf unsere Lebensbilanz auswirken wird.

Übrigens waren die Tagliatelle, die es als zweiten Gang gab, lau und ungesalzen. Zum Glück.


14 Juli 2007

Fahrraddieb am Werk (2)

(Fortsetzung dieses Beitrags)

20:22 Uhr, Polizeiwache 16, Lerchenstraße.


Ich: (trete an den verwaisten Tresen; aus dem Nebenraum kommt eine Polizistin. Sie ist burschikos, ihre Unterlippe hängt ein wenig, sie mustert mich von unten.)
Polizistin: Ja?
Ich: Guten Tag. (halte den abgebrochenen Schlüssel hoch) Gestern Abend ist mir dieser Schlüssel im Fahrradschloss abgebrochen, und jetzt habe ich eine Flex dabei, um es durchzuschneiden. Das wollte ich Ihnen nur sagen, damit Sie mich nicht verhaften, wenn Sie mich dabei erwischen.
Polizistin: (stutzt kurz, schaut triefäugig, dann:) Machense ma.
Ich: (überrascht) Ja?
Polizistin: Ja.
Ich: Danke. Auf Wiedersehen.
Polizistin: (im Abgehen) Wiedersehn.

15 Minuten später, am Bunker.

Das Fahrrad lehnt noch am Baum. Irgendjemand hat einen tadellosen lila Rucksack auf den Gepäckträger gepackt. Ein saumseliger Passant steht in der Nähe und sinniert in der Gegend herum. Überhaupt herrscht eine überraschende Bevölkerungsdichte.

Ich tue unschuldig, wage es aber noch nicht, die Flex zu zücken. Wenn von rechts gerade keine Touristentruppe Richtung U Feldstraße schlendert, kommt von links mindestens eine Fahrradkolonne. Verdammt.

Ich beginne zu schwitzen. Dabei will ich doch nur mein eigenes Fahrrad losschneiden. Plötzlich eine Passantenstromlücke. Ich zücke die Flex, ich setze sie an – und sehe auf der anderen Straßenseite eine Frau im lockeren Schanzenlook auf dem Geländer sitzen. Sie raucht und beobachtet mich.

Egal, denke ich, besser nur eine als gleich zwölf, und schneide. Die Flex kreischt, als folterte man ein Schwein, das hört man bestimmt noch in Altona, und der Funkenkranz, den sie schlägt, ginge auch als Freitagsfeuerwerk auf dem Dom durch.

Die Frau schaut nicht nur, sie schaut misstrauisch, wenn nicht alarmiert. Ich schwitze stärker, ich drücke die kreischende Flex auf die Fahrradkette, ich stehe im Funkenregen – und klack, die Kette ist durch.

Fahrig stecke ich das Teufelsgerät in die Umhängetasche, mir doch egal, wenn das Schneiderad heiß ist, Hauptsache schnell weg. Ich ziehe am Rad, die Frau stiert, sie vergisst sogar zu rauchen. Panisch schwinge ich mich auf den Sattel, spüre die Verdunstungskälte des Schweißes im Nacken, ich fahre los, sie ist halb aufgestanden, ich trete heftig in die Pedale, schneller, schneller – und bin in Sicherheit.

Sie ist die Einzige, die eine Personenbeschreibung abgeben kann. Und dann wird sich die triefäugige Polizistin auf Wache 16 hoffentlich an mich erinnern und das Verfahren einfach stillschweigend einstellen.

Meine einzige Chance.

13 Juli 2007

Fahrraddieb am Werk (1)

16:17 Uhr, Polizeistation Davidwache, am Tresen.

