24 Februar 2007

Ein Cyborg fliegt auf

In meiner Stammdrogerie in der Clemens-Schulz-Straße beschäftigen sie statt echten Menschen neuerdings Cyborgs, die natürlich exakt wie echte Menschen aussehen. Vielleicht sind es auch Androiden wie in Ridley Scotts „Alien“, das kann man von außen natürlich nicht letztgültig beantworten.

Man merkt es nur an Kleinigkeiten – und auch nur dann, wenn der normale Ablauf gestört wird. Als ich zuletzt da war, bezahlte ich mit EC-Karte. Der Cyborg – ein Mauerblümchen mit Weitsichtigenbrille, über die es lächelnd mit geneigtem Kopf drüberlinste, wie es auch weitsichtige Menschen tun würden – schob mir das Kartenlesegerät mit den Worten rüber: „Bitte Geheimzahl eingeben und bestätigen bitte.“

Alles ganz normal also, die geschickt eingebaute „Bitte“-Dopplung war natürlich ein Trick, der den robotischen Kern des Mauerblümchens vertuschen sollte. Ich tat wie geheißen, die „Verkäuferin“ zog meine Karte aus dem Lesegerät, überreichte mir die Quittung und sagte: „Auf Wiedersehen – und vielen Dank, dass Sie bei uns waren.“ Was man Cyborgs oder Androiden halt so einprogrammiert, wenn sie in Kiezdrogerien als Verkäuferinnen durchgehen sollen.

Doch dann kam die Störung im Ablauf: Ich hatte vergessen, die mitgebrachte leere Kohlensäurepatrone gegen eine neue einzutauschen. Sie hatte sich bereits der Kundin hinter mir zugewandt, musste ihren normalen Ablaufmodus also unterbrechen und sich erneut mir widmen, einem Kunden also, der eigentlich längst abgefertigt war.

Und jetzt drang allmählich ihr Cyborgsein durch. Denn sie linste lächelnd mit geneigtem Kopf über ihre Weitsichtigenbrille, wie es auch weitsichtige Menschen tun würden, und schob mir das Kartenlesegerät mit den Worten rüber: „Bitte Geheimzahl eingeben und bestätigen bitte.“

Das war exakt dieselbe Floskel wie vor einer Minute. Ein echter Mensch aber hätte an dieser Stelle eine Variation eingebaut, da er davon ausgegangen wäre, der Kunde könne sich noch an den unmittelbar zurückliegenden Ablauf erinnern, wüsste also Bescheid, was zu tun sei. Zum Beispiel hätte sie, wäre sie kein Cyborg gewesen, lächelnd und mit geneigtem Kopf sagen können: „Na, Sie wissen ja, wie das geht, nicht wahr?“

Ein erster Verdacht keimte in mir auf, doch ich ließ mir nichts anmerken, sondern tippte erneut meine Geheimnummer ein. Die Buchung erfolgte, sie zog meine Karte aus dem Lesegerät, überreichte mir die Quittung und sagte: „Und einsneunundachtzig zurück. Auf Wiedersehen – und vielen Dank, dass Sie bei uns waren.“

Ich schaute auf die Quittung wie ein grenzdebiler Bonobo und dann sehr verblüfft zu ihr hoch, dann noch mal auf die Quittung. Dort war die Kartenzahlung ausgewiesen. Also nix mit Wechselgeld. Ich schaute wieder hoch, doch sie hatte sich bereits der Kundin hinter mir zugewandt.

Sowieso war ich von der Tatsache, gerade der Selbstenttarnung eines Budnikowsky-Cyborgs beigewohnt zu haben, viel zu frappiert, um das einzig Logische zu tun: auf reale Auszahlung der fiktiven einsneunundachtzig zu bestehen.

2 Kommentare:

  1. Moin Matt,

    ich habe das Gefühl, dies ist der richtige Zeitpunkt, auf Ihr Angebot zurückzukommen. Vielleicht erinnern Sie sich an unser kleines Projekt "Dienst ohne Leistung" http://www.dienst-ohne-leistung.de

    Hier würde ich dieses herzerwärmende Erlebnis gerne zitieren. Sind Sie einverstanden?

    Grüße vom Deich

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  2. Na klar, kein Problem, vielen Dank für dein Interesse.

    Gib aber bitte den Link an zur Rückseite der Reeperbahn.

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