19 November 2012

Selig gehört (vermutlich)

 „Da vorne ist Jan Plewka! Ich habe Jan Plewka gesehen!“, brülle ich Ms. Columbo zu. Wir stehen im Kellerclub Molotow. Vorn auf der Bühne, die nicht zu sehen ist, sollen Selig spielen. Klingt auch danach.

Wenn man am Eingang des Molotow-Bühnenraums vor einer unnachgiebigen Wand aus Rückenfronten steht, hat man vielerlei Probleme, die in mehreren Dimensionen anzusiedeln sind.

Zum einen ist der Sound von strunzdumpfer Breiigkeit, aber wenigstens bläst er einem nicht das Hirn aus dem Schädel: Die Front der unnachgiebigen Körper wirkt wie ein riesiger Punchingball, der den Schall teilabsorbiert. Zugleich verhindert sie zuverlässig unser weiteres Vordringen.

Um die Situation zu verschärfen und den Weltrekord in der Disziplin „Unzumutbare Konzertbedingungen“ nicht aus den Augen zu verlieren, minimiert die unmittelbar überm Scheitel des Publikums ansetzende Molotow-Decke außerdem den Sichtspalt Richtung Bühne auf Schlipsbreite – und ich meine nicht die Schlipsmodelle aus den 70ern.

Aus irgendeinem Grund erhasche ich gleichwohl einen Bühnenblick und erkenne den Bart des Sängers. „Da vorne ist Jan Plewka! Ich habe Jan Plewka gesehen!“, brülle ich daher Ms. Columbo zu. Sie scheint mir zu glauben, und wenn nicht, dann spätestens jetzt, mit diesem Beweisbild:




Das süße Discokügelchen über der Treppe, die harmlos tuend hinabführt in den Molotow-Höllenschlund, sollten die Betreiber übrigens unbedingt abhängen. Aus Sicht der zuständigen Jury gefährdet sie möglicherweise den Weltrekord in der Disziplin „Unzumutbare Konzertbedingungen“.


10 Kommentare:

  1. Nihilistin20.11.12, 11:54

    Wer da auf dem Foto Nr. 2 zu sehen ist, ist für mich jetzt nicht wirklich interessant.
    Ich frage mich nur: Da drin stellt man sich wirklich freiwillig hin? Mit einer Decke, die nur wenige Zentimeter (oder in Ihrer Sprache bleibend: Eine 80er Schlipsbreite) über dem Scheitel lässt?
    Reinhold Messner ist ein Scheißdreck gegen Sie, Herrn Matt, und die anderen Besucher. Lieber klettere ich zweimal alle Achttausender ohne Sauerstoff und Strümpfe, als nur einen Schritt in dieses gelebte Klaustrophobie zu setzen.

    AntwortenLöschen
  2. Molotow. Nicht Molotov. Deutlich erkennbar auch auf dem ersten Bild.

    AntwortenLöschen
  3. Steht doch ja! (… Zumindest jetzt …) (Danke.)

    Frau Nihilistin, fairerweise muss man sagen, dass die Decke im Bühnenraum selbst etwas höher angesetzt ist. Aber dahin vermochten wir in unserem Alter nicht mehr vorzudringen.

    AntwortenLöschen
  4. Nihilistin21.11.12, 15:35

    Und wissen Sie was, Herr Matt? Früher (als ich jung war) habe ich ja auch diverse fragwürdige Lokalitäten besucht. Ein paar waren dabei - so ungefähr mit dieser Deckenhöhe. Die Decken waren mit Ölfarbe gestrichen, Fenster quasi nicht vorhanden, von Klimaanlagen reden wir mal gar nicht. Nach ca. 1 Stunde gedrängter Enge begann es von der Decke zu tropfen. Im Laufe der Nacht immer mehr. Die Vorstellung, WAS da auf mich niedertropfte, ließ sich nur im absoluten Suff ertragen. Was dann, luftschnappend, zu diversen Verunfallungen vor der Lokationstür führte, was wiederum...ach, lassen wir das. Es schüttelt mich heute noch bei der Erinnerung. Also bleibe ich bei meinem Angebot der 8000er.

    AntwortenLöschen
  5. Nö, steht da (Ich interpretiere Ihr "ja" mal als "da") nicht.
    Im vierten Absatz steht "Molotov-Decke", inklusive Deppenbindestrich.

    Sorry, Herr Matt. Ich konnte mir die Klugscheißerei nicht verkneifen :)

    AntwortenLöschen
  6. Gar nicht wahr, beides nicht!

    Bei Komposita mit Eigennamen ist es sinnvoll, einen Bindestrich zu setzen. Es sei denn, etwas ist quasi zum Gattungsbegriff geworden. Ein Beckenbauer-Pass z. B. wurde original von Kaiser Franz gespielt, aber einen Beckenbauerpass kann auch jemand anderes spielen. Nur kann das halt kaum noch einer.

    AntwortenLöschen
  7. Frau Nihilistin, ich bin immer wieder verblüfft angesichts unserer biografischen Parallelen. Ach ja.

    AntwortenLöschen
  8. Beim Anblick der Fotos scheint auch mir die alternative 8000er-Besteigung verlockender, gern auch über die Abkürzung via Beckenbauerpass.

    AntwortenLöschen
  9. Nebenbei bemerkt: Herr Plewka weiß um ihre Anwesenheit an jenem Abend, ohne Sie hinter all den Breitschultern und mittenmang tiefergelegter Räumlichkeiten in persona erspäht zu haben. Wie mir zugetragen wurde, soll er nämlich nicht nur (großartige Texte) schreiben, sondern solche durchaus auch lesen können. Zwinker.

    AntwortenLöschen
  10. Wenn Jan Plewka mein Blog liest, kann ich mich eigentlich zur Ruhe setzen. Mehr kann man als Blogger nicht erreichen. (Es sei denn, Bob Dylan läse mein Blog.)

    AntwortenLöschen