Unglaublich, aber wahr: Der Franke – haha, halten Sie sich bitte gut fest! –, hat den Segelschein gemacht. Den Segelschein! Original aufm Wasser!
Ich weiß, das ist ungefähr so, als bewürbe sich ein Usbeke ums Jodeldiplom. Doch dem im Schatten des Josefspitals aufgewachsenen Naturburschen kam sein Ansinnen komischerweise überhaupt nicht komisch vor.
Als Folge desselben nervte er uns monatelang – und zwar mittags mit unvermittelt heruntergemurmelten Knotenknüpftechniken, nachmittags mit sorgenvollen Windstärkenmeldungen und abends mit dauerhafter Unabkömmlichkeit – er musste ja zum Segeltraining.
Wenn er ausnahmsweise doch mal mitkam zum Grillen an die Elbe, knechtete er uns mit komplett uninteressantem Fachwissen. Düste zum Beispiel ein Motorboot im Abendlicht von rechts nach links elbaufwärts, fragte er mich: „Was fällt dir an diesem Boot auf?“
„Es fährt im Abendlicht von rechts nach links elbaufwärts“, rollte ich mit den Augen. „Und woran erkennst du, dass es von rechts nach links fährt?“, bohrte der Franke weiter. „Eventuell daran, dass es offenkundig von rechts nach links fährt …?“, versuchte ich ihn mit zusammengekniffenen Augen zur Räson zu bringen.
„Nein!“, rief der Franke daraufhin triumphierend aus, „sondern daran, dass du ein GRÜNES LICHT siehst! Wenn es nämlich von links nach rechts führe, sähst du ein ROTES Licht!“
Vielleicht verhielt es sich auch umgekehrt mit den Farben, so genau weiß ich das nicht mehr. Jedenfalls war alles absolut hoffnungslos, und ich nagte verdrossen weiter an meiner gegrillten Aubergine, während der Franke sich glühenden Blicks auf die rot und grün die Elbe durchpflügenden Boote die dritte Bratwurst reinpfiff.
Wir alle sehnten den Tag seiner Theorieprüfung herbei, die er dank einer appgestützt fehlberechneten Fahrtzeit („Scheiß Google Maps!“, schimpfte er noch Tage später) und einer unerklärlich frankenfeindlichen roten Welle erst mit zehnminütiger Verspätung antrat und gleichwohl bestand.
Vor der einige Tage später folgenden praktischen Prüfung gerierte er sich als fahriges Nervenbündel, das von zu rettenden Bojen faselte, wegen der vorhergesagten Windstärke vier Panik schob und drauf und dran war, Steuer-, Back- und Bücherbord zu verwechseln. Doch auch dieses Examen absolvierte der Mann aus dem weinberggesprenkelten Binnenland erfolgreich.
„Einen Vorteil hat das Ganze ja“, wandte ich mich in des Franken Gegenwart seufzend an Kramer. „Ich sehe uns schon auf dem Sonnendeck Cocktails schlürfen, während Käptn Ahab uns über die Weltmeere schippert.“
Warum der Franke daraufhin irgendwas von einem Baum salbaderte, der uns beide von der Jolle fegen würde, weiß ich auch nicht. Im Herbst will er übrigens weitere Prüfungen ablegen, die ihn dazu berechtigen, nicht nur über die Alster, sondern auch quer durch Dreimeilenzonen zu marodieren.
Wo ist eigentlich Windstärke zwölf, wenn man sie mal braucht?
PS: Weiteren Frankenhorror gibt es in meinem E-Book „Die Frankensaga“ für einen stark untertriebenen Preis bei Amazon.
„3000 Plattenkritiken“ | „Die Frankensaga – Vollfettstufe“ | RSS-Feed | In memoriam | mattwagner {at} web.de |
15 August 2013
11 August 2013
Die bisher beste Beatles-Woche
Vor einigen Tagen lud mich das East-Hotel zur Vernissage des legendären Künstlerfotografen Jürgen Vollmer ein. Eins seiner berühmtesten Bilder zeigt den jungen John Lennon, wie er in der Jägerpassage in einem Hauseingang steht und arrogant guckt.
Dieses Foto machte Lennon Mitte der 70er zum Cover seines Albums „Rock’n’Roll“, und 30 Jahre später stellte ich es mit Ms. Columbos Hilfe am Originalschauplatz nach – wir berichteten.
Als ich nun zur Vollmer-Vernissage ins East aufbrechen wollte, dachte ich mir: Warum druckst du das Foto mit dir als Lennon nicht aus, steckst es in eine Mappe, nimmst es mit, schnappst dir Vollmer in einem günstigen Moment und lässt es dir signieren?
Schnapsideen muss man sofort umsetzen oder sie ganz lassen, und zwar für immerdar, also druckte ich es aus, steckte es in eine Mappe, ging damit ins East und wartete auf den günstigen Vollmer-Moment, um es mir signieren zu lassen.
Er kam auch. Vollmer, dessen 1961er-Pilzkopfschnitt die Beatles so umwerfend fanden, dass sie ihn baten, in diesem Sinne an ihnen herumzuschnippeln – der Rest ist Geschichte –, Vollmer also saß mit Klaus Voormann (der das „Revolver“-Cover designt hatte) bei einem Glas Vernissagesekt zusammen, als ich lautlos herantrat und um ein Autogramm bat.
Er war gleich dazu bereit, und ich gab ihm einen Stift. Dann schlug ich – ein wohlgesetzter dramaturgischer Moment – die Mappe mit dem Foto auf.
„Das ist aber nicht von mir!“, rief Vollmer sogleich überrascht aus und schien zu meinem aufkeimenden Entsetzen alle Anstalten zu machen, die Unterzeichnung zu verweigern.
Ich beschwichtigte ihn dergestalt, dass ja die Motividee von ihm stamme und als solche natürlich signierenswert sei, auch wenn die pophistorische Lichtgestalt Lennon durch einen unwürdigen Blogger blablabla …
Beruhigt und beherzt setzte der Meisterfotograf (74) daraufhin den Kugelschreiber an und unterzeichnete. Zu Hause steckte ich die Devotionalie sofort in einen Echtholzrahmen und ging zwei Tage später zum Konzert von Lennons Witwe Yoko Ono, was die Woche aufs Allersinnigste abrundete.
Die Ausstellung läuft übrigens noch bis zum 5. September, Eintritt frei.
PS: Das Originalmotiv links hat Vollmer mir natürlich nicht signiert. Das ist Photoshop, haha! Leider steht dieses Foto bei der Ausstellung auch nicht zum Verkauf, da Vollmer es schon vor einiger Zeit an Yoko Ono veräußert hat. Angebote für den Erwerb meines Fotos mit der Originalsignatur nehmen ich und Sotheby’s indes ab sofort entgegen. (Spaaaaß!)
Dieses Foto machte Lennon Mitte der 70er zum Cover seines Albums „Rock’n’Roll“, und 30 Jahre später stellte ich es mit Ms. Columbos Hilfe am Originalschauplatz nach – wir berichteten.
Als ich nun zur Vollmer-Vernissage ins East aufbrechen wollte, dachte ich mir: Warum druckst du das Foto mit dir als Lennon nicht aus, steckst es in eine Mappe, nimmst es mit, schnappst dir Vollmer in einem günstigen Moment und lässt es dir signieren?
Schnapsideen muss man sofort umsetzen oder sie ganz lassen, und zwar für immerdar, also druckte ich es aus, steckte es in eine Mappe, ging damit ins East und wartete auf den günstigen Vollmer-Moment, um es mir signieren zu lassen.
Er kam auch. Vollmer, dessen 1961er-Pilzkopfschnitt die Beatles so umwerfend fanden, dass sie ihn baten, in diesem Sinne an ihnen herumzuschnippeln – der Rest ist Geschichte –, Vollmer also saß mit Klaus Voormann (der das „Revolver“-Cover designt hatte) bei einem Glas Vernissagesekt zusammen, als ich lautlos herantrat und um ein Autogramm bat.
Er war gleich dazu bereit, und ich gab ihm einen Stift. Dann schlug ich – ein wohlgesetzter dramaturgischer Moment – die Mappe mit dem Foto auf.
„Das ist aber nicht von mir!“, rief Vollmer sogleich überrascht aus und schien zu meinem aufkeimenden Entsetzen alle Anstalten zu machen, die Unterzeichnung zu verweigern.
Ich beschwichtigte ihn dergestalt, dass ja die Motividee von ihm stamme und als solche natürlich signierenswert sei, auch wenn die pophistorische Lichtgestalt Lennon durch einen unwürdigen Blogger blablabla …
Beruhigt und beherzt setzte der Meisterfotograf (74) daraufhin den Kugelschreiber an und unterzeichnete. Zu Hause steckte ich die Devotionalie sofort in einen Echtholzrahmen und ging zwei Tage später zum Konzert von Lennons Witwe Yoko Ono, was die Woche aufs Allersinnigste abrundete.
Die Ausstellung läuft übrigens noch bis zum 5. September, Eintritt frei.
PS: Das Originalmotiv links hat Vollmer mir natürlich nicht signiert. Das ist Photoshop, haha! Leider steht dieses Foto bei der Ausstellung auch nicht zum Verkauf, da Vollmer es schon vor einiger Zeit an Yoko Ono veräußert hat. Angebote für den Erwerb meines Fotos mit der Originalsignatur nehmen ich und Sotheby’s indes ab sofort entgegen. (Spaaaaß!)
06 August 2013
High five, Hieronymus
Heute las ich auf Spiegel online die Geschichte eines US-amerikanischen Touristen, der in einem Museum in Florenz einer mittelalterlichen Statue den Finger abgerissen hat. Eventuell wollte er ihr ein high five geben.
Der (US-amerikanische!) Direktor des Museums, Timothy Verdon, beklagte laut Spon bitterlich die verrohten Sitten im Hier und Jetzt: „In einer globalisierten Welt wie der unseren“, schüttelte der Mann fassungslos den Kopf, „scheint man eine der grundlegenden Regeln für den Besuch von Museen vergessen zu haben: nämlich dass man die Werke nicht anfassen darf.“
Nun, ich kann ihn beruhigen: Das gilt nicht nur für eine globalisierte Welt wie die unsere, sondern auch für die unglobalisierte von gestern. Mir ist nämlich ein ähnlicher Fall aus den 80er Jahren bekannt. Er spielte in der Alten Pinakothek in München, und der für die verrohten Sitten zuständige Vollhorst war – ich.
Damals war ich ganz vernarrt in Deep Purples titelloses, doch nach seinem zentralen Stück als „April“ bekanntes Album, welches ein Gemälde des niederländischen Meisters Hieronymus Bosch (1450–1516) als Covermotiv zeigt. Das Bild ist Teil des Triptychons „Der Garten der Lüste“ und bekannt als „Die musikalische Hölle“ (s. Ausschnitt oben).
