19 Juni 2006

Im Reich der Zombieblogs

Heute wird es etwas selbstbezüglich und theoretisch, aber auch sehr spannend, versprochen. Es geht darum: Manipuliert Blogger.com möglicherweise seine Mitgliedszahlen? Einige Indizien scheinen das zumindest nahezulegen.

Wenn man sich zum Beispiel das Profil von ginehidi anschaut, stellt man fest: Es wurde angelegt im Februar 2006 und seither zweimal angeschaut. Auch das benachbarte Profil von dan06 wurde damals angelegt und zweimal aufgerufen. dan06 soll sogar ein Blog haben („danscrew“), aber das ist nicht online. Interessant genug, um ein wenig weiter zu recherchieren. Immerhin suggeriert die achtstellige Zahl am Ende jeder Blogger-URL ja eine hohe Millionenzahl an registrierten Blogs. Doch wo sind die denn alle?

Also habe ich mal wahllos im Heuhaufen herumgestochert und es u. a. mit der sehr viel höheren Zahl 18472123 als URL-Abschluss probiert. Ergebnis: eine julia, wieder angelegt im Februar 2006, angeblich 8 Profilansichten, aber kein Blog. In anderen Ecken – bspw. um die 13.000.000 – sieht es genauso aus. Diesmal sind offenbar im September 2005 massenhaft Namen angelegt worden, z. B. adrikosa. Angeblich 4 Profilaufrufe, kein Blog.

Weitere Stichproben – auch in niedrigen Regionen – ergeben praktisch immer das gleiche Bild: Karteileichen, Dummys, fiktive Blogs ohne Ende; ein echtes ist so selten wie ein Bär im Bayrischen Wald. Es scheint beinah so, als hätte ein Bot hunderttausende (oder gar Millionen?) von Pseudoprofilen angelegt.

Aber könnte es denn wirklich sein, dass der Google-eigene Anbieter Blogger.com im weltweiten Kampf ums boomende Gewerbe exorbitante Mitgliedszahlen vortäuscht? Und warum – um als Marktführer wahrgenommen zu werden? Immerhin geht es ja auch um Werbeeinnahmen.

Wenn jemand eine andere – profanere – Erklärung für das Phänomen der untoten Blogs bei Blogger.com hat: Ich bin sehr gespannt. Denn vielleicht ist es ja wirklich so, dass gefühlte 95 Prozent der Blogger schon nach kurzer Zeit wieder alles stehen und liegen lassen, ohne ihr Blog jemals zu löschen. Das spräche aber auch nicht für die Strahlkraft des Anbieters, wie ich finde. Zumal die üblichen Profilelemente wie Foto (im Bild: meins), Lieblingsfilme usw. ja noch nachzulesen sein müssten. Doch bei all den oben aufgeführten Stichproben fand sich nichts dergleichen; all diese Blogger scheinen kulturelle Banausen zu sein.

Sehr komische Geschichte, nicht wahr? Vielleicht liege ich aber auch völlig falsch, ähnlich wie der durchgeknallte Verschwörungstheoretiker im Film „23“. Also: plausible Theorien erwünscht. Sonst kann ich nicht mehr ruhig schlafen …

10 Kommentare:

  1. 1. Die Generierung von UserIDs kann durchaus per se achtstellig sein. Einfach aus datenbanktechnischen Gründen.

    2. Viele Blogger lassen nur Kommentare von eingeloggten Usern zu (kann man einstellen). Also werden sich viele nur um mal hier und da ein Kommentar zu schreiben einen Account anlegen … und wieder vergessen, dass sie einen haben.

    3. Die Abbruchrate bei Bloganfängern ist per se sehr hoch. Egal bei welchem System.

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  2. Die Wahrheit ist: Es gibt uns alle nicht. Wir sind nur von Automaten generierte Algorithmen, die mehr oder weniger sinnentleerte Strings aneinanderreihen.

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  3. mspro, drei plausible Thesen, danke.

    Markus, dieser beunruhigende Gedanke ist mir auch schon mal gekommen.

    (Und schon wieder ein sinnentleerter String.)

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  4. Vielleicht sollte ich umziehen …

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  5. ich tippe auch auf markus stringtheorie, klingt für mich sehr plausibel. genauso wie umziehen. falls irgendwas fehlt (webspace, wordpress installation, kiste astra) einfach bescheidgeben, ich kann sicher ein irgendwie helfen ...

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  6. das "ein" bitte streichen. ich mein natürlich vier ...

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  7. Sehr nettes Angebot, stard, vielen Dank! Vielleicht hast du mich wirklich bald auf dem Hals … ;-)

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  8. scheinbar kann man sich auch von der adminoberfläche im wp direkt mit dem blogger account connecten und die sachen importieren. probiert hab ich das zwar noch nicht aber den knopf habe ich schon gefunden ;)

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  9. "Vielleicht sollte ich umziehen …"

    Ja, bester Herr Matt, das sollten Sie wirklich. Ihr beliebtes Periodikum weist erschütternde Ausfallraten auf, ist für Kommentatoren ausgesprochen unkomfortabel und stellt Sie vor das Dilemma, entweder Potenzpillen- und Kartenspielreklame selbst von Hand auszusortieren oder Ihre Leser mit nervtötenden Bilderrätseln zu traktieren. Zudem dauert es zumeist über Gebühr lange, einer Ihrer wohlfeilen Beiträge ansichtig zu werden.

    Ceterum censeo Blogspotinem esse delendam!

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  10. Diese Zombie-Blogs gibt es überall. Es ist ein Hype, den zu erfüllen sich viele Menschen gezeungen fühlen und dann scheitern sie angesichts der scheinbaren Kompliziertheit der Bedienung. Oder an der einfachen Tatsache, daß sie schon immer Tagebuch schreiben wollten, es aber nie geschafft haben.

    Haben wollen - nicht wissen, was man nun eigentlich dmait soll. Das gibt es auch bei myblog und Co. ebenso wie sogar bei den elitären designblogs :))

    Mein Blog gehört eher zu den Überfüllten.

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