Ich
: (hoffe auf die Aufmerksamkeit des konzentriert arbeitenden Polizisten)
Polizist: (ohne aufzublicken) Sie wünschen?
Ich: Ich brauche Ihren fachmännischen Rat.
Polizist: (schaut auf) Dann schießen Sie mal los.
Ich: (halte mein Schlüsselfragment hoch) Gestern Nacht wollte ich am Bunker an der Feldstraße mein Fahrrad losbinden, dabei brach mir der Schlüssel im Schloss ab. Wenn ich jetzt mit einem Bolzenschneider dort auftauche, sieht das irgendwie … blöd aus.
Polizist: (mit feinem Lächeln) Da haben Sie Recht.
Ich: … und deshalb brauche ich Ihren fachmännischen Rat. Was soll ich tun?
Polizist: (grinst) Ein klassischer FaW also: Fahrraddieb am Werk.
Ich: Ja, genau, haha.
Polizist: (wieder ernst) Haben Sie Belege über das Fahrrad?
Ich: Nein. War ein Flohmarktkauf. Ich habe nur ein Foto.
Polizist: Hm, wenn Sie beim Aufschneiden von jemand beobacht werden und der ruft die Kollegen, dann kommen die mit drei Wagen angerast.
Ich: Ich sehe, Sie verstehen mein Problem.
Polizist: … und dann müssen Sie die Geschichte noch mal erklären, das gibt Papierkram, vielleicht Ermittlungsverfahren. Ich würde Sie ja dann gehen lassen, aber …
Ich: … aber die vielleicht nicht.
Polizist: (schaut hilflos in den hinteren Raum, dann mehr zu sich selbst) Wir haben gerade keinen Wagen da …
Ich: Ich habe sowieso noch gar keinen Bolzenschneider.
Polizist: Am besten gehen Sie zur Wache 16, mit Bolzenschneider.
Ich: Ist das die an der Stresemannstraße?
Polizist: Lerchenstraße, Ecke Stresemann. Erzählen Sie den Kollegen, was Sie vorhaben. Vielleicht haben die auch einen Wagen da.
Ich: Gut. Dann besorge ich mir erst mal einen Bolzenschneider.
Polizist: Viel Glück.
Ich: Danke.

19:44 Uhr, beim Nachbarn. Er hat keinen Bolzenschneider. Aber er hat, wie er sagt, „etwas viel Besseres“: eine Flex. Er zeigt mir, wie sie funktioniert.


„Sei bloß vorsichtig“, mahnt er, „das Ding ist gefährlich. Die Funken fressen sich sogar in die Brille.“

(Fortsetzung folgt)

12 Juli 2007

Eher eine Großigkeit

Natürlich, eigentlich ist es nur eine Kleinigkeit.

Doch wenn du aus dem Bunker fliehst, wo dir das MySpace-Freikonzert der französischen Band Justice außer geschickt programmierten Beats nur musikalische Ödnis geboten hat, derweil du fast erstickt bist im Qualm und dir den 1. Januar 2008, also den (Feier-)Tag des Rauchverbotes in öffentlichen Räumen, innerlich herbeigesehnt hast (was verdammt noch mal nicht funktionierte), wenn du dann wie betäubt unten aus dem Lift taumelst, dein am Baum angekettetes Fahrrad losbinden willst und dir dabei der Schlüssel im Schloss abbricht:

Dann ist das eben doch keine reine Kleinigkeit mehr.

Also trottest du, während du dich mit der Anschaffung eines Bolzenschneiders anfreundest, fluchend zur U-Bahn, wo dich – ausgerechnet dich! – ein Herumhänger um eine Kippe anschnorrt, der dir nicht glaubt, dass du Nichtraucher bist, und ein anderer dir die Wartezeit mit einem geblökten Handygespräch in einem hässlichen afrikanischen Dialekt versüßt:

Dann ist das inzwischen fast schon eine Großigkeit.

Trotzdem war ich früher zu Hause, als es das Foto nahelegt, und das war eigentlich das Beste am ganzen Abend.

11 Juli 2007

Voll fürn Haarsch

Anfangs befiel das Virus nur reine Friseurläden. Nachdem solche Etablissements jahrhundertelang mit Namen wie „Salon Renate“ zufrieden gewesen waren, führte der Virusbefall nun zu unkontrollierter Kalaueritis.

Aus dem soliden „Salon Renate“ wurde krankheitsbedingt plötzlich „Bel Hair“, „Schopfgeldjäger“, „CreHaartiv“, „Haarcienda“ oder gar „Philhaarmonie“ – Herr Sick hat eine ganze Horrorliste solcher Symptome zusammengetragen.