Darauf wird munter gemetzelt und gemeuchelt, und zwar gerne auch mal mit Musikinstrumenten; dass Deep Purple mit dieser Coverwahl also sich selbst und die Rezeptionsgeschichte des Hardrock ein wenig auf die Schippe nehmen, ging mir erst viele Jahre später auf, genauer gesagt: gerade eben.
In seiner Lust an Folterszenen jedenfalls zeigt der Maler höchst eindrucksvoll, welch verheerende Wirkung die Lektüre der Bibel auf die Synapsen selbst eines Jahrhundertgenies haben kann. Mit seiner psychedelischen Apokalyptik lieferte Bosch quasi die „Saw“-Serie des Mittelalters und wirkte damit auf das noch nicht völlig ausgeformte Hirn des jungen Matt durchaus faszinierend, zumal in Verbindung mit der Musik von Deep Purple.
Boschs Bilder boten schaurigschöne Trips in die Hölle und zurück, echt wahr, und mit diesem Vorwissen ging ich auf Klassenfahrt nach München und landete in der Alten Pinakothek. Und siehe da: Dort hing zu meinem wohligen Erschaudern ein echtes Gemälde von Herrn Bosch! Er höchstselbst hatte den Pinsel geführt, seine Hände die Leinwand gespannt.
Selbstverständlich handelte es sich wieder mal um eine fieberheiße Höllenfantasie abgründigster Natur. Es war aber nicht „Der Garten der Lüste“, das weiß ich noch. Welches Werk aber dann? Leider nicht mehr festzustellen, denn heutzutage hängt kein Bosch mehr in der Alten Pinakothek, wie eine kurze Recherche ergab – und ich hoffe nicht, dass diese Tatsache irgendetwas mit mir zu tun hat.
Ich stellte mich jedenfalls fasziniert vor Boschs Bild, welches einfach so an der Wand hing, ungeschützt, weder in einer Vitrine noch hinter einer Scheibe; wenn ich mich recht erinnere, hielt nicht mal eine Anstandskordel unsereins auf Abstand. Nein, der 500-jährige Firnis der Leinwand wurde unmittelbar umfächelt von der Atemluft der Moderne, falls man so großmütig sein möchte, die trüben 80er dieser Ära zuzurechnen.
Neben mir hielten sich verwirrte Mitschüler auf, die ich mit meinem Deep-Purple-generierten Bosch-Fachwissen zutextete. Während der Exegese wies ich mit dem Finger mal hier-, mal dorthin, kam der Leinwand in meinem Eifer plötzlich unbemerkt sehr nah – und dann geschah es:
Ich berührte sie.
Mein Finger auf der Farbe, die Hieronymus Bosch einst aufgetragen hatte. Mal eben ein halbes Jahrtausend überbrückt mit einer unbedachten Bewegung. Hier Hieronymus, der Kunstolympier, da ein Deep-Purple-Fan in einem schlecht sitzenden 80er-Jahre-Cordsakko, und beide teilten jetzt und für immer eine Erfahrung: die gleiche Stelle auf einem unsterblichen Gemälde berührt zu haben.
In meiner Erinnerung dauerte es keine zwei Sekunden vom erschreckten Zurückzucken meiner Hand bis zum Losheulen einer Sirene. Ich eilte geduckt weg vom Tatort, meine Mitschüler hinterher. In der Alten Pinakothek herrschte Aufregung, Ordnungskräfte eilten herbei, die Besucher schauten erschrocken, wildes Stimmengewirr.
Ich eilte durch die Menge zum Ausgang – adrenalinüberflutet, weil ich mir intuitiv sicher war, der Grund für den Alarm zu sein. Und ich entkam.
Was mich heute vor allem wundert, ist die widersprüchliche Strategie des Museums. Einerseits konnte jeder, der sich der damals noch unglobalisierten Welt zum Trotz bereits präventiv verrohte Sitten antrainiert hatte, ein Gemälde betatschen, weil es ungeschützt dahing; andererseits löste anscheinend schon ein Moskito, der sich im Garten der Lüste eine Verschnaufpause gönnen wollte, einen Großalarm in halb Bayern aus.
Jedenfalls habe ich noch nie einer florentinischen Statue einen Finger abgebrochen, und das plane ich dereinst, wenn Hieronymus Bosch mich zur Rede stellen wird, zu meiner Verteidigung anzuführen.
Und dann werden wir uns ein high five geben.
Der (US-amerikanische!) Direktor des Museums, Timothy Verdon, beklagte laut Spon bitterlich die verrohten Sitten im Hier und Jetzt: „In einer globalisierten Welt wie der unseren“, schüttelte der Mann fassungslos den Kopf, „scheint man eine der grundlegenden Regeln für den Besuch von Museen vergessen zu haben: nämlich dass man die Werke nicht anfassen darf.“
Nun, ich kann ihn beruhigen: Das gilt nicht nur für eine globalisierte Welt wie die unsere, sondern auch für die unglobalisierte von gestern. Mir ist nämlich ein ähnlicher Fall aus den 80er Jahren bekannt. Er spielte in der Alten Pinakothek in München, und der für die verrohten Sitten zuständige Vollhorst war – ich.
Damals war ich ganz vernarrt in Deep Purples titelloses, doch nach seinem zentralen Stück als „April“ bekanntes Album, welches ein Gemälde des niederländischen Meisters Hieronymus Bosch (1450–1516) als Covermotiv zeigt. Das Bild ist Teil des Triptychons „Der Garten der Lüste“ und bekannt als „Die musikalische Hölle“ (s. Ausschnitt oben).
Darauf wird munter gemetzelt und gemeuchelt, und zwar gerne auch mal mit Musikinstrumenten; dass Deep Purple mit dieser Coverwahl also sich selbst und die Rezeptionsgeschichte des Hardrock ein wenig auf die Schippe nehmen, ging mir erst viele Jahre später auf, genauer gesagt: gerade eben.
In seiner Lust an Folterszenen jedenfalls zeigt der Maler höchst eindrucksvoll, welch verheerende Wirkung die Lektüre der Bibel auf die Synapsen selbst eines Jahrhundertgenies haben kann. Mit seiner psychedelischen Apokalyptik lieferte Bosch quasi die „Saw“-Serie des Mittelalters und wirkte damit auf das noch nicht völlig ausgeformte Hirn des jungen Matt durchaus faszinierend, zumal in Verbindung mit der Musik von Deep Purple.
Boschs Bilder boten schaurigschöne Trips in die Hölle und zurück, echt wahr, und mit diesem Vorwissen ging ich auf Klassenfahrt nach München und landete in der Alten Pinakothek. Und siehe da: Dort hing zu meinem wohligen Erschaudern ein echtes Gemälde von Herrn Bosch! Er höchstselbst hatte den Pinsel geführt, seine Hände die Leinwand gespannt.
Selbstverständlich handelte es sich wieder mal um eine fieberheiße Höllenfantasie abgründigster Natur. Es war aber nicht „Der Garten der Lüste“, das weiß ich noch. Welches Werk aber dann? Leider nicht mehr festzustellen, denn heutzutage hängt kein Bosch mehr in der Alten Pinakothek, wie eine kurze Recherche ergab – und ich hoffe nicht, dass diese Tatsache irgendetwas mit mir zu tun hat.
Ich stellte mich jedenfalls fasziniert vor Boschs Bild, welches einfach so an der Wand hing, ungeschützt, weder in einer Vitrine noch hinter einer Scheibe; wenn ich mich recht erinnere, hielt nicht mal eine Anstandskordel unsereins auf Abstand. Nein, der 500-jährige Firnis der Leinwand wurde unmittelbar umfächelt von der Atemluft der Moderne, falls man so großmütig sein möchte, die trüben 80er dieser Ära zuzurechnen.
Neben mir hielten sich verwirrte Mitschüler auf, die ich mit meinem Deep-Purple-generierten Bosch-Fachwissen zutextete. Während der Exegese wies ich mit dem Finger mal hier-, mal dorthin, kam der Leinwand in meinem Eifer plötzlich unbemerkt sehr nah – und dann geschah es:
Ich berührte sie.
Mein Finger auf der Farbe, die Hieronymus Bosch einst aufgetragen hatte. Mal eben ein halbes Jahrtausend überbrückt mit einer unbedachten Bewegung. Hier Hieronymus, der Kunstolympier, da ein Deep-Purple-Fan in einem schlecht sitzenden 80er-Jahre-Cordsakko, und beide teilten jetzt und für immer eine Erfahrung: die gleiche Stelle auf einem unsterblichen Gemälde berührt zu haben.
In meiner Erinnerung dauerte es keine zwei Sekunden vom erschreckten Zurückzucken meiner Hand bis zum Losheulen einer Sirene. Ich eilte geduckt weg vom Tatort, meine Mitschüler hinterher. In der Alten Pinakothek herrschte Aufregung, Ordnungskräfte eilten herbei, die Besucher schauten erschrocken, wildes Stimmengewirr.
Ich eilte durch die Menge zum Ausgang – adrenalinüberflutet, weil ich mir intuitiv sicher war, der Grund für den Alarm zu sein. Und ich entkam.
Was mich heute vor allem wundert, ist die widersprüchliche Strategie des Museums. Einerseits konnte jeder, der sich der damals noch unglobalisierten Welt zum Trotz bereits präventiv verrohte Sitten antrainiert hatte, ein Gemälde betatschen, weil es ungeschützt dahing; andererseits löste anscheinend schon ein Moskito, der sich im Garten der Lüste eine Verschnaufpause gönnen wollte, einen Großalarm in halb Bayern aus.
Jedenfalls habe ich noch nie einer florentinischen Statue einen Finger abgebrochen, und das plane ich dereinst, wenn Hieronymus Bosch mich zur Rede stellen wird, zu meiner Verteidigung anzuführen.
Und dann werden wir uns ein high five geben.
04 August 2013
Fundstücke (179)
Travemünde heute Nachmittag: ein Trennstrich zu wenig, ein paar Wolken zu viel – die perfekte Mischung.
Dass die Preußen aus Münster den FC St. Pauli aus dem DFB-Pokal warfen, lag eindeutig daran, dass sie sich nicht scheuten, auch zu höchst unlauteren Mitteln zu greifen … (Foto: Sky-Screenshot)
Auf dem Kiez gibt es übrigens nichts, was man nicht käuflich erwerben kann. Quod erat demonstrandum.
31 Juli 2013
Ideologischer Hirnschaden
Ein hübscher Shitstorm tobt zurzeit auf der Seite der St.-Pauli-Ultras.
