20 September 2014

In den Alpen


Der Tiroler gehört zu einem der Korpulenz wohlwollend zugeneigten Bergvolk, welches sich seiner genetischen Disposition nicht im Geringsten schämt, im Gegenteil.

Das Weibchen etwa überbetont das seine Milchdrüsen umgebende Fettdepot mit einem „Dirndl“ genannten Kleidungsstück, welches die damit nordwärts der Taille eingefassten Körperteile sowohl halb freilegt als auch darbietend vorwölbt.

Tirolermännchen hingegen finden es allem Anschein nach behaglich, in müffelnden, aus den Häuten halbverwester Tiere gefertigten halblangen Hosen herzumzulaufen, welche den Blick auf grobbehauene Waden aufs Unschönste freigeben.

Derlei naturgegebene und auf beiderlei Geschlechter freigebig verteilte Defekte scheinen freilich die hiesige Reproduktionsfreude keinesfalls zu beeinträchtigen. Allerorten jedenfalls watschelt korpulesker Nachwuchs in ähnlicher Staffage daher wie seine Erzeuger.

Im Rahmen eines sich allerhöchster Frequentierung erfreuenden sog. „Knödelfestes“ ergab sich der St. Johanner Tiroler heute stundenlang vor allem dem Suff, was sich in ausgedehnten Torkelorgien niederschlug. Hier am Fuße des Kitzbühler Horns werden sie jedoch anscheinend als „Tanz“ fehlgedeutet.

Der größte Sohn der Stadt – ein anatomisch den Bevölkerungsschnitt erstaunlich treffsicher repräsentierender Trumm, der unter dem Namen einer Gletscherleiche firmiert („DJ Ötzi“) – war zwar nicht physisch, doch akustisch anwesend, und zwar in Form musikalischer Darbietungen, die dem Tiroler Anlässe für seine Torkelorgien zu liefern versuchten. Was, wie gesagt, gelang.

Nachmittags entflohen wir diesen verstörenden Stammesriten per Seilbahn in die höhere Bergwelt. Doch auch dort zeitigten die schrulligen Verhaltensweisen des Tirolers unschöne Folgen. Just heute nämlich hatte er bergan, bergab tonnenweise Gülle auf die eh ums Überleben kämpfende alpine Vegetation ausgebracht, was die Gegend olfaktorisch ähnlich stark kontaminierte wie seine Kleidungsgewohnheiten die Talsenke visuell.

Nach erklommenen hundert Höhenmetern kehrten wir entmutigt um, da die Gülleglocke anscheinend erst in der Stratosphäre an Intensität einzubüßen schien. Drunten ergaben wir uns einfach unserem Schicksal und verzehrten weiter Knödel. Denn wenn er, der Tiroler, eins kann außer saufen, torkeln und unwaschbare Müffelhosen tragen, dann Knödel, und zwar in erstaunlicher Varianz.

Ach ja: Er kann auch Regenbögen.


17 September 2014

Bloggeburtstag. Na toll.


Sehr aufmerksam: Ms. Columbo gratulierte mir gestern zum neunten Bloggeburtstag. Ich hätte ihn glatt vergessen, denn seit einiger Zeit ist hier vor allem nur noch eins zu sehen: eine Brache. 

„Nein, das ist keine Brache“, tröstet mich Ms. Columbo in einem zärtlich-liebevollen Tonfall, der signalisiert, dass es doch eine Brache ist, und streichelt mir aufmunternd über den Kopf. Na ja, jedenfalls feuert der HSV inzwischen pro Saison mehr Trainer als ich hier Einträge ab. 

Zu St. Pauli ist das Wesentliche auch gesagt. Dass wieder mal jemand seinen Mageninhalt vor unsere Wohnungstür drapiert? Langweilig. Der nächste Fahrraddiebstahl? Gähn. Noch eine bollernde Großveranstaltung mit teilnehmenden Torkelhorden? Grrr. 

Demotivierend erwies sich zuletzt außerdem ein fatalerweise erst sehr spät entdecktes technisches Problem, welches zur Folge hatte, dass sämtliche VG-Wort-Zählpixel von 2013 nicht funktionierten. Hatte das Blog mir vorher jahrelang den großen Sommerurlaub finanziert, verweigert es mir deshalb in diesem Jahr jegliche Ausschüttung. So kann ich nicht arbeiten. 

Inzwischen ist das Problem zwar wieder behoben, doch die lähmende Wirkung dieses Desasters hat noch nicht entscheidend nachgelassen. Trotz alledem möchte ich hier den Betrieb nicht offiziell einstellen. Schließlich könnte ja noch mal etwas Berichtenswertes passieren, für das ein Forum wie dieses das richtige ist – und sei es nur das nächste nette Graffito an einer schmutzigen, vollgepissten Kiezwand. Wie das abgebildete.

Mach ich mir jetzt noch einen Geburtstagssekt auf? Na, mal schauen, ob die Kommentare eine Entscheidungshilfe bieten.

(Ähm, welche Kommentare?)

04 September 2014

East of Eden

Das East-Hotel, eine mondäne Provokation mitten auf St. Pauli, feiert 10-jähriges Jubiläum. 

Im Lauf der Dekade wurden, wie der Chef im Vorfeld seiner Geburtsansprache penibel ausgerechnet hat, 65 Tonnen Rinderfilet serviert und eine halbe Million Portionen Sushi. 

Heute Abend aber spendiert das East etwas, statt immer nur Geld zu scheffeln, und zwar alle Getränkeeinnahmen zugunsten von Hamburg Leuchtfeuer. 

Saufen gegen Aids: ein Projekt, an dem man (= wir) natürlich gerne und generös mitwirkt. Der Schampus wird zu fünf Euro das Glas verramscht, und so ein gülden perlendes Gläschen steht jemand im cremefarbenen Canali-Anzug – also mir – ausnehmend gut, wie ich zumindest annehme respektive hoffe.

Unter den kostenlos gereichten kulinarischen Köstlichkeiten findet sich allerdings nullkommanix Vegetarisches, weshalb sich Ms. Columbo recht früh empfiehlt und ich in ein Gespräch mit einem Hamburger Künstler und seiner Begleitung gerate, welches derart einseitig verläuft, dass sie sich irgendwann absentiert.

Meine Versuche, ihn dezent auf die Notwendigkeit hinzuweisen, diesem tragischen Umstand durch umgehendes Hinterherlaufen Rechnung zu tragen, versanden so lange, bis ich überdeutlich werde. Dann eilt er von hinnen und ich zur Theke, um ein weiteres Glas Champagner für einen Fünfer zu ordern. 

Der gute Zweck heiligt, hicks, die Mittel, ist doch klar.