Ein befallener Laden könnte natürlich auch jederzeit „Hair-vorragend“ heißen, wobei ich persönlich aber erst bei „Voll fürn Haarsch“ bewundernd die Braue höbe.

Dank der pandemischen Ausmaße dieser friseurtypischen Erkrankung ist jedenfalls nichts mehr unmöglich. Allerdings beschränkte sich der Befall bisher auf die genannte Innung. Hier auf St. Pauli gibt es jetzt allerdings einen ersten Hinweis, dass unser Virus die Artengrenze zu überschreiten im Begriffe ist.

Beim Grünen Jäger nämlich stand ich unlängst erstaunt vor einem Laden namens „pony & kleid“. Die Erkrankten offerieren parallel Haarschnitte und Oberbekleidung, und diese unmittelbare Nähe zweier eigentlich unvereinbarer Metiers erlaubte wohl auch dem Virus, das bisher scharf umrissene Verbreitungsgebiet der reinen Friseurläden in Richtung Bekleidungsbranche zu verlassen.

„pony & kleid“ also. Hoffentlich wissen die arglosen Kunden, worauf das phonetisch anspielt – auf ein Verbrecherpärchen nämlich, das in den 30er Jahren für mindestens 13 Morde verantwortlich war.

Daran müsste ich ehrlich gesagt ständig denken, wenn ich hilflos auf einem Friseurstuhl säße und jemand näherte sich mir von hinten mit einer Schere.

Doch vor diesem Problem stehen ja nur Leute, die noch Haare haben, harhar.

PS: Bonnie Parker von Bonnie und Clyde hat übrigens kurz vor ihrem Tod ein recht romantisches, in seiner Conclusio aber scharfsinniges und verblüffend prophetisches Gedicht geschrieben. Hier ist der Link.

10 Juli 2007

Puler unter sich

Auf Kiezkneipentour mit A. Als Startpunkt designiert war die Hasenschaukel, doch die hat überraschend erst ab mittwochs auf.

Also rein in den benachbarten Silbersack, eine legendäre Kneipe mitten im Rotlichtviertel, die aber auch nicht mehr das ist, was sie mal war. Ihren Ruhm in den Reiseführern verdankt sie vor allem ihrer Vinylmusikbox mit Schlagern, doch die ist: weg, nicht mehr da, Geschichte.

Schlimmer noch: Sie wurde schnöde ersetzt durch eine CD-Box. So geht’s natürlich nicht, Silbersack, und vielleicht ist deswegen auch niemand da, als wir gegen 21.30 Uhr eintreffen.

Nach zwei Astra ziehen wir weiter in die Kogge, ein uriger Schummerladen mit kostenlosem Kicker, einem DJ, der den ganzen Abend famosen 50er-Jahre-Countryswing spielt, und einem kerzensatten Tresen, der zugleich eine Rezeption ist, denn die Kogge fungiert in einem halbgeheimen Zweitleben auch als Hotel, allerdings mit Dusche auf dem Flur und Klo im Keller. Aber das Flair!

Wir hocken am Tresen resp. der Rezeption und widmen uns zufrieden der fortgesetzten Astrabekämpfung. Dabei stellen A. und ich eine gemeinsame Macke fest: Wir pulen beide an Flaschenetiketten.

A. gesteht mir seine geheime Obsession fürs Silberpapier an den Hälsen von Jeverbuddeln. Ich hingegen preise die versteiften Aluminiumummantelungen von Sektflaschenkorken, die sich wunderbar knüllen, zwirbeln und zerkrumpeln lassen.

Momentan aber habe ich – wie gesagt – nur eine Astrapulle zur Hand, was nicht gut ist. Zum einen hat sie keine befingerbare Halskrause, sondern nur ein Bauchetikett. Und sobald du davon den ersten Zipfel vom Glas gelöst hast, kannst du mit der nötigen Feinfühligkeit, die freilich jeder passionierte Friemler wie nebenbei erwirbt, das ganze Etikett auf einmal von der Flasche ziehen, und zwar mit einem sanften Ritsch, das fast untergeht im Countryswing.