Die wollen einen Fan, der beruflich bei der Polizei Vergewaltiger jagt, nicht mehr in ihren Reihen auf der Südtribüne dulden. Nicht, weil der Mann sich als Fan irgendetwas FCSP-Schädliches hätte zu schulden kommen lassen. Nein, einfach weil er von der Bundesrepublik Deutschland – dem barbarischen Schweinesystem also – dafür bezahlt wird, Vergewaltiger zu jagen.
Die Ultras offenbaren damit einen ideologischen Schwersthirnschaden, der bereits spätestens ab Mitte der 80er von vorvorgestern war, aber anscheinend jederzeit neu erworben werden kann, wenn man nur jung und dumm genug ist.
Peinlicherweise schweigt die Vereinsführung des FC St. Pauli dazu höchst vernehmlich, obwohl der Fall inzwischen längst überregional Schlagzeilen macht, den Ruf des Vereins beschädigt und somit eine Stellungnahme dringend erforderlich wäre.
Dazu sieht sich die Vereinsführung aber anscheinend nicht in der Lage, weshalb ich nun nachträglich noch zufriedener damit bin, meine Mitgliedschaft vor einiger Zeit wieder beendet zu haben.
Ich wüsste übrigens gern, was der Berufskollege des ausgegrenzten Fans, der Kommissar und FCSP-Mannschaftskapitän Fabian Boll, über die ganze Sache denkt.
Gerne als Kommentar, danke.
Die wollen einen Fan, der beruflich bei der Polizei Vergewaltiger jagt, nicht mehr in ihren Reihen auf der Südtribüne dulden. Nicht, weil der Mann sich als Fan irgendetwas FCSP-Schädliches hätte zu schulden kommen lassen. Nein, einfach weil er von der Bundesrepublik Deutschland – dem barbarischen Schweinesystem also – dafür bezahlt wird, Vergewaltiger zu jagen.
Die Ultras offenbaren damit einen ideologischen Schwersthirnschaden, der bereits spätestens ab Mitte der 80er von vorvorgestern war, aber anscheinend jederzeit neu erworben werden kann, wenn man nur jung und dumm genug ist.
Peinlicherweise schweigt die Vereinsführung des FC St. Pauli dazu höchst vernehmlich, obwohl der Fall inzwischen längst überregional Schlagzeilen macht, den Ruf des Vereins beschädigt und somit eine Stellungnahme dringend erforderlich wäre.
Dazu sieht sich die Vereinsführung aber anscheinend nicht in der Lage, weshalb ich nun nachträglich noch zufriedener damit bin, meine Mitgliedschaft vor einiger Zeit wieder beendet zu haben.
Ich wüsste übrigens gern, was der Berufskollege des ausgegrenzten Fans, der Kommissar und FCSP-Mannschaftskapitän Fabian Boll, über die ganze Sache denkt.
Gerne als Kommentar, danke.
28 Juli 2013
Unterwegs im Speckgürtel
„Immer, wenn ich so ein Schwein sehe“, sagte Ms. Columbo beim Anblick dieses Hängebauchschweins im Wildpark Schwarze Berge, in dessen schattige Wälder uns die Großstadthitze vertrieben hatte, „dann rechne ich es in Koteletts um.“
Allein für solche Bemerkungen lohnen sich die Ausflüge mit Ms. Columbo bereits, aber auch aus diversen anderen Gründen. Auch gestern waren wir in den Hamburger Speckgürtel gezockelt, und zwar zum Tomatenfest einer Demeter-Gärtnerei in Ochsenwerder.
Eigentlich hätte Ms. Columbo konsequenterweise den ganzen Ort Ochsenwerder in Rinderfilets umrechnen müssen, doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen geriet uns die abgebildete Hausfassade in den Blick und warf die Frage auf: Ist das nun der dämlichste Tippfehler seit Erfindung des Einzelhandels oder eine pfiffige und wahrscheinlich nicht mal justiziable Markenverulkung?
Klären konnten wir das vor Ort freilich nicht, zumal das Haus leerstand. Sogar eine Scheibe war zerborsten – wahrscheinlich das Werk eines von der Edeka-Kette beauftragten Fenstereinschmeißers, die so ihren Willen zum außergerichtlichen Dialog kundtun wollte.
Vorher hatten wir auf einem Flohmarkt in Hausbruch vorbeigeschaut, wo ich einen formidablen blauen Zegna-Zweireiher erwarb, der mir allerdings zu groß ist. Bei Kaufinteresse bitte Mail.
Allein für solche Bemerkungen lohnen sich die Ausflüge mit Ms. Columbo bereits, aber auch aus diversen anderen Gründen. Auch gestern waren wir in den Hamburger Speckgürtel gezockelt, und zwar zum Tomatenfest einer Demeter-Gärtnerei in Ochsenwerder.
Eigentlich hätte Ms. Columbo konsequenterweise den ganzen Ort Ochsenwerder in Rinderfilets umrechnen müssen, doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen geriet uns die abgebildete Hausfassade in den Blick und warf die Frage auf: Ist das nun der dämlichste Tippfehler seit Erfindung des Einzelhandels oder eine pfiffige und wahrscheinlich nicht mal justiziable Markenverulkung?
Klären konnten wir das vor Ort freilich nicht, zumal das Haus leerstand. Sogar eine Scheibe war zerborsten – wahrscheinlich das Werk eines von der Edeka-Kette beauftragten Fenstereinschmeißers, die so ihren Willen zum außergerichtlichen Dialog kundtun wollte.
Vorher hatten wir auf einem Flohmarkt in Hausbruch vorbeigeschaut, wo ich einen formidablen blauen Zegna-Zweireiher erwarb, der mir allerdings zu groß ist. Bei Kaufinteresse bitte Mail.
24 Juli 2013
21 Juli 2013
Acht Gründe, weshalb ich für Prism ein Nazi bin
Für Prism bin ich höchstwahrscheinlich ein Rechter. Zu viel spricht gegen mich, die Beweislage ist geradezu erdrückend.
Meine Metadaten liefern seit Jahren Verdachtsmomente genug, um einen „full take“ zu veranlassen – also auch die Erfassung sämtlicher Inhalte meiner Netzaktivitäten. Und die liefern den Prism-Bots ein eindeutiges Bild. Hier die acht wichtigsten Ermittlungsergebnisse:
a) Ich habe vor einigen Jahren mal einem Freund meine Einschätzung zum Kinofilm „Der Untergang“ elektronisch übermittelt.
b) Im Internet habe ich mir die geleakten internen E-Mails der NPD runtergeladen, um zu erfahren, wie bestialisch die Denkkacke dieser Leute wirklich stinkt.
c) Hie und da schrieb auch ich das (ironische! IRONISCHE!) Twittermem #hitlervergleich fort – etwa in dem Tweet: „Wussten Sie eigentlich, wer auch geatmet hat? Richtig.“
d) Die Hintergrundfarbe meines Blogs ist eine Art braun. Von Anfang an.
e) Das gestrige Blogfoto zeigt unter anderem das Wort „Nazis“.
f) Meine Musiksammlung in der iCloud enthält zwei Rammstein-Songs.
g) Meine Musiksammlung in der iCloud enthält keinen Böhse-Onkelz-Song – was umso mehr gegen mich spricht, als diese Tatsache natürlich meine wahre Gesinnung nur (un)geschickt vertuschen soll.
h) Dieser Blogeintrag hier verdoppelt sämtliche soeben aufgezählten Verfehlungen.
Wie man sieht, ergibt all das aus Sicht der Prism-Algorithmen ein glasklares Persönlichkeitsprofil, und seine Exegese lautet: Ich bin höchstwahrscheinlich ein Rechter.
Meine einzige Rettung: Die NSA interessiert sich ü-b-e-r-h-a-u-p-t nicht für Nazis.
PS: Die abgebildeten hochmodernen Funkmasten auf dem Reeperbahnhaus gegenüber wurden erst vor wenigen Tagen installiert. Und warum wohl? Ganz genau!
Meine Metadaten liefern seit Jahren Verdachtsmomente genug, um einen „full take“ zu veranlassen – also auch die Erfassung sämtlicher Inhalte meiner Netzaktivitäten. Und die liefern den Prism-Bots ein eindeutiges Bild. Hier die acht wichtigsten Ermittlungsergebnisse:
a) Ich habe vor einigen Jahren mal einem Freund meine Einschätzung zum Kinofilm „Der Untergang“ elektronisch übermittelt.
b) Im Internet habe ich mir die geleakten internen E-Mails der NPD runtergeladen, um zu erfahren, wie bestialisch die Denkkacke dieser Leute wirklich stinkt.
c) Hie und da schrieb auch ich das (ironische! IRONISCHE!) Twittermem #hitlervergleich fort – etwa in dem Tweet: „Wussten Sie eigentlich, wer auch geatmet hat? Richtig.“
d) Die Hintergrundfarbe meines Blogs ist eine Art braun. Von Anfang an.
e) Das gestrige Blogfoto zeigt unter anderem das Wort „Nazis“.
f) Meine Musiksammlung in der iCloud enthält zwei Rammstein-Songs.
g) Meine Musiksammlung in der iCloud enthält keinen Böhse-Onkelz-Song – was umso mehr gegen mich spricht, als diese Tatsache natürlich meine wahre Gesinnung nur (un)geschickt vertuschen soll.
h) Dieser Blogeintrag hier verdoppelt sämtliche soeben aufgezählten Verfehlungen.
Wie man sieht, ergibt all das aus Sicht der Prism-Algorithmen ein glasklares Persönlichkeitsprofil, und seine Exegese lautet: Ich bin höchstwahrscheinlich ein Rechter.
Meine einzige Rettung: Die NSA interessiert sich ü-b-e-r-h-a-u-p-t nicht für Nazis.
PS: Die abgebildeten hochmodernen Funkmasten auf dem Reeperbahnhaus gegenüber wurden erst vor wenigen Tagen installiert. Und warum wohl? Ganz genau!
19 Juli 2013
17 Juli 2013
Der Chemie ist nicht zu trauen
Schon immer hatte ich intuitiv vermutet, dass man eine dubiose Tätigkeit namens „chemische Reinigung“ am besten zu übersetzen hat mit: „Wir tun gar nix, bitten Sie dafür aber herzlich gern zur Kasse.“
Die Verifikation dieser Vermutung erfolgte heute, als ich zwei auf dem Flohmarkt günstig geschossene Canali-Zweireiher aus reiner (und daher nicht waschbarer) Schurwolle von der Reinigung abholte. Als ich sie abgegeben hatte, wiesen die Hosen am Innenbund teils erhebliche Verschmutzungen auf, und jetzt, als ich sie abholte, hatte sich an diesem Status Folgendes geändert: nichts.
„Das sieht ja genau so aus wie vorher“, murrte ich verstimmt, während ich der Reinigungskraft vorwurfsvoll die Innenbünde entgegenhielt. Das müsse man halt waschen, antwortete die Frau, eine von jahrelanger Reeperbahnkundschaft hartgesottene Fachkraft. Ich hingegen bin nach all den Jahren auf dem Kiez noch immer eher zartgesotten und wandte daher zaghaft ein, Waschen ginge meines Wissens nicht, wegen Schurwolle und so.
Doch, sagte sie, da gäbe es ein spezielles Waschprogramm, das koste nicht mal mehr. Warum man diese Methode dann nicht bei meinen Anzügen angewandt habe, fragte ich mit inzwischen leicht bohrendem Unterton. Weil die Verschmutzungen dank meines Schweigens beim Erstbesuch unbekannt geblieben seien, sagte sie.
Einen Reinigungsauftrag, erwiderte ich inzwischen recht aufgebracht, müsse man doch wohl nicht mikrogeografisch spezifizieren; man komme als Kunde nun mal mit verschmutzter Kleidung und nähme sie sauber wieder mit – so meine, wie ich zugeben muss, laienhafte Vorstellung von „Reinigung“.
Nach einigem Hin und Her endete die ganze Geschichte damit, dass die Dame meine beiden Canali-Wollanzüge dabehielt und sie nun dem hochbrisanten Vorgang des speziellen Waschens unterziehen will. Und das alles belegt letztlich meine eingangs formulierte These zur chemischen Reinigung, was mich auf eine mir selbst ein wenig suspekte Art befriedigt.
Morgen jedenfalls wird ein spannender Tag. Die Canalis sind nämlich pro Stück mehrere hundert Euro wert, ob günstig geschossen oder nicht.
Update: Die meisten Flecken waren immer noch da – und zwar, weil die Anzüge doch nicht gewaschen worden waren. Grund: Ich hätte ja die Reinigung mit einer entsprechenden Unterschrift nicht von der Haftung entbunden. Wäre natürlich kein Problem gewesen, wenn man mir das nur vorgeschlagen hätte! Ich lachte höhnisch auf, woraufhin die Fachkraft mal telefonieren musste. Als sie zurückkam, hieß es, die Anzüge seien doch gewaschen worden. „Etwa ohne meine Unterschrift?“, brummte ich bedrohlich. „Ja, wenn etwas schiefgegangen wäre“, erklärte mir die Frau, „wäre das auf meine Kappe gegangen, ich wäre die Idiotin gewesen.“
So kann selbst ein kleiner Dienstleistungsauftrag zu unterhaltsamsten Verwickl- und Verwerfungen führen.
Die Verifikation dieser Vermutung erfolgte heute, als ich zwei auf dem Flohmarkt günstig geschossene Canali-Zweireiher aus reiner (und daher nicht waschbarer) Schurwolle von der Reinigung abholte. Als ich sie abgegeben hatte, wiesen die Hosen am Innenbund teils erhebliche Verschmutzungen auf, und jetzt, als ich sie abholte, hatte sich an diesem Status Folgendes geändert: nichts.
„Das sieht ja genau so aus wie vorher“, murrte ich verstimmt, während ich der Reinigungskraft vorwurfsvoll die Innenbünde entgegenhielt. Das müsse man halt waschen, antwortete die Frau, eine von jahrelanger Reeperbahnkundschaft hartgesottene Fachkraft. Ich hingegen bin nach all den Jahren auf dem Kiez noch immer eher zartgesotten und wandte daher zaghaft ein, Waschen ginge meines Wissens nicht, wegen Schurwolle und so.
Doch, sagte sie, da gäbe es ein spezielles Waschprogramm, das koste nicht mal mehr. Warum man diese Methode dann nicht bei meinen Anzügen angewandt habe, fragte ich mit inzwischen leicht bohrendem Unterton. Weil die Verschmutzungen dank meines Schweigens beim Erstbesuch unbekannt geblieben seien, sagte sie.
Einen Reinigungsauftrag, erwiderte ich inzwischen recht aufgebracht, müsse man doch wohl nicht mikrogeografisch spezifizieren; man komme als Kunde nun mal mit verschmutzter Kleidung und nähme sie sauber wieder mit – so meine, wie ich zugeben muss, laienhafte Vorstellung von „Reinigung“.
Nach einigem Hin und Her endete die ganze Geschichte damit, dass die Dame meine beiden Canali-Wollanzüge dabehielt und sie nun dem hochbrisanten Vorgang des speziellen Waschens unterziehen will. Und das alles belegt letztlich meine eingangs formulierte These zur chemischen Reinigung, was mich auf eine mir selbst ein wenig suspekte Art befriedigt.
Morgen jedenfalls wird ein spannender Tag. Die Canalis sind nämlich pro Stück mehrere hundert Euro wert, ob günstig geschossen oder nicht.
Update: Die meisten Flecken waren immer noch da – und zwar, weil die Anzüge doch nicht gewaschen worden waren. Grund: Ich hätte ja die Reinigung mit einer entsprechenden Unterschrift nicht von der Haftung entbunden. Wäre natürlich kein Problem gewesen, wenn man mir das nur vorgeschlagen hätte! Ich lachte höhnisch auf, woraufhin die Fachkraft mal telefonieren musste. Als sie zurückkam, hieß es, die Anzüge seien doch gewaschen worden. „Etwa ohne meine Unterschrift?“, brummte ich bedrohlich. „Ja, wenn etwas schiefgegangen wäre“, erklärte mir die Frau, „wäre das auf meine Kappe gegangen, ich wäre die Idiotin gewesen.“
So kann selbst ein kleiner Dienstleistungsauftrag zu unterhaltsamsten Verwickl- und Verwerfungen führen.
14 Juli 2013
So weit, so Kot
Aus hier nicht näher zu erläuternden Gründen gewähren wir gerade für ein paar Tage dem heimatvertriebenen German Psycho Asyl.
Als wir gemeinsam auf dem Balkon sitzen und gemütlich das sonntägliche Treiben unten auf der Straße verfolgen, sehen wir an der Postfiliale einen Hund sein großes Geschäft verrichten.
Das ist ganz alltäglich – und die deutlich angenehmere Variante dieser Tätigkeit, denn hier auf dem Kiez neigen auch vermeintlich höher entwickelte Säugetiere zu vergleichbarem Verhalten, und zwar geschlechtsübergreifend, wie ich leider sagen muss.
So weit, so Kot also – doch dann geschieht etwas geradezu Unerhörtes, es verschlägt mir schier den Atem: Das dabeistehende Herrchen kramt eine schwarze Plastiktüte hervor, ergreift damit die Hinterlassenschaft Hundis und wirft sie in den parat stehenden Mülleimer. So etwas – Kacke, die aufgesammelt wird – habe ich in 18 Kiezjahren noch nicht erlebt.
„Wahrscheinlich ein Schwabe“, murmelt German Psycho, während er behaglich an der Kippe zieht. Dann hören wir Herrchen allerdings mit seinem Vierbeiner reden, und das klingt sehr Hamburgisch.
Die einzige Erklärung für dieses bizarre Verhalten, die mir einfällt, ist daher folgende: Die bloße Präsenz von German Pyscho in unserem Viertel führt bereits zu einer intuitiven Disziplinierung des Plebs. Er ist gleichsam der Travis Bickle von St. Pauli.
Vielleicht sollten wir seinen Aufenthalt unbefristet verlängern.
PS: Mit dem Foto unserer Vorspeise heute Abend im Restaurant Mazza hat das natürlich alles nichts zu tun (außer der Tatsache, dass alles, was unten rauskommt, erst mal oben rein muss), aber ich möchte Ihnen eine realistischere Bebilderung nicht zumuten. Man nennt mich eben nicht umsonst auch Mr. Rücksichtsvoll.
Als wir gemeinsam auf dem Balkon sitzen und gemütlich das sonntägliche Treiben unten auf der Straße verfolgen, sehen wir an der Postfiliale einen Hund sein großes Geschäft verrichten.
Das ist ganz alltäglich – und die deutlich angenehmere Variante dieser Tätigkeit, denn hier auf dem Kiez neigen auch vermeintlich höher entwickelte Säugetiere zu vergleichbarem Verhalten, und zwar geschlechtsübergreifend, wie ich leider sagen muss.
So weit, so Kot also – doch dann geschieht etwas geradezu Unerhörtes, es verschlägt mir schier den Atem: Das dabeistehende Herrchen kramt eine schwarze Plastiktüte hervor, ergreift damit die Hinterlassenschaft Hundis und wirft sie in den parat stehenden Mülleimer. So etwas – Kacke, die aufgesammelt wird – habe ich in 18 Kiezjahren noch nicht erlebt.
„Wahrscheinlich ein Schwabe“, murmelt German Psycho, während er behaglich an der Kippe zieht. Dann hören wir Herrchen allerdings mit seinem Vierbeiner reden, und das klingt sehr Hamburgisch.
Die einzige Erklärung für dieses bizarre Verhalten, die mir einfällt, ist daher folgende: Die bloße Präsenz von German Pyscho in unserem Viertel führt bereits zu einer intuitiven Disziplinierung des Plebs. Er ist gleichsam der Travis Bickle von St. Pauli.
Vielleicht sollten wir seinen Aufenthalt unbefristet verlängern.
PS: Mit dem Foto unserer Vorspeise heute Abend im Restaurant Mazza hat das natürlich alles nichts zu tun (außer der Tatsache, dass alles, was unten rauskommt, erst mal oben rein muss), aber ich möchte Ihnen eine realistischere Bebilderung nicht zumuten. Man nennt mich eben nicht umsonst auch Mr. Rücksichtsvoll.
13 Juli 2013
Fundstücke (176): Die einzig wahre Diät
Man streiche dem Janus das J und ersetze Meditation durch „Kacken“ – schon ergibt die auf diesem Plakat beworbene Veranstaltung endlich so etwas wie Sinn. Und es funktioniert wirklich, versprochen!
Entdeckt in der Wohlwillstraße.
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (88)
Ästhetik der Regelverletzung: Pyronebel türkischer Fans beim Spiel FC St. Pauli–Beşiktaş Istanbul gestern Abend.
10 Juli 2013
Offener Brief an den NSA-Zuträger Apple
Von: Matt Wagner
Betreff: Aufforderung zur Änderung der AGBs anlässlich des NSA-Skandals
Datum: 10. Juli 2013 20:56:01 MESZ
An: media.de@apple.com
Sehr geehrter Herr Albrecht,
ich bin seit vielen Jahren Apple-Kunde, mein erster Rechner war ein Performa, dann kam ein iMac, schließlich diverse Power- und MacBooks, natürlich iPods, Airport Express, Apple-TV und so weiter. So um die 20.000 Euro dürften in den vergangenen 20 Jahren von meiner Börse in Ihre geflossen sein, aber das war es mir wert. Ich war (fast) immer nicht nur zufrieden, sondern begeistert von der Qualität Ihrer Produkte und von ihrer Schönheit und Eleganz.