Doch das macht keinen Spaß, das geht zu leicht, zu schnell, das ist, als käme man zu früh. Man muss also immer neue Flaschen Astra ordern, und vielleicht will die sardonische Brauerei genau das und schlingt den Flaschen deswegen keine Krausen um den Hals.

Mit Erörterungen wie diesen geht der Abend dahin, und plötzlich ist es 2 Uhr morgens und Zeit zu gehen. Eine Hure spricht uns an in der Friedrichstraße, sie sagt den üblichen Spruch: „Ihr zwei, kommt ihr mal mit?“ Und zum wiederholten Male verpasse ich es, „Klar, wann hast du Feierabend?“ zurückzufragen. Ich wüsste zu gern, was sie antworten würde.

Na, beim nächsten Mal.

09 Juli 2007

Die Lücke



Diese unfassbare Szenerie präsentierte sich mir heute Abend um 20:34 Uhr, als ich übers Balkongeländer blickte: ein freier Parkplatz!


Wenn das mal keine Topmeldung in den Tagesthemen wird.

08 Juli 2007

Mein Schutzengel darf flügellahm sein

Dieses Kiezwochenende hat es in sich. Nach der gestrigen Konfrontation mit dem Schlagermove radle ich mich heute mittag in etwas fest, das verkehrstechnisch genauso fatale Folgen hat: einem Motorradgottesdienst.

Für diese merkwürdige Veranstaltung (warum gibt es so etwas nicht für Dreiräder, Herpeskranke, Goldplombenverweiger oder Leute mit Verwandten im Saarland?) hat man die komplette Willy-Brandt-Straße dichtgemacht.

Dort stehen nun auf einem Kilometer Länge 35.000 Motorräder im Weg herum. Geh- und Radwege hingegen sind voll mit Motorradbesitzern wie Mekka mit Moslems. Ich stecke mit meinem Fahrrad mittendrin und ziemlich fest.

Fürs Umkehren ist es zu spät, vorwärts geht’s auch nur zentimeterweise. Unfreiwillig muss ich daher der Predigt lauschen, die live aus dem Michel übertragen wird.

Taktisch klug haben die Eventmanager des Motorradgottesdienstes alle paar Meter eine Lautsprecherbox montiert, so dass mir kein Wort entgeht, während ich mich und mein Fahrrad irgendwie durch das Gewusel der Ledergestalten zu wühlen versuche.

Dass die meisten dieser sog. Biker ihre Helme lässig am Arm baumeln lassen, erhöht ihren Platzbedarf enorm, zu meinen Ungunsten. (Ich schaffe es kaum, meine Kamera kontrolliert zu zücken und diese massengestützte Manifestation der Irrationalität zu dokumentieren; deshalb gibt es heute auch nur ein Foto aus Wedel, wo wir abends das Hafenfest besuchten.)

Jedenfalls geht die Predigt im Gegensatz zu mir ihren Gang, und irgendwann sagt der Zeremonienmeister eine Gastsängerin an. Siehe da, es ist die unvergleichliche Rocklegende Inga Rumpf, die ihre Kunst inzwischen allerdings in den Dienst höherer Mächte und Motorradgottesdienste gestellt hat.

„Fahr nicht schneller, als dein Schutzengel fliegen kann“, singt sie und ahnt nicht, wie das in meinen Ohren klingen muss, nämlich wie Hohn.

Weil ich eh nichts Besseres zu tun habe, übertrage ich Rumpfs Rat auf meine aktuelle Situation. Ergebnis: Wer auch immer dafür zuständig ist, er kann zu meinem Schutz einen senilen, von Fersenabszessen geplagten und praktisch komplett flügellahmen Engel abordnen; denn selbst eine Engelshöchstgeschwindigkeit von lachhaften 2 km/h kann ich zurzeit nicht toppen.

Manchmal wünschte ich, ich lebte in Kempten. Aber nur ganz kurz.