Das galt auch für Ihre Software. Auf iTunes bin ich begeistert eingestiegen, als Sie die iCloud gestartet haben, war ich gefühlt der erste deutsche Abonnent. Und natürlich habe ich seit langem eine Apple-ID mit entsprechender Mailadresse.
Bei den letzten beiden Punkten aber wird es neuerdings heikel. Denn, wie inzwischen herauskam, haben Sie anscheinend dem amerikanischen Auslandsgeheimdienst NSA einen generellen Zugriff auf meine Cloud- und Maildaten erlaubt. Dabei bin ich kein Terrorist.
Ich finde das erschütternd. Denn all die Jahre habe ich Ihnen vertraut. Wenn meine Freunde sagten, sie würden Dienste wie Dropbox meiden, weil sie sich Sorgen um die Privatheit ihrer Daten machten, dann habe ich nur gelächelt. Schließlich war ich bei Apple, einer Firma, die von einem Hippie gegründet worden war, dem die privaten Entfaltungsmöglichkeiten über alles gingen. Ich wähnte meine Privatsphäre bei Ihnen sicher.
Aber das war sie nicht. Sie haben meine Daten geteilt. Obwohl Sie wussten, dass die NSA mit ihrer Forderung gegen nationale Gesetze und sogar gegen das Völkerrecht verstieß, haben Sie den Zugriff erlaubt und mich nicht darüber informiert.
Dabei hätten Sie nur nein sagen müssen.
Recht, Gesetz, Moral und Anstand wären auf Ihrer Seite gewesen. Und mir als Kunden gegenüber, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen, wären Sie dazu verpflichtet gewesen. Das ist ein schwerer Schlag für mich und meine Meinung über Sie. Ich fange an, über die 20.000 Euro nachzudenken, die ich Ihnen überlassen habe. Und ich denke ernsthaft nach über die Zukunft unserer Geschäftsbeziehung.
Daher meine Forderung an Sie: Versichern Sie mir, dass meine Daten von jetzt an sicher sind bei Ihnen. Versprechen Sie mir, dass Sie den unrechtmäßigen, völkerrechtswidrigen flächendeckenden geheimdienstlichen Zugriff auf Apple-Kundendaten – darunter auch meine – ab sofort unterbinden. Schreiben Sie das in Ihre AGBs, in die Geschäftsbedingungen, in die Kaufverträge.
Dann werde ich mit Sicherheit auch wieder einen mit Ihnen abschließen.
Auf eine baldige Zusage freue ich mich.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Wagner
PS: Diesen Brief werde ich als offenes Schreiben in meinem Blog veröffentlichen und erbitte die Erlaubnis, das auch mit Ihrer Antwort tun zu dürfen. Es ist – da sind wir uns sicher einig – in unserem gemeinsamen Interesse.
Update vom 22.7.2013
Nach zweimaligem Nachfragen kam heute eine Mail mit folgendem Text:
„Apple’s Commitment to Customer Privacy
June 16, 2013
Two weeks ago, when technology companies were accused of indiscriminately sharing customer data with government agencies, Apple issued a clear response: We first heard of the government’s “Prism” program when news organizations asked us about it on June 6. We do not provide any government agency with direct access to our servers, and any government agency requesting customer content must get a court order.
Like several other companies, we have asked the U.S. government for permission to report how many requests we receive related to national security and how we handle them. We have been authorized to share some of that data, and we are providing it here in the interest of transparency.
From December 1, 2012 to May 31, 2013, Apple received between 4,000 and 5,000 requests from U.S. law enforcement for customer data. Between 9,000 and 10,000 accounts or devices were specified in those requests, which came from federal, state and local authorities and included both criminal investigations and national security matters. The most common form of request comes from police investigating robberies and other crimes, searching for missing children, trying to locate a patient with Alzheimer’s disease, or hoping to prevent a suicide.
Regardless of the circumstances, our Legal team conducts an evaluation of each request and, only if appropriate, we retrieve and deliver the narrowest possible set of information to the authorities. In fact, from time to time when we see inconsistencies or inaccuracies in a request, we will refuse to fulfill it.
Apple has always placed a priority on protecting our customers’ personal data, and we don’t collect or maintain a mountain of personal details about our customers in the first place. There are certain categories of information which we do not provide to law enforcement or any other group because we choose not to retain it.
For example, conversations which take place over iMessage and FaceTime are protected by end-to-end encryption so no one but the sender and receiver can see or read them. Apple cannot decrypt that data. Similarly, we do not store data related to customers’ location, Map searches or Siri requests in any identifiable form.
We will continue to work hard to strike the right balance between fulfilling our legal responsibilities and protecting our customers’ privacy as they expect and deserve.“
07 Juli 2013
Im Paradies
Wintermütze, Kunstpelzmantel in Tigeroptik, dazu halblange Leggings über blauen Plastiksandalen: ouw-hah …
Was genau die Outfitentscheidungen dieses älteren Herrn beeinflusst haben mag, werden wir wohl nie erfahren, doch eins ist gewiss:
Es braucht wirklich keinen Schlagermove, um auf dem Kiez sehr merkwürdig ausstaffierten Menschen zu begegnen.
St. Pauli ist eben nicht nur ein Paradies zum Vögeln, sondern auch eins für Paradiesvögel.
Was genau die Outfitentscheidungen dieses älteren Herrn beeinflusst haben mag, werden wir wohl nie erfahren, doch eins ist gewiss:
Es braucht wirklich keinen Schlagermove, um auf dem Kiez sehr merkwürdig ausstaffierten Menschen zu begegnen.
St. Pauli ist eben nicht nur ein Paradies zum Vögeln, sondern auch eins für Paradiesvögel.
06 Juli 2013
Der ewige Kreislauf
Immer dasselbe anner Elbe: Strand, Wellen und Containerschiffe, rotgoldenes Sonnenuntergangslicht auf Hafenkränen, im Südwesten schwerfällig aufsteigende Airbusse, Bier am Lagerfeuer, nach Bratwurst duftender Grillrauch.
Es hätte alles viel schlimmer kommen können, was es auch bestimmt noch tut, aber bis dahin gilt es, der Elbe noch so oft wie möglich immer dasselbe abzutrotzen:
Strand, Wellen und Containerschiffe, rotgoldenes Sonnenuntergangslicht auf Hafenkränen, im Südwesten schwerfällig aufsteigende Airbusse, Bier am Lagerfeuer, nach Bratwurst duftender Grillrauch.
Wo war ich stehengeblieben?
04 Juli 2013
Pareidolie (63): Von Bussen, Pumps und Bigos
Nach vierstündigem zähen Herumsitzen auf einer WEG-Versammlung streckte mich der Tagesordnungspunkt 13.3 doch noch final nieder:
„Beschlussfassung über die Ergänzung der Hausordnung um den Punkt Hackenschuhverbot innerhalb der Wohnungen“
Draußen musste ich feststellen, dass der Bus – es ging schon gegen Mitternacht – mir vor der Nase weggefahren war und just auch noch hämisch die Taktfrequenz halbiert hatte.
Statt 40 Minuten zu warten, taperte ich in Gedanken, die um Hackenschuhverbote innerhalb von Wohnungen kreisten, Richtung U Lutterothstraße – und stellte nach einer Viertelstunde Flanage durchs laue Eimsbüttel fest, in die falsche Richtung gelaufen zu sein.
Doch wenn mir die menschliche Evolution eine Killerfähigkeit eingepflanzt hat, dann die zur gelassenen Improvisation, also programmierte ich das Ziel um auf U Osterstraße. Und jetzt, zu Hause angekommen, stellt sich die Frage, mit welchem Foto man so was bebildert, zumal Ms. Columbo über keine hochhackigen Schuhe verfügt.
Alternative (weil ich es kann): das polnische Grinsebrot, das sie in Swinemünde aushöhlen, um Bigos reinzufüllen. Pareidolie galore!
PS: Eine ganze Pareidoliegalerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
„Beschlussfassung über die Ergänzung der Hausordnung um den Punkt Hackenschuhverbot innerhalb der Wohnungen“
Draußen musste ich feststellen, dass der Bus – es ging schon gegen Mitternacht – mir vor der Nase weggefahren war und just auch noch hämisch die Taktfrequenz halbiert hatte.
Statt 40 Minuten zu warten, taperte ich in Gedanken, die um Hackenschuhverbote innerhalb von Wohnungen kreisten, Richtung U Lutterothstraße – und stellte nach einer Viertelstunde Flanage durchs laue Eimsbüttel fest, in die falsche Richtung gelaufen zu sein.
Doch wenn mir die menschliche Evolution eine Killerfähigkeit eingepflanzt hat, dann die zur gelassenen Improvisation, also programmierte ich das Ziel um auf U Osterstraße. Und jetzt, zu Hause angekommen, stellt sich die Frage, mit welchem Foto man so was bebildert, zumal Ms. Columbo über keine hochhackigen Schuhe verfügt.
Alternative (weil ich es kann): das polnische Grinsebrot, das sie in Swinemünde aushöhlen, um Bigos reinzufüllen. Pareidolie galore!
PS: Eine ganze Pareidoliegalerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
02 Juli 2013
Bettenbattle auf St. Pauli
Wie im April hier im Blog mit Befremden vermerkt, hat jemand Befugtes, wahrscheinlich die Stadt, überm Abluftschacht an der Simon-von-Utrecht-Straße einen großen Blechkasten platziert.
Damit sollten Obdachlose vergrämt werden, was auch ausgezeichnet gelang. Nun hatten zwei unbekannte Jungs eine hübsche, von zivilem Ungehorsam und sozialem Engagement gleichermaßen inspirierte Idee. Sie hebelten, wie in einem Bekennervideo zu sehen ist, die Frontseite des Kastens ab (Sachbeschädigung! Diebstahl!) und bauten zwei fabrikneue Betten rein (illegale Sperrmüllentsorgung!).
Allerdings waren die Betten nicht lange dort. Irgendwer hat sie inzwischen wieder mitgenommen, vielleicht die Stadt. Wenn ja, hätte sie aber bestimmt auch das Frontblech wieder angeschraubt, so dass alles wieder von vorne hätte losgehen können.
Jedenfalls: Seit der Kasten offen und damit das Warmluftgitter erneut zugänglich ist, sitzen jetzt manchmal auch wieder Obdachlose drin. Nur die Querstangen knapp überm Boden stören.
Eine Eisensäge könnte hier Wunder wirken.
Damit sollten Obdachlose vergrämt werden, was auch ausgezeichnet gelang. Nun hatten zwei unbekannte Jungs eine hübsche, von zivilem Ungehorsam und sozialem Engagement gleichermaßen inspirierte Idee. Sie hebelten, wie in einem Bekennervideo zu sehen ist, die Frontseite des Kastens ab (Sachbeschädigung! Diebstahl!) und bauten zwei fabrikneue Betten rein (illegale Sperrmüllentsorgung!).
Allerdings waren die Betten nicht lange dort. Irgendwer hat sie inzwischen wieder mitgenommen, vielleicht die Stadt. Wenn ja, hätte sie aber bestimmt auch das Frontblech wieder angeschraubt, so dass alles wieder von vorne hätte losgehen können.
Jedenfalls: Seit der Kasten offen und damit das Warmluftgitter erneut zugänglich ist, sitzen jetzt manchmal auch wieder Obdachlose drin. Nur die Querstangen knapp überm Boden stören.
Eine Eisensäge könnte hier Wunder wirken.
29 Juni 2013
Pest und Cholera
Noch nie war der Kiez derart vollgepflastert mit Dixiklos wie seit heute Morgen – eine verzweifelte Maßnahme gegen die dank Schlagermove stets explodierende Zahl der Wildpinkler, die unseren Stadtteil jährlich in eine noch größere Kloake verwandeln als sowieso üblich.
Der Effekt ist denn auch sofort deutlich spürbar: Die Hossahamas muss dank der von den Dixiklos verstellten Flächen deutlich länger suchen, bis sie eine freie Hauswand oder Einfahrt zum Wildbepinkeln gefunden hat. Schafft sie aber dann doch (siehe Foto). Denn auch nach der Inhalation von „Blau, blau, blau blüht der Enzian“ scheint das Resthirn dieser Schunkeldschihadisten zumindest die elementaren Körperfunktionen noch so steuern zu können, dass ihre öffentliche Sichtbarkeit sichergestellt ist.
Mit Ms. Columbo diskutiere ich, was weniger schlimmer für St. Pauli ist: Harley Days oder Schlagermove. Wer verliert, muss die Veranstaltung für nächstes Jahr absagen. Oder sagen wir bis 2030. Um das wissenschaftlich sauber zu ermitteln, arbeiten wir gemeinsam eine Liste ab.
Pinkeltechnisch ist die Sache schon mal klar: Hier punkten die Harleyhirnis. Anscheinend suchen sie bei aufkommender Notdurft entweder wirklich öffentliche Toiletten auf, oder sie tragen ordnungsgemäß Urinale unter der Kluft. Denkbar ist auch wasserdichtes Schuhwerk; das würde jedenfalls erklären, warum viele Mitglieder dieser Hubraumhisbollah ihre Lederhosen in die Stiefel stecken.
Jedenfalls gehen die Zweiradzombies erst mal 1:0 in Führung. Olfaktorisch allerdings kacken sie schwer ab. Klar, die Kornfeldkamarilla beginnt zwar im Verlauf der Veranstaltung immer unerträglicher zu müffeln, doch die Bikes haben einfach den erheblich größeren Dunstkreis. Zwischenstand also 1:1.
Kommen wir zur Schallentwicklung. Was ist nervenzerrüttender, fragen wir uns: der kakofonische 170-db-Dauerpegel der „Schmidtchen Schleicher“-Schnulzensalafisten oder das rhythmische Brüllen der Motorradmarodeure? Schweren Herzens muss ich zugeben: Letzteres. Und das bedeutet die vorläufige 2:1-Führung für die „Anita“-Al-Kaida.
Letzter Punkt unserer Liste: die Ästhetik. Die „Mendocino“-Amöben setzten auf grüne Polyesterperücken, Sonnenbrillen in Herzchenform und bis in den Schritt ihrer pinken Schlaghosen hinunterlappende Plastikblumenhalsketten, während die ergrauten PS-Pestbeulen auf den Liebreiz von Jeansjackentattoos und meterbreiten Nietengürteln über den Frührentnerwampen vertrauen. Und damit fügen die Auspuffpissnelken den Augen unschuldiger Opfer doch etwas weniger Schaden zu als die „Guildo hat euch lieb“-Guerilla.
Das Ergebnis ist also ein klares 2:2. Was laut selbsterlassenem Regelwerk bedeutet: Wir müssen bis auf weiteres beide Veranstaltungen ausfallen lassen. Tja.
Der Effekt ist denn auch sofort deutlich spürbar: Die Hossahamas muss dank der von den Dixiklos verstellten Flächen deutlich länger suchen, bis sie eine freie Hauswand oder Einfahrt zum Wildbepinkeln gefunden hat. Schafft sie aber dann doch (siehe Foto). Denn auch nach der Inhalation von „Blau, blau, blau blüht der Enzian“ scheint das Resthirn dieser Schunkeldschihadisten zumindest die elementaren Körperfunktionen noch so steuern zu können, dass ihre öffentliche Sichtbarkeit sichergestellt ist.
Mit Ms. Columbo diskutiere ich, was weniger schlimmer für St. Pauli ist: Harley Days oder Schlagermove. Wer verliert, muss die Veranstaltung für nächstes Jahr absagen. Oder sagen wir bis 2030. Um das wissenschaftlich sauber zu ermitteln, arbeiten wir gemeinsam eine Liste ab.
Pinkeltechnisch ist die Sache schon mal klar: Hier punkten die Harleyhirnis. Anscheinend suchen sie bei aufkommender Notdurft entweder wirklich öffentliche Toiletten auf, oder sie tragen ordnungsgemäß Urinale unter der Kluft. Denkbar ist auch wasserdichtes Schuhwerk; das würde jedenfalls erklären, warum viele Mitglieder dieser Hubraumhisbollah ihre Lederhosen in die Stiefel stecken.
Jedenfalls gehen die Zweiradzombies erst mal 1:0 in Führung. Olfaktorisch allerdings kacken sie schwer ab. Klar, die Kornfeldkamarilla beginnt zwar im Verlauf der Veranstaltung immer unerträglicher zu müffeln, doch die Bikes haben einfach den erheblich größeren Dunstkreis. Zwischenstand also 1:1.
Kommen wir zur Schallentwicklung. Was ist nervenzerrüttender, fragen wir uns: der kakofonische 170-db-Dauerpegel der „Schmidtchen Schleicher“-Schnulzensalafisten oder das rhythmische Brüllen der Motorradmarodeure? Schweren Herzens muss ich zugeben: Letzteres. Und das bedeutet die vorläufige 2:1-Führung für die „Anita“-Al-Kaida.
Letzter Punkt unserer Liste: die Ästhetik. Die „Mendocino“-Amöben setzten auf grüne Polyesterperücken, Sonnenbrillen in Herzchenform und bis in den Schritt ihrer pinken Schlaghosen hinunterlappende Plastikblumenhalsketten, während die ergrauten PS-Pestbeulen auf den Liebreiz von Jeansjackentattoos und meterbreiten Nietengürteln über den Frührentnerwampen vertrauen. Und damit fügen die Auspuffpissnelken den Augen unschuldiger Opfer doch etwas weniger Schaden zu als die „Guildo hat euch lieb“-Guerilla.
Das Ergebnis ist also ein klares 2:2. Was laut selbsterlassenem Regelwerk bedeutet: Wir müssen bis auf weiteres beide Veranstaltungen ausfallen lassen. Tja.
27 Juni 2013
Irgendwo in Sonstwowo
WLAN wird im Zentrum und an der Promenade von Swinemünde kostenlos angeboten. Hoffe ich wenigstens. Man muss sich nämlich erst mal durch seitenlange polnische Nutzungsbedingungen scrollen, ehe man am Ende eine von zwei unverständlichen Optionen anklicken kann. Kleiner Tipp: Die linke unverständliche Option führt zum Log-in.
Ob ich mich damit nun verpflichtet habe, mein Vermögen plus Ms. Columbo der Stadt Swinemünde zu überschreiben, werde ich möglicherweise bald erfahren.
Nach der sprichwörtlich schönen polnischen Frau hielten wir übrigens eine ganze Weile vergebens Ausschau. Ich vermutete schon den Export des Komplettbestandes in die Herbertstraße, doch dann sahen wir sie en passant doch noch, die sprichwörtlich schöne polnische Frau, und zwar auf dem Straßenstrich zwischen Swinemünde und Stettin.
Dort steht sie kurzberockt und upgepusht an Waldlichtungen, und zwar ohne jede sichtbare Infrastruktur. Meine Theorie, in der Bewaldung hinter ihr verfüge sie gewiss über eine gut getarnte Arbeits- und Verrichtungsstätte in Form eines Wohnmobils mit Waschmöglichkeit, blieb allerdings bis runter nach Stettin komplett unverifiziert.
Die Existenz polnischer Wildschweine hingegen konnten wir zweifelsfrei nachweisen. Beim Warten auf die Fähre nach Wollin etwa traten mehrere halbstarke Vertreter dieser schmackhaften Spezies aus dem Wald und orderten Futter. Eins versuchte gar einen Lkw zu entern, dessen Lenker so unvorsichtig gewesen war, die vorsorglich an Bord befindlichen Leckerli bei geöffneter Tür hinauszuwerfen.
Einen Tag später, im tiefen Wald zwischen Rewal, Kolberg und Sonstwowo, brachte gar eine Bache mit sechs Frischlingen den Verkehr komplett zum Erliegen. Mama musterte uns die ganze Zeit argwöhnisch, während die Kleinen sich nur für ihre Zitzen interessierten, darin dem Griesgraemer nicht ganz unähnlich.
25 Juni 2013
Zwei eindringliche Warnungen
Woher weißt du, dass du genau am genau richtigen Ort auf der Welt bist? Wenn du nicht genau sagen kannst, ob das Rauschen, das du hörst, von der Spülmaschine kommt oder von der Brandung.
Unsere Swinemünder Ferienwohnung liegt an der Ostsee, nur durch eine schmale Baumreihe vom Strand getrennt. Eine dreieckige Lücke in den Baumkronen gibt den Blick frei auf die weißen rauschenden Wellenkämme – der richtige Ort zur richtigen Zeit, zweifellos. Dank des Sturms heute auch für Kitesurfer.
Viele Einwohner Swinemündes sprechen Deutsch. Das ermutigt uns, es immer erst mal in unserer Muttersprache zu versuchen, und meistens klappt das auch. Nur wenige Kilometer weiter liegt Deutschland, doch ich würde mich sehr wundern, wenn dort eine signifikante Anzahl von Einwohnern Polnisch spräche.