Angriff der Hossa-Hamas

Der Traum ging so: Tagsüber sollte es niagaraartig schütten und die Spaßterroristen des Schlagermove vom Kiez spülen; abends dann würde es plötzlich aufklaren, so dass wir uns unter linden Bedingungen dem größten Konzert aller Zeiten widmen könnten, nämlich „Live Earth“ im Volksparkstadion.

Zunächst lief alles nach Plan. Es goss, als stünde Noah persönlich an den Schleusen. Ms. Columbo und ich frohlockten, während das vom Spielbudenplatz herüberwehende „Griechischer Wein“ übertönt wurde vom infernalischen Pladdern der Sintflut.

Das anschließende Aufklaren verfolgten wir bang, nahmen aber gegen 15:26 Uhr das göttliche Geschenk eines anständigen Gewitters gerne an.

Komischerweise schien den Veranstaltern ein Abbruch des Schlagermoves gleichwohl keine Option. Und dann wurde es um kurz nach 4 auch noch empörend trocken; nur die von Westen heraneilenden Wolkenwände ließen die Hoffnung leben.

Und siehe da: Um 16:55 zog irgendwo dort droben jemand erneut den ganz großen Stöpsel raus. Yippie! 17:35 aber ein ernster Rückschlag. Kurz bevor John Denvers „Country roads“ die Scheiben der Sexshops zum Klirren brachte, kam gar die verdammte Sonne raus.

Andererseits nahte auch unserer „Live Earth“-Besuch, und ein minutengenaues Timing kann man selbst Petrus nicht abverlangen. Wir brachen also auf. Ich schlug vor, über die Reeperbahn zur S-Bahn zu gehen, um einen angeekelten Blick auf die durchgeknallte Hossa-Hamas zu werfen. Doch erwies sich das als die schlechteste Idee, seit ich damals in Belgrad den falschen Zug bestiegen hatte und dies erst acht Stunden später bemerkte: an der Endstation.

Wir hingen nämlich sofort fest zwischen Massen lallender Rosaperückenträger, während auf der Reeperbahn Themenwagen entlangkrochen, die uns mit gefühlten zwanzigtausend Watt „Fremder Mann“ in alle Körperöffnungen pressten.

Endlich bei „Live Earth“. Der zweite Teil des Traum wurde einschränkungslos wahr: Es blieb trocken. Das Stadion aber gähnte vor Leere. In den Umbaupausen lief auf der Leinwand das Schwesterfestival in London, was uns schmerzlich bewusst machte, mit welchem Mittelmaß wir abgespeist wurden.

Hier Revolverheld – dort Duran Duran. Hier Juli – dort Metallica. Hmpf. Immerhin interpretierte Juli-Sängerin Eva Briegel die herbstlichen Temperaturen ganz und gar Gore-gemäß: „Es ist kälter geworden“, freute sie sich über ein wichtiges globales Ziel der Megaveranstaltung, „es wirkt schon!“

Das erklärt übrigens auch meine Aufmachung auf dem Foto.

07 Juli 2007

Lauter Banalitäten, aber wenigstens musikalische

Bereits gestern hatte mich Heißhunger auf bretonische Harfenmusik gepackt.

Wahrscheinlich lag es an etwas Kreuzbanalem, vielleicht war beim Skippen durchs „Fernseh” (Poodle) irgendwo im Off ein Harfenpartikel aufgeblitzt und hatte mir à la Proust eine verschollene Erinnerung aus dem Gedächtnis gefischt.

Heute jedenfalls gestand ich Ms. Columbo diesen Heißhunger – und gleich darauf auch das Bedürfnis, ihn endlich zu stillen, hier und jetzt.

Gottergeben sah sie mir zu, wie ich zur LP-Sammlung schritt und drei 70er-Jahre-Alben der bretonischen Harfencombo An Triskell hervorzog, um eine nach der anderen umstandslos aufzulegen – nicht ohne in erklärendes Salbadern zu verfallen übers Weshalb und Warum dieses von ihr richtigerweise als „schräg“ rubrizierten Tuns.