Die Polen scheinen dieses Missverhältnis gelassen zu nehmen – und uns außerdem auch dankenswerterweise nicht (mehr) dafür haftbar zu machen, dass unsere Großväter über sie hergefallen sind. Im Gegenteil: Sie ertragen uns mit stoischer Freundlichkeit. Dabei sind wir uns bisweilen selber peinlich – Ms. Columbo und mir zum Beispiel eine Gruppe deutscher Touristen am Nebentisch in einem Swinemünder Innenstadtcafé. Lautstark rätselten sie über die Bedeutung des polnischen Wortes „Notariusz“, das an der gegenüberliegenden Hauswand prangte – und fanden nach längerem Überlegen die Übersetzung „Notarzt“ am plausibelsten.
Gegen so was hilft am besten polnisches Bier, denn darauf versteht sich die einheimische Bevölkerung vorzüglich. Nur vom Wein haben sie hierzulande keinen Schimmer. Ausdrücklich warnen möchte ich sogar davor, im ansonsten sehr empfehlenswerten Restaurant Gryfia (unbedingt den „Zander, jüdische Art“ probieren!) vom hiermit verkündeten Bierdogma abzuweichen. Der „Weißwein“, den man mir dort vorsetzte, lappte bereits verdächtig ins Rotbräunliche, geschmacklich gemahnte er an in Essig gelöstes Leder.
Aufgeregt bat mich die freundliche und Deutsch sprechende Kellnerin angesichts meiner entgleisten Gesichtszüge, sie zu begleiten und die Flasche, die sie eifrigen Griffs dem Kühlschrank entnahm, in Augenschein zu nehmen.
Mit jenem Interesse, das man Verkehrsunfällen auf Autobahnen entgegenbringt, betrachtete ich das Etikett. Es handelte sich um eine spanische Flasche, noch etwa zu einem Viertel gefüllt, und mir wurde augenblicklich klar, warum der Wein zur traurigen Karikatur eines Ports fehlalchemisierte. Er war mit hoher Wahrscheinlichkeit anlässlich der Papstwahl von Johannes Paul II., eines Polen aus Wadowice, entkorkt worden. Oder früher.
Also: keinen Wein in Polen trinken! Immer und unbedingt nur Piwo, wie sie hier liebevoll das Bier zu benennen pflegen.
Ab und zu machen wir mit dem Mietwagen Ausflüge in andere Orte auf der Insel Usedom, die bis auf Swinemünde zu Deutschland gehört. Heute zum Beispiel fuhren wir auf der Suche nach Espressonachschub rüber nach Mellenthin, wo im dortigen Wasserschloss die erste Usedomer Kaffeerösterei ansässig ist.
Im Restaurant orderten wir erwartungsfroh zwei Tassen zur Probe und wunderten uns darüber, dass sie den Espresso nicht mit Siebträgermaschinen zubereiten, sondern auf Knopfdruck aus Automaten zapfen. Das ist ungefähr so, als kaufte man sich das beste Filet vom Kobe-Rind, um es anschließend in der Mikrowelle zu zergaren.
„Sie haben doch eine eigene Rösterei“, sagte ich zur Kellnerin, „warum bereiten Sie den Espresso dann nicht zu wie ein Barista, sondern jagen ihn lieblos durch einen Vollautomaten? Sie könnten einen dreimal so guten servieren!“
Die bis dato American-Diner-haft pseudogutgelaunte, nun aber plötzlich auf ernst umschaltende Kellnerin wusste freilich auch nicht, warum das Wasserschloss diese Prozedur seinem eigenen Espresso zumutete. Sie sei eh erst seit vier Wochen da, sagte sie, und wir sollten uns doch an die Chefetage wenden.
Ausdrücklich warnen möchte ich hiermit also davor, im Wasserschloss Mellenthin einen Espresso zu bestellen. Er kostet unverschämte zwei Euro, kommt gleichwohl lieblos aus einem Vollautomaten, und die Bedienung weiß nicht mal warum.
Beinah hätte ich angefügt: Dann lieber einen Weißwein im Gryfia. Aber so weit möchte ich dann doch nicht gehen.
24 Juni 2013
22 Juni 2013
Fundstücke (175): Gammelschreib galore
Deutscher Apostroph, schwerer Apostroph. In praktisch allen Fällen liegt man übrigens richtig, wenn man ihn einfach weglässt.
Längst grassiert sie landesweit, die Kompositadiskriminierung. Doch sie nimmt auch immer erschreckendere Formen an. Das mittlere Beispiel „Hand naht stich“ schockiert aber selbst einen hartgesottenen Kompositadiskriminierungsanprangerer wie mich.
Wie hier alles, was der bedauernswerte Verfasser mal in der Schule gelernt hat, von dumpf- und widersinnigst angewandter angloamerikanischer Grammatik zerbröselt wird, das ist unfassbar. The walking Blöd! Wo soll das alles nur hinführen?
Nun, wahrscheinlich zu einer evolutionären Retardierung ins Vormenschliche. Der folgende Kandidat hat das in einem raren lichten Moment anscheinend schon erkannt, auch wenn er das Animalische in sich noch mit einem Pluralis Majestatis zu kaschieren versucht, freilich vergebens:
Pointenlos geht es jetzt in die Heia. Ich brauche meinen Schön Heiz Schlaf. Außerdem hilft er zu vergessen.
Längst grassiert sie landesweit, die Kompositadiskriminierung. Doch sie nimmt auch immer erschreckendere Formen an. Das mittlere Beispiel „Hand naht stich“ schockiert aber selbst einen hartgesottenen Kompositadiskriminierungsanprangerer wie mich.
Wie hier alles, was der bedauernswerte Verfasser mal in der Schule gelernt hat, von dumpf- und widersinnigst angewandter angloamerikanischer Grammatik zerbröselt wird, das ist unfassbar. The walking Blöd! Wo soll das alles nur hinführen?
Nun, wahrscheinlich zu einer evolutionären Retardierung ins Vormenschliche. Der folgende Kandidat hat das in einem raren lichten Moment anscheinend schon erkannt, auch wenn er das Animalische in sich noch mit einem Pluralis Majestatis zu kaschieren versucht, freilich vergebens:
Pointenlos geht es jetzt in die Heia. Ich brauche meinen Schön Heiz Schlaf. Außerdem hilft er zu vergessen.
19 Juni 2013
Die heiße Meile
Sommer auf dem Kiez! Man erkennt ihn unter anderem daran, dass plötzlich alle Frauen so gekleidet sind wie sonst nur die Huren.
Ms. Columbo und ich sitzen nach einem Matjesmahl an der Kreuzung vorm Lieblings und knabbern an den Waffeln unserer Genießerbecher für dreisiebzig.
Wampige White-Trash-Kleinfamilien in Leggings und Jogginghosen defilieren vorbei, von der Reeperbahn herüber wehen Feuerwehrwehrsirenen wie verstimmte Monsteroboen. „Hach“, seufzt Ms. Columbo selig, während ihr eine Flocke Malagaeis auf der Zunge zergeht, „hier müsste man wohnen!“
Dann gehen wir über die Straße nach Hause.
PS: Die Bezeichnung „White Trash“ oben haben Sie ohne jede Gefühlsregung weggelesen, doch wenn ich von „Black Trash“ gesprochen hätte, beschuldigten Sie mich bestimmt jetzt des Rassismus. Denken Sie ruhig einmal darüber nach.
Ms. Columbo und ich sitzen nach einem Matjesmahl an der Kreuzung vorm Lieblings und knabbern an den Waffeln unserer Genießerbecher für dreisiebzig.
Wampige White-Trash-Kleinfamilien in Leggings und Jogginghosen defilieren vorbei, von der Reeperbahn herüber wehen Feuerwehrwehrsirenen wie verstimmte Monsteroboen. „Hach“, seufzt Ms. Columbo selig, während ihr eine Flocke Malagaeis auf der Zunge zergeht, „hier müsste man wohnen!“
Dann gehen wir über die Straße nach Hause.
PS: Die Bezeichnung „White Trash“ oben haben Sie ohne jede Gefühlsregung weggelesen, doch wenn ich von „Black Trash“ gesprochen hätte, beschuldigten Sie mich bestimmt jetzt des Rassismus. Denken Sie ruhig einmal darüber nach.
18 Juni 2013
Die männliche Klofrau
Was mich geritten hatte, den Wettvorschlag des Franken zu akzeptieren? Keine Ahnung.
Jedenfalls behauptete ich nachmittags aus irgendeinem Grund und heiterem Himmel, Oliver Welke würde nachher bei seinem Auftritt im Schmidt-Theater bestimmt einen Maß- oder zumindest einen -anzug tragen, schließlich täte er das auch in der „heute-show“.
Pah, machte der Franke, unterstellte dem dicklichen Gütersloher stattdessen Jeans und erklärte, wir sollten dieser gewichtigen Frage die Ehre einer Wette antun. Einsatz: ein Bier.
Nach einigem Hin und Her um die Modalitäten (was z. B. wäre, wenn Welke einen Anzug lediglich dabeihätte, z. B. in einem Koffer, ihn aber nicht anzöge etc. pp.) wetteten wir und begaben uns ins Schmidts. Wo der dickliche Gütersloher in Jeans und Polohemd auf die Bühne schlurfte.
Feixend und glücklich nuckelte der Franke alsbald an einem Duckstein for free, was ihm natürlich gleich doppelt so gut schmeckte. Vorher hatte der Leiter des Schmidt-Theaters eine kleine Eröffnungsansprache gehalten, die er mit den Worten „Viel Spaß, auch im Namen der Klofrau“ beschloss.
„Das ist heute ein Mann!“, rief ein Zuschauer, der anscheinend auf soeben gewonnene Erkenntnisse aus dem Sanitärbereich zurückgreifen konnte.
„Habe ich zuerst auch gedacht“, schoss der Theaterleiter nach nicht mal einer Millisekunde zurück, „aber schauen Sie noch mal genauer hin …“
Ein eindrucksvoller, zudem auf elegante Weise kiezkompatibler Konter, um den ich diesen Mann glühend beneide. Denn Schlagfertigkeit steht – neben Weltfrieden, ewigem Sommer und einer baldigen Deutschlandtour von Tony Joe White – sehr weit oben auf meiner persönlichen Wunschliste.
Oliver Welke und sein Kompagnon Dietmar Wischmeyer lasen übrigens aus ihrem Buch „Franz Bsirske macht Urlaub auf Krk“ und waren sehr komisch, trotz Jeans.
Jedenfalls behauptete ich nachmittags aus irgendeinem Grund und heiterem Himmel, Oliver Welke würde nachher bei seinem Auftritt im Schmidt-Theater bestimmt einen Maß- oder zumindest einen -anzug tragen, schließlich täte er das auch in der „heute-show“.