Aus welchen Gründen ich Ms. Columbo dann aber mit Zeltingers Kölschpunk „Müngersdorfer Stadion“ malträtierte, bleibt unklar. Und warum bloß stellte ich uns danach unter die prasselndste Fremdschämvolldusche seit „Borat“, nämlich mit Udo Lindenbergs „Wozu sind Kriege da?“? Der Abend endete dennoch versöhnlich, dank eines Dylan-Bootlegs („The Genuine Basement Tapes“, Teil 3).

Wen das alles interessieren soll, liegt übrigens genauso im Dunkeln wie die Ursache meines Heißhungers auf bretonische Harfenmusik.

Hat eigentlich jemand die Vinylsingle „Blanc bleu rouge“ von An Triskell? Das Ding muss ich haben. Wirklich.

06 Juli 2007

Moby Dick und meine Badelatschen

Heute hatte alles einen Wasserbezug, nicht nur wegen des Regens. Nein, im Hafen liegt auch ein toter Pottwal (Foto: Spon).

Außerdem habe ich neue Badelatschen gekauft. Sie steckten in einer luftdichten Plastikhülle, deshalb enttarnten sie ein wichtiges Detail erst nach dem Auspacken. Die Latschen stinken nämlich, und zwar bestialisch.

Es ist, als hätten sich eine Teer- und eine Lackfabrik zusammengetan, um danach einen gewaltigen gemeinsamen Rülpser auszustoßen. Und dann noch einen.

Ms. Columbo jedenfalls rümpft zu Recht die hübsche Nase. „Kannst du sie nicht heute Nacht auf dem Balkon auslüften lassen?“, fragt sie rhetorisch. „Sie sind bestimmt nicht mit dem Kyoto-Protokoll zu vereinbaren.“

Genau diesen Verdacht habe ich auch. Gäbe es eine Methode, die Badelatschen zu verflüssigen, könnte man mit der entstehenden Brühe wahrscheinlich ein Auto betanken und die Rallye Paris-Dakar gewinnen. Oder einen toten Pottwal für sehr, sehr lange Zeit konservieren.


Mal sehen, wie morgen früh die olfaktorische Lage ist, nach der Nacht auf dem Balkon.

04 Juli 2007

Schäuble ist undankbar

Ein aktueller Artikel auf tagesschau.de beschäftigt sich mit Blogaktionen gegen die immer schamloseren Schnüffelambitionen unserer Regierung. Dabei wird auch mein Aufruf „Blogger helfen Schäuble“ erwähnt.

Grund genug für ein kurzes Fazit dieser Aktion. Nicht nur ich, auch der erwiesene Staatsfreund German Psycho und viele andere verschickten wochenlang ihre privaten Mails in Kopie auch an Dr. Wolfgang Schäuble.

Das Seltsame aber: Es gab nie auch nur das kleinste Reaktiönchen, und deshalb macht die Aktion zurzeit Pause.

Es scheint nämlich, als sei unser Innenminister einer vom Stamme Nimm; mit Gegenleistungen hingegen hat er es nicht so. Stoisch schweigend nahm er unseren patriotischen Einsatz hin, als sei der selbstverständlich. Dabei ist er das gar nicht!

Ein klitzekleines Dankeschön wäre m. E. also schon opportun gewesen, oder wenigstens das Bundesverdienstkreuz am Bande. Gab es aber beides nicht.

Und so was verletzt schon ein Stück weit.

Wer stoppt den Regen? Gute Frage.

Beim Konzert von John Fogerty im Stadtpark regnet es praktisch vom ersten bis zum letzten Stück. Der Mann rockt, dass sich ihm die dritten Zähne lockern, aber überdacht und deshalb im Trockenen.

Wir hingegen – also Tish Hinojosa und ich – stehen im Matsch. Das Wasser kommt nicht in Tropfen vom Himmel, sondern in Fäden. Was aber auch Vorteile hat. Denn süffelt man sein Bier im Regen, sinkt der Pegel im Becher deutlich langsamer, als es die Trinkgeschwindigkeit eigentlich nahelegt.

Natürlich sinkt zugleich auch peu ˆà peu der Alkoholgehalt, doch das werden nur Proleten als Nachteil empfinden. Dem Mann von Welt indes vermittelt sich dies einfach als verfeinertes Geschmackserlebnis.