Pah, machte der Franke, unterstellte dem dicklichen Gütersloher stattdessen Jeans und erklärte, wir sollten dieser gewichtigen Frage die Ehre einer Wette antun. Einsatz: ein Bier.
Nach einigem Hin und Her um die Modalitäten (was z. B. wäre, wenn Welke einen Anzug lediglich dabeihätte, z. B. in einem Koffer, ihn aber nicht anzöge etc. pp.) wetteten wir und begaben uns ins Schmidts. Wo der dickliche Gütersloher in Jeans und Polohemd auf die Bühne schlurfte.
Feixend und glücklich nuckelte der Franke alsbald an einem Duckstein for free, was ihm natürlich gleich doppelt so gut schmeckte. Vorher hatte der Leiter des Schmidt-Theaters eine kleine Eröffnungsansprache gehalten, die er mit den Worten „Viel Spaß, auch im Namen der Klofrau“ beschloss.
„Das ist heute ein Mann!“, rief ein Zuschauer, der anscheinend auf soeben gewonnene Erkenntnisse aus dem Sanitärbereich zurückgreifen konnte.
„Habe ich zuerst auch gedacht“, schoss der Theaterleiter nach nicht mal einer Millisekunde zurück, „aber schauen Sie noch mal genauer hin …“
Ein eindrucksvoller, zudem auf elegante Weise kiezkompatibler Konter, um den ich diesen Mann glühend beneide. Denn Schlagfertigkeit steht – neben Weltfrieden, ewigem Sommer und einer baldigen Deutschlandtour von Tony Joe White – sehr weit oben auf meiner persönlichen Wunschliste.
Oliver Welke und sein Kompagnon Dietmar Wischmeyer lasen übrigens aus ihrem Buch „Franz Bsirske macht Urlaub auf Krk“ und waren sehr komisch, trotz Jeans.
16 Juni 2013
Vorsicht ist die Mutter der Bierkiste
Die Sommerbühne in der Ufafabrik ist der weltweit schönste Konzertort von ganz Berlin, nicht nur wegen der von einem Zeltdach heimelig überwölbten Stuhlreihen, sondern auch dank der begrünten Terrassen, die von Stehtischen gesprenkelt sanft Richtung Tresen ansteigen.
Wenn man dort an der Bar ein Getränk kauft, erhält man zusätzklich eine Plastikpfandmarke. Gedankenlos steckte ich sie ein, ehe mir das Pleonastische daran aufging.
Würde es eigentlich nicht völlig reichen, fragte ich mich auf dem Weg zurück zu Ashras schwebendem Sequenzerteppich, wenn man einfach Pfand auf Gläser und Flaschen einbehielte und ihn bei Rückgabe derselben wieder aushändigte – warum zusätzlich auch noch Pfandmarken?
Genau diese drängende Frage stellte ich auch dem Tresenmann bei der nächsten Bestellung. „Weil“, sagte er, „sonst die Leute mit ihren alten Gläsern ankämen. Oder mit einer leeren Kiste Jever.“
Diese Erklärung überzeugte mich sofort. Und sie informierte zudem beiläufig über eine gewisse hinterfotzige Pfiffigkeit des Berliner Publikums, welche eine solche Maßnahme anscheinend notwendig macht.
Jedenfalls wieder mal ein sehr lehrreicher Besuch in der weltweit besten Bundeshauptstadt unserer Republik.
15 Juni 2013
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (86)
Nachtmarkt auf dem Spielbudenplatz, mit tanzenden Türmen und dräuenden Wolken.
PS: Tolle Käsestände!
12 Juni 2013
Die Qual der Wale
„Ich hätte mir damals, als ich am Fuße des Westerwaldes lebte, ja niemals träumen lassen, mal in einer Stadt zu leben, in der es Wale gibt“, sage ich versonnen beim Lesen eines Mopo-Artikels. In dem Text geht es um die Rückkehr der Schweinswale in die Elbe (wo sie dann umgehend von Schiffsschrauben zerstückelt werden).
„Ja“, sagt Ms. Columbo, „und das Beste: Es ist nicht Tromsø!“
Apropos Elbe: Sie ist ja andernorts gerade schwer im Gerede. Wenn man zynisch wäre, könnte man auch sagen: schwer im Kommen …
Hier in Hamburg hingegen, so heißt es, wird die Scheitelwelle des Hochwassers sich mit unmerklichen 40 Zentimetern Höhe Richtung Nordsee verflüchtigen; nicht mal die Schweinswale, die bisher noch nicht von Schiffsschrauben zerstückelt wurden, werden was davon mitkriegen.
Und weil das so ist, kann man hier in dieser Stadt auch mit dem Phänomen Regen so flapsig umgehen, wie es das Foto oben dokumentiert.
Morgen übrigens soll es schütten wie aus Kübeln, dabei wollen wir abends zum Frankenweintrinken auf den Gänsemarkt. Und dabei bleibt es jetzt auch, Punkt. Denn Menschen, die in einer Stadt leben, in der es Wale gibt, sind nun mal nicht aus Zucker.
Wohl sein!
PS: Nichts gegen Tromsø übrigens, alles bestimmt ganz super da!
„Ja“, sagt Ms. Columbo, „und das Beste: Es ist nicht Tromsø!“
Apropos Elbe: Sie ist ja andernorts gerade schwer im Gerede. Wenn man zynisch wäre, könnte man auch sagen: schwer im Kommen …
Hier in Hamburg hingegen, so heißt es, wird die Scheitelwelle des Hochwassers sich mit unmerklichen 40 Zentimetern Höhe Richtung Nordsee verflüchtigen; nicht mal die Schweinswale, die bisher noch nicht von Schiffsschrauben zerstückelt wurden, werden was davon mitkriegen.
Und weil das so ist, kann man hier in dieser Stadt auch mit dem Phänomen Regen so flapsig umgehen, wie es das Foto oben dokumentiert.
Morgen übrigens soll es schütten wie aus Kübeln, dabei wollen wir abends zum Frankenweintrinken auf den Gänsemarkt. Und dabei bleibt es jetzt auch, Punkt. Denn Menschen, die in einer Stadt leben, in der es Wale gibt, sind nun mal nicht aus Zucker.
Wohl sein!
PS: Nichts gegen Tromsø übrigens, alles bestimmt ganz super da!
10 Juni 2013
Pareidolie (62): Holzauge, sei wachsam …
… oder auch: Karl Dall in Strick.
Entdeckt in einem Klamottenladen im Schanzenviertel.
PS: Eine ganze Pareidoliegalerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
08 Juni 2013
Der Kiez von unten und von oben
„Da drüben“, sage ich zu Ms. Columbo, „gab es neulich diese Schießerei. Und gegenüber vorm Kiosk ist letztes Jahr einer erschossen worden.“
Wir sitzen draußen vor der neuen Trattoria Palermo, die natürlich getestet werden muss. Sie liegt direkt an der Kreuzung Seiler-/Hein-Hoyer-Straße und zahlt wahrscheinlich eine Pacht in Schutzgeldhöhe. Denn kiezmittiger geht es praktisch nicht.
Hier pulsiert das Leben, manchmal auch bis zum letzten Tropfen.
Während wir uns an Bruschette und Antipasti delektieren, hält neben unserem Tisch ein Mercedes-Cabrio, Schätzpreis 80.000 Euro. Vier dreitagebärtige Sonnenbrillenmuskelshirttypen sitzen drin, sie erzählen sich Geschichten über einen gewissen „Alda“ und einen anderen namens „Digga“ und fahren dann weiter Richtung Davidstraße, wo gigantische Hafenkräne in den Himmel ragen.
„Wenn jetzt ein großes Kreuzfahrtschiff vorbeikäme“, sinniert Ms. Columbo, die den Südblick genießt, „könnte man es von hier aus sehen.“
Der Pastagang kommt. Eine Gruppe besoffener Engländer hat den Tisch neben uns unter großem Palaver okkupiert. Einer schmeißt lallend etwas in die Luft, und ich überlege kurz, wie ich reagieren soll, wenn das unbekannte Etwas mir in den Maccheroni landet, doch es kehrt zu ihm zurück wie ein Bumerang. Es ist ein Strohhut.
Das Palermo ist Nachfolger von Don Camillo e Peppone, dessen kugeliger Wirt Lillo alle Italienerklischees zu verkörpern versuchte, was ihm auch ziemlich gut gelang. Doch uns – besonders Ms. Columbo – wurde die Lillo’sche Leutseligkeit irgendwann gar zu heftig, zumal sie mehr von taktisch-merkantilen Überlegungen als von südländischer Gastfreundschaft getrieben zu sein schien.
Egal, Lillo ist Geschichte, wahrscheinlich hat er seine Gäste gleichsam wegumarmt, und jetzt ergänzt die Trattoria Palermo das kieztypische Überangebot an italienischen Restaurants.
Es macht seine Sache gut. Schon die Crema des oben abgebildeten Espressos zeugt von jener handwerklichen Qualität, die man gemeinhin nur südseits deutscher Grenzen zu entdecken vermag, und auch geschmacklich gibt es nichts zu mäkeln. Na gut, vielleicht eine Spur zu viel Röstaromen.
Das größte Manko des Palermo liegt – anders als bei Da Benito hundert Meter weiter an der Ecke Seiler-/Detlev-Bremer-Straße – darin, dass man vorm Abkassieren keinen Grappa spendiert bekommt. Vielleicht wäre das ja anders gewesen, hätten wir abschließend Dolce bestellt, doch zu spät, wir sind schon auf dem Weg rüber ins Empire Riverside.
Dort fahren wir in den 20. Stock zur 20-up-Bar, wo wir dank meines Gieves-&-Hawkes-Nadelstreifenanzugs nicht mal wie üblich skeptisch von oben bis unten gemustert, sondern sofort lächelnd eingelassen werden. Wir finden sogar – was ausschließlich der frühen Stunde zuzuschreiben ist – einen Fensterplatz mit Südwestblick.
Von hier oben, aus 65 Metern Höhe, sieht St. Pauli hinreißend aus, in alle Richtungen. Linker Hand der Strom, am gegenüberliegenden Ufer die hohen Kräne, die wie riesige Gottesanbeterinnen auf Beute zu lauern scheinen, dann die kleine Allee, die sich schnurgerade Richtung Fischmarkt zieht, rechts Richtung Norden die jetzt noch hurenlose Davidstraße (was sich erst 20 Uhr ändert), an ihrem Ende die unablässig vom Verkehr durchtoste Reeperbahn.
Von hier oben, das ist sicher, bekäme man auch von der heftigsten Schießerei an der Kreuzung Seiler-/Hein-Hoyer-Straße nichts mit.
Wir bestellen zwei Flamingos. Sie leuchten orangerot in der Abendsonne.
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