Ähnliches gilt auch für die Musik. Wer nie von John Fogerty live und persönlich überzeitliche Großballaden wie „Have you ever seen the rain“ und „Who’ll stop the rain“ serviert bekam, derweil ihm sinnigerweise bindfadenartiger Regen den Bierbecher auffüllte, der kann nicht mitreden bei den Themenkomplexen Rock’n’Roll, Authentizität, Tautologie und dämliche Zufälle.

Das weiß ich aber selbst erst seit heute Abend. Und jetzt schnell umziehen.

03 Juli 2007

Eine Erde reicht uns nicht

Wir fliegen nie (okay, das liegt an meiner Flugangst), und wir fahren kein Auto.

Wir essen vor allem frische, unverpackte Lebensmittel, beziehen Ökostrom und stolpern lieber im Dunkeln durchs Treppenhaus, als diese dämonische Nichtenergiesparlampe anzuknipsen.

Und trotzdem: Lebten alle so wie Ms. Columbo und ich, bräuchten wir exakt 2,3 Planeten.

Ja, was sollen wir denn NOCH tun, Himmelsakra?


(Auf den Link zu diesem teuflischen Test wies mich dieser Herr hin. Na, danke auch …)

01 Juli 2007

Warum ich nicht in einer Dokusoap mitspiele

Morgen um 18 Uhr startet auf RTL II eine neue tägliche Dokusoap über den Alltag auf St. Pauli. Sie heißt „Mein Kiez“.

Das erwähne ich nicht nur, weil sie eine hübsche Ergänzung zu diesem Blog sein könnte, sondern auch, weil ich vor einigen Wochen gefragt wurde, ob ich nicht selber mitspielen möchte.

Wollte ich nicht. Mein Durchschnittsgesicht gehört mir, da gehört es hin, und das kriegt auch in diesem Blog niemand zu sehen.

Der wichtigste Grund aber war der: Ich hätte angesichts einer Kamera bestimmt nur hochrot rumgestottert, idiotisch gegrinst und insgesamt gewirkt wie ein grenzdebiler IQ-Abstinenzler.

Vor allem mir selber mochte ich das nicht zumuten (für den Rest der Welt wäre das womöglich unterhaltsam gewesen). „Aber stell dir mal die explodierenden Zugriffszahlen auf dein Blog vor!“, charmierte mich Andreas, über den die Produzentin von „Mein Kiez“ mich kontaktiert hatte.

Ja, wirklich reizvoll. Wenn man aber meine Abneigung in Relation setzt zu vielleicht tausend Klicks mehr, dann verhält sie sich wie der Pazifik zu einer Urinpfütze am Rande der Reeperbahn.

Und nicht weit davon entfernt – nämlich in der Wohlwillstraße – ist das heutige Foto entstanden.

Auf dem Nachtflohmarkt



Wie alles auf dem Kiez geht hier auch ein Flohmarkt erst zu später Stunde los, und deshalb heißt der auf dem Spielbudenplatz neben der Reeperbahn auch kurzerhand Nachtflohmarkt.

Seine Laufzeit – von 17 bis 23.30 Uhr – ist für Spätaufsteher wie mich von geradezu erotischem Reiz. Ich war sogar wild entschlossen, dort einen eigenen Stand zu betreiben. Allerdings fand sich für heute kein Mitstreiter, weshalb ich erst bei einem der nächsten meine Waren feilbieten werde. Lauter legale natürlich.

Beim Streunen über den Markt stachen relativ wenige kieztypische Stände ins Auge; der abgebildete gehörte aber definitiv dazu. Trotzdem erstand ich keine dreiviertelnackten Schaufensterpuppen, sondern langweiligerweise das, was ich immer erstehe, nämlich viel zu viele Platten.



Und ich knipste den Himmel überm Spielbudenplatz. Ein halbgarer Sommer wie dieser fährt nämlich am Firmament ästhetisch besonders viel auf – und bietet so jede Chance, sich auch dieses Wetter schönzureden.